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Kapitel 9

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Amy sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ja – es geht mir schlecht. Sehr schlecht sogar. Ich weiß nicht wie es weitergehen soll und das Nachdenken der vergangenen Tage hat mich auch nicht weitergebracht. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl auf der Stelle zu traben. Es tut weh. Unglaublich weh. Es ist nur Sex hat er gesagt. Nur Sex. Mir wird täglich bewusster, dass ich ihm scheinbar nicht geben kann was er will und braucht. Ich bin zwar die Frau die er geheiratet hat, aber nicht die Frau die auch seine Geliebte sein kann. Immerzu denke ich darüber nach. Dieses zermürbende Nachdenken macht mich wahnsinnig. Momentan halte ich auch keine anderen Menschen in meiner Nähe aus. Ich wollte gestern einkaufen gehen, habe aber noch vor dem Laden wieder umgedreht, weil ich komplett panisch wurde. Erst jetzt wird mir klar wie sehr mir die Medikamente fehlen. Ich weiß, dass es mir mit ein einigen bestimmten Tabletten sofort wieder besser ginge. Zumindest für ein paar Stunden. Doch das ist der Punkt. Ein paar Stunden, das ist mir zu wenig. Ich muss endlich raus aus diesem Sog. Heute hat mich zu allem Übel noch meine Mutter angerufen. Sie meint ich solle schleunigst wieder zu Tyler zurück. Männer sind so und ich soll mich nicht so anstellen, hat sie mir erklärt. Manchmal müsse man eben Dinge über sich ergehen lassen und vergeben können. Ich habe nichts anderes erwartet. Sie ist immer auf Tylers Seite, egal was er tut.

„Du solltest dich erholen, mal woanders hin. Vielleicht ans Meer oder so. Hier schnappst du noch komplett über“, meint Amy und stellt mir eine Tasse Tee vor die Nase.

„Allein? Das schaffe ich nicht. Gehe ich dir schon auf die Nerven?“

Sie schüttelt schnell den Kopf. „Natürlich nicht, aber du brauchst einen Tapetenwechsel. Du kannst dich nicht ewig hier einsperren. Willst du nicht doch deine Mutter besuchen, sie hat so ein schönes Haus am Land.“

„Nein Amy, wirklich nicht.“ Ich verdrehe schnaufend die Augen.

Ja, das Haus ist traumhaft. Mit einem herrlichen Garten, nicht weit vom Meer. Sie hat es ihrem vierten Ehemann Steven zu verdanken in solch einer noblen Umgebung zu wohnen. Es ist fast skurril, dass sie mir Beziehungsratschläge geben will, wo sie doch selbst die Männer nach Belieben wechselt, wobei ich glaube, dass sie bei Steven angekommen ist. Nach dem Tod meines Vaters als ich acht Jahre alt war, habe ich zahlreiche Ersatzväter erlebt. Sie hat sich immer genommen was sie wollte und brauchte und zumeist auch alles bekommen. Steven ist ein einflussreicher Stadtpolitiker mit beachtlichem Stammbaum. Meine Mutter liebt es im Rampenlicht zu stehen und bewundert zu werden. Ich habe das Gefühl ich war ihr dabei immer im Weg. Doch genau darum ist Steven der richtige Ehemann für sie, sie kann sich in seinem Schein aalen und er trägt sie auf Händen.

Amy reibt sich überlegend die Stirn. „Du hast doch eine Tante in Schottland, oder?“

Überrascht sehe ich sie an, dass sie sich daran erinnert, ich habe ewig nicht mehr daran gedacht, geschweige denn davon gesprochen.

„Ja, Tante Eliza und Onkel James.“

„Kannst du da nicht hin um ein bisschen Ruhe zu finden? Es ist doch bestimmt schön dort.“

Ich lehne mich nachdenklich zurück. Als Mädchen war ich öfter in den Ferien zu Besuch, James ist der Bruder meines verstorbenen Vaters. Er ist Verwalter auf dem riesigen Gut der Stewarts auf der Isle of Arran. Sie wohnen dort in einem dem Anwesen angeschlossenen Haus. Tante Eliza kocht für die Familie Stewart. Alles Lords. Ich muss für mich selbst schmunzeln, weil ich mich an Lord Peter, den Sohn erinnere. Er ist in etwas älter als ich und ein komplett irrer Draufgänger. Gar nicht so adelig anmutend. Das Gut ist riesig und wenn ich mich recht erinnere produzieren die Stewarts einen der besten Whiskys Schottlands.

„Das ist eigentlich eine wunderbare Idee“, lächle ich Amy an. „Ich rufe Tante Eliza gleich an.“

Das mache ich auch wirklich sofort, sie ist ziemlich überrascht dass ich mich wieder einmal melde. Ich war fast zwanzig Jahre nicht mehr dort und habe auch sonst nicht viel von mir hören lassen. Sie ist aber gleich total aus dem Häuschen, dass ich kommen will. Bevor ich auflege erklärt sie mir noch einmal wie ich genau vom Festland auf die Insel komme. Ich soll mich unbedingt melden wenn ich von der Fähre steige, damit mich Onkel James abholen kommt.

