Читать книгу Keine Panik, ist nur Technik - Kenza Ait Si Abbou - Страница 5
VORWORT
ОглавлениеIch bin bei einem Workshop für Kinder zwischen sechs und zwölf zum Thema künstliche Intelligenz (KI). Den Workshop haben eine Kollegin und ich mit dem Weizenbaum-Institut und Stefania Druga organisiert. Stefania forscht an der University of Washington und hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine kostenlose Plattform namens »Cognimates« zum Programmieren von intelligenten Robotern für Kinder gegründet. Sie untersucht den Einfluss von KI auf Kinder und setzt sich für die Alphabetisierung von Kindern und deren Eltern in der KI ein. Bevor die Kinder mit den Robotern spielen dürfen, fragen wir sie: »Glaubt ihr, dass Alexa intelligent ist?«
»Ja!«, antworten alle Kinder.
»Warum?«, fragen wir.
»Weil sie alles weiß. Sie kann alle meine Fragen beantworten.«
Nun dürfen die Kinder mit verschiedenen Robotern spielen, die unter anderem auf Alexa zurückgreifen, in Begleitung von Wissenschaftlern, die ihnen erklären, wie sie diese programmieren können. Nach dem Spiel fragen wir sie noch einmal: »Glaubt ihr, Alexa ist intelligent?«
»Nein!«, antworten sie diesmal.
»Warum nicht?«, fragen wir.
»Weil ich ihr sage, was sie machen soll!«
Interessant, denke ich, sogar kleine Kinder können sich innerhalb kürzester Zeit wie große Programmierer fühlen. Angst vor den Robotern haben sie auch nicht. Natürlich sind alle, die wir verwendet haben, klein und niedlich, extra für Kinder ausgestattet, und sehen aus wie gewöhnliches Spielzeug. Die Kids haben sie sofort untersucht, mit ihnen gespielt, programmiert und ihnen ein paar Tricks beigebracht.
Diese Haltung wünsche ich mir auch von uns Erwachsenen. Warum bleiben wir nicht neugierig, wenn wir groß sind? Warum haben wir Angst vor neuen Sachen? Warum scheuen viele Begriffe wie »künstliche Intelligenz«, »Technik« oder »Programmieren«? Wir nutzen tagtäglich technische Geräte, wir können nicht mehr ohne sie leben – und trotzdem meiden wir die Logik dahinter, anstatt uns mit ihr zu beschäftigen.
Wie so viele Nerds wünsche ich mir, dass Kenntnisse über Codes, Computer und Digitalisierung irgendwann so alltäglich sind wie das perfekte Risotto-Rezept oder die Fähigkeit, einen Fahrradplatten zu reparieren. Denn mit jedem, der die digitale Suppe ein wenig verfeinert, wird sie schmackhafter und besser. Und während ich diese Zeilen schreibe, passiert weltweit genau das: Von Shanghai bis Los Angeles kämpfen Ärztinnen, Programmiererinnen, Politiker, Journalistinnen und Soziologen mit Hilfe digitaler Instrumente oder Simulationen darum, dass unsere Welt durch die Corona-Pandemie nicht aus den Fugen gerät. Wie wichtig eine gelungene Digitalisierung beim Kampf gegen das Virus ist, sehen wir gerade ganz praktisch bei der schnellen Umstellung auf Homeoffice, Videokonferenz und Cloud-Dienste. Aber auch an der weltweiten Vernetzung von Forscherinnen und Medizinern bei der Suche nach einem Impfstoff oder in der Meldung von Fallzahlen und Infektionsraten über digitale Systeme, die automatisiert Simulationen rechnen und Szenarien entwerfen können.
Mit diesem Buch möchte ich diese unzähligen Chancen und Fähigkeiten künstlicher Intelligenz vorstellen und zeigen, wie wir sie nutzen können, ohne von ihnen ausgenutzt zu werden.
