Читать книгу Kein Himmel ohne dich - Kerstin Teschnigg - Страница 10

Kapitel 8

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Die letzten Tage fühlten sich nicht gut an. Ich bin misstrauisch. Womöglich tue ich Tyler unrecht, aber ich habe Angst ihn darauf anzusprechen. Ich habe Angst vor dem was er dann sagen wird. Ich bin einfach nicht stark genug eine weiter Niederlage zu verkraften. Trotzdem betreibe ich momentan Spionage auf eigene Faust. Ich beobachte ich ihn heute schon zum Dritten Mal die Woche von meinem Ausschauplatz gegenüber von seinem Büro. Auch wenn ich noch nichts Konkretes weiß, gefällt mir was ich bisher gesehen habe nicht. Er verließ immer zur ziemlich gleichen Zeit das Büro, die Schlampe Carolin ging meistens ein paar Minuten vor oder nach ihm. Nach etwa anderthalb Stunden kam er dann wieder zurück, gleich wie sie, aber nie waren sie gemeinsam unterwegs. Noch kein Beweis, aber ich habe eigentlich keine Zweifel, dass er sie weiterhin trifft. Das macht mich fertig, ich bin gleichzeitig wütend und voller Angst. Heute weite ich meine Nachforschungen aus. Ich muss einfach wissen woran ich bin. Auch wenn ich nicht weiß wie es weitergeht, wenn sich meine Vermutung bestätigt, ich brauche Klarheit, sonst schnappe ich über. Tyler hat gerade das Haus verlassen, Carolin schon vor zehn Minuten. Ich gehe ihm mit großem Sicherheitsabstand hinterher. Mir liegt das zwar gar nicht, aber ich will jetzt endlich wissen was Sache ist. Zu Hause tut er immer so lieb und scheinheilig und kümmert sich aufmerksam um mich. Er geht jedem Streit aus dem Weg und beschwert sich nicht einmal, dass ich im Moment Tonnen von Süßigkeiten vertilge. Ich habe das Gefühl er hält mich für komplett blöd, das macht mich so wütend, dass ich es die letzten Tage kaum schaffte meine Befürchtungen für mich zu behalten. Weil mein Herz vor Wut und Aufregung so klopft bleibe ich kurz stehen. Vielleicht tue ich ihm ja komplett unrecht. Er geht in den kleinen Snackladen an der Ecke. Ich atme erleichtert aus.

