Читать книгу Keine Panik, ist nur Technik - Kenza Ait Si Abbou - Страница 14
Die Smartwatch
ОглавлениеKurzer Sprung zurück an den Nachmittag: Ich esse gerade das letzte Stück meines Apfels, als meine iWatch vibriert und mir sagt, ich solle aufstehen und mich bewegen. Diese Uhr, manchmal frage ich mich, ob sie Segen oder Flucht ist. Ich habe sie mir besorgt, weil ich keine Anrufe auf meinem Privathandy mehr verpassen möchte, es könnte ja ein Anruf von der Kita sein. Aber die Uhr hat natürlich viel mehr Funktionen, als ich eigentlich brauche. Sie misst meinen Puls, meine Bewegungen, erinnert mich daran aufzustehen, wenn ich zu lange gesessen habe, und das Beste: Sie erinnert mich daran zu atmen! Ich frage mich, wie sie darauf kommt, dass ich jetzt tief atmen sollte. Manchmal erinnert sie mich mitten in einer Telefonkonferenz daran. Hat sie gespürt, dass mich mein Ansprechpartner gerade mit seinen Aussagen ärgert? Oder merkt sie vielleicht, dass ich bald einschlafe, weil die Konferenz so langweilig ist? Auf jeden Fall schafft sie es, dass ich ihr mehr Aufmerksamkeit schenke als ursprünglich geplant. Moment, ist das Aufmerksamkeit, die ich der Uhr schenke, oder schenke ich sie mir selbst? Schwer zu sagen.
Als ich darüber mit einem Kollegen sprach, meinte er: »Die kann man aber auch austricksen.« (Vielen meiner Kolleginnen und Kollegen scheint es Spaß zu machen, Technik auszutricksen.) Seine Methode: Wenn die Uhr ihm sagt, er möge sich etwas bewegen, bleibt er sitzen und bewegt nur den Arm mehrmals hoch und runter, damit die Uhr denkt, er läuft gerade, und ihm Bonuspunkte für die Bewegung gibt. »Tadaaa, ich habe gewonnen!« Mein Kollege fühlt sich glücklich, die Uhr ausgetrickst zu haben, aber hat er wirklich gewonnen? Ist das ein Wettbewerb »Uhr gegen Mensch«?
Ich finde es immer sehr interessant, was wir Menschen uns einfallen lassen, um andere Menschen oder Maschinen auszutricksen. Wir sind offenbar davon überzeugt, dass es Regeln nur gibt, um sie zu umgehen. Das Paradoxe daran ist, dass wir Menschen erst Programme und Techniken erfinden, damit sie uns Arbeit abnehmen und unsere Lebensqualität verbessern – und dann wieder neue Dinge erfinden, um die Folgen ihrer Existenz auszuhebeln. Persönlich zugeschnittene Werbung (einst als Service gedacht) wird heute von Ad-Blockern ausgefiltert; Algorithmen, die ursprünglich erfunden wurden, um unsere Kommunikation zu verbessern, helfen uns beim Beantworten von E-Mails. Warum ist das eigentlich so? Ist das nur eine normale Entwicklung oder eine Fehlprogrammierung?
Ich finde es immer sehr interessant, was wir Menschen uns einfallen lassen, um andere Menschen oder Maschinen auszutricksen. Wir sind offenbar davon überzeugt, dass es Regeln nur gibt, um sie zu umgehen. Das Paradoxe daran ist, dass wir Menschen erst Programme und Techniken erfinden, damit sie uns Arbeit abnehmen und unsere Lebensqualität verbessern – und dann wieder neue Dinge erfinden, um die Folgen ihrer Existenz auszuhebeln. Persönlich zugeschnittene Werbung (einst als Service gedacht) wird heute von Ad-Blockern ausgefiltert; Algorithmen, die ursprünglich erfunden wurden, um unsere Kommunikation zu verbessern, helfen uns beim Beantworten von E-Mails. Warum ist das eigentlich so? Ist das nur eine normale Entwicklung oder eine Fehlprogrammierung?
Programmierer sind jedenfalls immer wieder darüber überrascht, wie Nutzer mit ihren Systemen umgehen. Als ich noch im technischen Service arbeitete, verblüffte mich oft die Kreativität meiner Kunden im Umgang mit der Hardware, die wir gebaut hatten. Sie dachten sich immer Sachen aus, die wir ursprünglich nicht eingeplant hatten, und schon machte das Gerät nicht mehr mit, weil es dafür nicht gebaut war. Wenn ein Wunsch öfter auftauchte, erweiterten wir die Funktionalität entsprechend, aber die eierlegende Wollmilchsau konnten auch wir natürlich nicht liefern. Am Ende findet sich eh immer ein Nutzer, der die eine oder andere Funktionalität austrickst. Die Kreativität der Menschen ist einfach faszinierend.