Rund um das Thema KI herrscht viel Unwissen – und vor allem Verwirrung und Angst. Man kann heute keine Zeitung mehr aufschlagen, ohne das Wort KI in irgendeiner Überschrift zu lesen. Meistens sind die Inhalte aber gruselig, so in der Art: »Algorithmen entscheiden über meinen Job, meinen Krankenversicherungstarif, meine finanzielle Situation und machen dabei einen schlechten Job – das darf nicht wahr sein!« oder »KI wird im Bahnhof Südkreuz eingesetzt – die komplette Überwachung ist am Start« oder »Soll das selbstfahrende Auto das Kind oder die Oma über den Haufen fahren?« Derartige Schlagzeilen verkaufen sich gut, doch wenn es um das Wie und Warum dahinter geht, um verständliche Erklärungen statt dramatisierte Extremfälle, geht vielen schnell die Puste aus.
Ich habe mich also gefragt, wie man künstliche Intelligenz und deren Methoden einfach und unterhaltsam erklären kann. Es steckt viel Mathematik und Statistik dahinter, und das mögen viele nicht, deswegen verzichte ich in meinen Erklärungen komplett auf Formeln. Ich habe viele Workshops gehalten und mich mit den großen und kleinen Teilnehmern lange unterhalten, ihre Fragen beantwortet und über ihre Ängste gesprochen. Immer wieder konnte ich dabei feststellen, dass die Angst vor KI nach den Workshops immer geringer war. Nachdem die Teilnehmer verstanden hatten, was im Maschinenraum passiert, waren die Science-Fiction und die Terminator-Bilder im Kopf weg.
Ich muss zugeben, nicht alles, was mit KI zusammenhängt, ist positiv, es gibt auch Risiken und ethische Aspekte, die eine wichtige Rolle spielen und auch in diesem Buch nicht verschwiegen werden. Aber um die Diskussion wirklich verfolgen zu können, muss man erst einmal verstehen, wie diese intelligenten Maschinen funktionieren. Der wahrscheinlich wichtigste Punkt: Wir Menschen sind es, die die Maschinen programmieren. Wenn wir unseren Job gut machen, dann sollten wir nichts befürchten müssen. Die Frage ist: Was genau bedeutet hier »unseren Job gut machen«?
In diesem Buch werden wir sehen, wo künstliche Intelligenz in unserem Alltag schon überall ist. Wir werden ein Gefühl dafür entwickeln, wie Maschinen programmiert werden, und zwar egal, ob intelligent oder nicht. Wir werden uns daher zum einen mit der Sprache der Maschinen beschäftigen. Und da Sprache ohne Struktur keinen Sinn ergibt, werden wir uns auch kurz mit den Algorithmen beschäftigen und sehen, wie diese Handlungsanweisungen an die Maschinen funktionieren. Damit die Maschinen nicht nur unsere Handlungsanweisungen brav verfolgen, sondern auch ein bestimmtes Ergebnis erarbeiten, schauen wir uns außerdem an, was ein Modell ist und wie man so ein Modell aus der komplexen Realität herleiten kann. Dann folgen die wichtigsten Methoden des maschinellen Lernens, ein spannendes Thema und, wie gesagt: garantiert ohne Mathematik-Formeln!
Später schauen wir uns anhand vieler Praxisbeispiele an, in welchen unterschiedlichen Bereichen KI eingesetzt wird, bei der Jobsuche, im Gesundheitswesen – wie aktuell bei der weltweiten Bekämpfung der Covid19-Pandemie, in der Landwirtschaft, Umweltforschung oder Finanzwelt. Wir werden uns auch noch über Risiken wie Diskriminierung unterhalten und warum diese entstehen. Dabei wird uns zum Beispiel die Weiße-Männer-KI begegnen, und wir werden sehen, warum Homogenität in Entwicklerteams nicht nachhaltig ist und dringend geändert werden muss. Und zum Schluss geht es darum, wie wir alle dafür sorgen können, dass wir die richtige Zukunft bauen, und wie sich jeder einbringen kann, egal ob Informatiker oder nicht. Denn die Zukunft gehört uns allen, und die sollten wir nicht leichtfertig einigen wenigen überlassen.
Und nun schließt kurz die Augen, und stellt euch vor, ihr seid sieben Jahre alt. Mit genau dieser Lebensbegeisterung und Neugierde solltet ihr die folgenden Seiten durchlesen. Viel Spaß dabei!