„Er holt sich nur etwas zu essen, ich habe mir das alles nur eingebildet“, rede ich mir leise vor, als er mit einer Tüte wieder herauskommt. Doch er geht weiter, nicht zurück zum Büro. Ich folge ihm wieder und lasse ihn nicht aus den Augen. Er biegt in eine kleine Seitenstraße ein. Ich bleibe stehen und sehe ihm nach. Es ist nicht nötig weiter hinterher zu gehen. Ich sehe noch wie er ins kleine Hotel drei Häuser weiter geht. Mein Puls pocht in meiner Halsschlagader und ich merke wie eine unbeschreibliche Wut in mir aufsteigt. Diese Wut ist gepaart mit Angst und Kraftlosigkeit die mir fast den Boden unter den Füßen wegreißt. Meine Hände beginnen zu zittern und mir ist schwindelig. Keine Ahnung wie lange ich so dastehe. Irgendwann gehe ich nach Hause, fast mechanisch. Alles um mich herum ist plötzlich ausgeblendet. Ich hätte warten können bis er wieder herauskommt und ihm eine Szene machen können, doch das würde ich im Moment sowieso nicht überstehen. Kurz vor der Wohnung ist mir so schlecht, dass ich fast kotzen muss, ich schaffe es gerade noch die Treppe hoch. Während ich den Schlüssel ins Schloss stecke würgt es mich schon. Schließlich übergebe ich mich minutenlang im WC. Dann kommen die Tränen, die Tränen die er nicht verdient hat. Das Blut rauscht in meinem Kopf, ich kann nicht denken und bin nicht fähig mich zu beruhigen. Hysterisch laufe ich durch die Wohnung. Meine Hände zittern, nein eigentlich zittert mein ganzer Körper. Dann beschließe ich ihn anzurufen, aber er geht nicht ran. Natürlich nicht. Er hat schließlich besseres zu tun. Mit geballten Fäusten bleibe ich stehen, mein Herz klopft wie wild. Wenn ich mich jetzt nicht augenblicklich beruhige drehe ich durch. Panisch öffne ich den Schrank mit meinen Handtaschen und krame jede einzelne durch. Irgendwo ist bestimmt noch etwas das mir jetzt hilft. Es ist ein Notfall. Ein absoluter Notfall. Also ist es ok. Ich schnappe panisch nach Luft. Warum habe ich die Scheißdinger nur alle entsorgt? Warum? Völlig außer mir durchsuche ich noch den Küchenschrank und alle Laden im Badezimmer. Mir fallen die Aspirin Tabletten ein. Ich hole die Schachtel aus dem Medizinschrank und laufe damit in die Küche. Ich drücke mindestens zehn Tabletten aus der Verpackung, stopfe sie mir in den Mund und greife nach einem Glas Wasser. Während sich die Tabletten schon langsam im Mund auflösen schlucke ich sie noch nicht hinunter. Aspirin. Scheiße wie fertig bin ich eigentlich? Ich spucke die breiig-bittere Masse ins Waschbecken und wasche sie mit Wasser weg. Mit beiden Händen stütze ich mich ab und sehe wie die Mischung im Abfluss verschwindet. Ich drehe das Wasser ab und schließe meine Augen. Nein. Nein. Nein. Ich lasse mich von ihm nicht ruinieren, das schafft er nicht. Dann spüle ich meinen Mund aus und versuche mich zu beruhigen. Weil mir das nicht richtig gelingt, stelle ich mich minutenlang unter die eiskalte Dusche. Als mir schon fast alles einfriert, drehe ich auf warm. Langsam merke ich wie es mir besser geht, zumindest körperlich. Mein Puls normalisiert sich von Minute zu Minute. Das Zittern hört auf, dafür stellt sich eine schreckliche innerliche Angst ein. Der Nachmittag scheint nicht vergehen zu wollen. Ich überlege immer wieder was ich Tyler sagen werde, wenn er zur Tür hereinkommt. Er kommt schließlich ziemlich pünktlich nach Hause. Ich sitze im Wohnzimmer. Der Schlüssel fällt in die Schale.

„Hey Süße, wo bist du?“, ruft er quer durch die Wohnung.

Ich versuche die Wut zu unterdrücken, mich nicht aufzuregen, als er auch schon vor mir steht. Meine Hände ruhen auf meinem Oberschenkel, ich versuche nicht zu zittern. Mein Hals fühlt sich zugeschwollen an, ich atme durch meinen leicht geöffneten Mund. Er bleibt verwundert vor mir stehen. Ich sehe ihn an. Ich will sehen ob er mir ins Gesicht lügen kann, oder die Wahrheit sagen wird.

„Stimmt etwas nicht?“, fragt er vorsichtig.

Plötzlich sind alle Worte die ich mir bereitgelegt habe weg. Ich atme ein und aus.

„Sag du es mir“, sage ich dann schließlich leise.

Er zieht seine Augenbrauen hoch. „Was hast du denn? Geht es dir nicht gut?“

Er kommt einen Schritt näher, diese paar Zentimeter mehr Nähe bringen mich fast zum Überkochen, dennoch versuche ich ruhig zu bleiben.

„Vögelst du sie nur, oder liebst du sie?“

Diese Worte verlassen leise und bedacht meinen Mund, dabei sehe ich direkt in seine Augen. Wie erwartet wendet er seinen Blick sofort von mir ab.

„Wovon redest du? Bist du betrunken?“, meint er und schmunzelt was meine Worte lächerlich erscheinen lässt.

„Hör auf mich lächerlich zu machen. Ich bin so klar wie schon lange nicht mehr. Also. Beantwortest du bitte meine Frage.“

„Du bist überreizt Holly. Keine Ahnung wie darauf kommst und wovon du überhaupt sprichst.“

Ich stehe auf und stelle mich dicht vor ihn, jetzt ist es mir egal, er wird mir jetzt die Wahrheit sagen.

„Fickst du diese Carolin nur, oder liebst du sie auch noch? Versuch nicht mich weiterhin anzulügen. Ich habe dich die letzten Tage beobachtet!“ Jetzt ist meine Stimme um einiges lauter, ich schaffe es fast nicht die Kontrolle über mich zu behalten. „Du bist so armselig“, füge ich noch hinzu.

Er weicht zurück und schüttelt den Kopf. „Du bist paranoid Holly.“ Dann sieht er mich ernst an. „Nimmst du deine Tabletten nicht mehr? Du scheinst ja komplett durchzudrehen.“

Ich stoße einen spitzen Lacher aus. „Seit ich diese Scheißtabletten nicht mehr nehme, habe ich erst gecheckt was hier läuft. Ist sie die erste mit der du mich bescheißt, oder wie viele waren es vor ihr schon?“ Mein Gesicht wird heiß, mein Puls rast, in meinen Ohren spüre ich wie das Blut rauscht. „Es ist aus. Aus und vorbei. Ich will die Scheidung!“, füge ich noch hinzu, keine Ahnung warum, ich habe noch nie über eine Scheidung nachgedacht, aber die Worte kamen ganz von selbst aus meinem Mund.

„Was willst du? Bist du noch bei Sinnen? Komm jetzt wieder runter Holly, du drehst ja komplett durch!“ Jetzt wird auch seine Stimme lauter. „Allein bist du doch komplett im Arsch!“

Diese lauten Worte durchdringen meinen Körper auf eine seltsam klärende Weise.

„Ja vielleicht, aber mit dir auch.“ Das sage ich wieder ganz ruhig und klar. „Kannst du nicht einfach die Wahrheit sagen?“

Er klopft mit seiner flachen Hand nervös auf seinen Oberschenkel.

„Wie kommst du dazu mich zu beobachten? Was soll das?“

Ich schließe meine Augen. „Sag die Wahrheit.“

„Und dann? Was dann? Haust du dann ab?“, fragt er zögerlich.

Ich sehe ihn wieder an und gebe keine Antwort auf seine Frage.

„Scheiße! Ja! Verdammt nochmal!“, schreit er lauter als nötig. „Und wenn schon, es ist nur Sex.“

Auch wenn ich es schon gewusst habe, tut es schrecklich weh, mir reißt es den Boden unter den Füßen weg. Er kommt auf mich zu, aber ich stoppe ihn ab.

„Nein…Nein Tyler. Ich kann das nicht mehr.“

„Wir können das schaffen Holly…“, jammert er, was mich absolut kalt lässt, worüber ich selbst verwundert bin.

Dann drehe ich mich um und verlasse das Wohnzimmer. Als hätte ich es geplant, was nicht der Fall ist, hole ich meine Tasche und fange an ein paar Sachen einzupacken. Tyler rennt mir wie ein kleiner jammernder Hund hinterher, doch ich lasse mich nicht umstimmen.

„Wo willst du denn hin?“, fragt er mich während ich in meine Schuhe schlüpfe.

„Vorerst zu Amy. Ich kann das nicht mehr Tyler. Ich kann das nicht.“ Ich habe Mühe nicht zu weinen, doch ich will nicht mehr vor ihm weinen.

„Er reibt sich die Stirn. „Können wir nicht darüber reden? Ich will nicht, dass du jetzt gehst.“

Ich schüttle den Kopf und senke meinen Blick. „Wir haben geredet. Schon vor Wochen. Es gibt jetzt nichts mehr zu sagen. Ich muss nachdenken und ich will keine Tabletten mehr nehmen. So schaffe ich das nicht.“

„Und dann? Was ist, wenn du nachgedacht hast?“

Ich zucke mit den Schultern, denn das weiß ich selbst nicht.

„Denk du mal nach was du willst, vielleicht wäre das ein Anfang.“

Dann nehme ich ohne ein weiteres Wort meine Tasche und verlasse das Haus. Auf dem Weg zu Amy versuche ich mich zusammen zu reißen und bleibe recht überlegt und ruhig. Doch als sie die Türe öffnet und mich mit meiner Tasche in der Hand ansieht kann ich nicht mehr. Alles in mir und um mich herum scheint rücksichtlos einzustürzen. Es ist zu viel. Einfach zu viel. Fast hätte ich heute einen Rückfall bekommen. Ich will das alles nicht mehr. Ich will einfach nicht mehr so leben. Tyler war immer alles für mich, er ist es vermutlich trotz allem immer noch, aber er scheint das anders zu sehen. Ich wünsche mir einfach nur, dass alles gut wird.

Kein Himmel ohne dich

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