Nachdem ich noch einmal eine Nacht über mein Vorhaben geschlafen habe, bin ich sicher, dass mir ein bisschen frische schottische Luft und Abwechslung gut tun wird. Ich habe Tyler Bescheid gegeben, dass ich in die Wohnung komme. Er weiß noch nicht, dass ich nach Schottland will. Ich bin mir aber sicher, dass er es nicht gut finden wird. Es fühlt sich komisch an die Treppe zu unserer Wohnung hochzugehen. Ich schließe die Tür mit zittrigen Händen auf. Tyler ist noch gar nicht hier. Vielleicht ist er wieder mit Carolin im Bett. Womöglich treibt er es demnächst in unserem Bett mit ihr. Ich schließe kurz meine Augen und atme tief durch. Ich muss aufhören darüber nachzudenken, es macht mich irre. Immer noch habe ich die Bilder von den beiden vor Augen, als ich sie bei der Präsentation in flagranti erwischt habe. Ich bleibe im Flur stehen. Es tut weh. Weh hier zu sein. Es ist auch mein zuhause und jetzt weiß ich nicht, ob ich jemals wieder hier wohnen werde. Ich denke inzwischen intensiv über eine Trennung nach. Alles hier bin auch ich. Ich habe die Möbel ausgesucht und der Wohnung Leben eingehaucht. Es ist unsere Wohnung. Ich erinnere mich wie glücklich wir waren den Zuschlag für das Objekt zu bekommen. Wir wollten immer in Canterbury wohnen. Die Stadt ist traumhaft und die Nähe zu meiner und Tylers Arbeit hat uns die Entscheidung ganz leicht gemacht. Diese Wohnung war noch das Sahnehäubchen auf unserem frisch verheirateten Glück vor drei Jahren. Sie ist traumhaft geschnitten mit großzügigen Räumen und außerdem hell und freundlich. Wehmütig hole ich meinen Reise Trolley und beginne zu packen. Ich erinnere mich an das kalte raue Wetter in Schottland, darum packe ich vorwiegend warme Kleidung ein. Als ich schon fast fertig bin, höre ich Tylers Schlüssel in die Schale fallen, was mir einen schmerzhaften Stich versetzt. Wir haben in den letzten Tagen nicht miteinander gesprochen, nur hin und wieder eine kurze Nachricht, sonst nichts. Ich trete aus dem Badezimmer, wo ich gerade noch ein paar Dinge zusammen packe und stehe ihm mit einigen Metern Abstand gegenüber. Wieder ein schmerzhafter Stich. Er sieht mich an ohne eine Miene zu verziehen und kommt dann näher.

„Hi“, sagt er leise.

„Hi“, erwidere ich.

„Packst du schon? Ziehst du jetzt endgültig aus?“, fragt er immer noch leise.

Ich atme vorsichtig durch. „Ich fahre für ein paar Tage nach Schottland zu meiner Tante.“

Er zieht die Augenbrauen hoch. „Nach Schottland?“

Ich nicke.

„Was willst du denn dort in der Pampa? Soviel ich weiß gibt es dort doch nichts als Gegend und Whisky. Meinst du das ist gut für dich?“

„Das weiß ich nicht, aber ich denke die frische Luft wird mir guttun. Ich brauche Abstand und Zeit mich zu sammeln. Alles was passiert ist die letzten Monate macht mir zu schaffen.“

„Können wir nicht noch einmal über alles reden, ich meine es kann doch jetzt nicht vorbei sein, oder?“

„Ich will nicht mehr reden, es läuft immer auf das Gleiche hinaus. Vermutlich bin ich nicht die Richtige für dich“, entgegne ich.

Er sieht zu Boden und sagt nichts darauf, sieht aus, als hätte er auch schon nachgedacht.

„Triffst du sie weiterhin? Bitte sag mir die Wahrheit. Ich will es einfach wissen.“

Er atmet hörbar ein und aus. „Ich mag Carolin, aber ich möchte dich nicht verlieren.“

„Du magst sie, oder du liebst sie?“, frage ich ernst nach.

„Das weiß ich nicht Holly, ich weiß aber, dass ich dich liebe, auch wenn im Moment alles schwierig ist.“

„Jetzt hast du ja Zeit herauszufinden wie es weiter gehen soll. Ich für meinen Teil brauche Zeit um das alles zu verarbeiten. Ich möchte so nicht weiterleben. Wenn du mit mir allein nicht glücklich bist, wird sie nicht die Letzte sein mit der du mich betrügst. Das ist nicht die Art von Ehe die ich mir vorstelle. Ich will dich nicht teilen.“

Ich sehe in seine Augen die plötzlich traurig aussehen. Eine Stimme in mir befiehlt mir ihn jetzt zu umarmen, aber ich will mich nicht darauf einlassen. Ich muss jetzt an mich denken. Darum drehe ich mich um und packe fertig zusammen. Er verschwindet in seinem Arbeitszimmer. Gerade als ich die letzten Reiseutensilien in meine Handtasche stecke kommt er wieder heraus und lehnt sich an die Wand.

„Ich ruf dich an wenn ich dort bin“, sage ich und versuche dabei zu lächeln.

„Geh nicht Holly“, sagt er fast tonlos, als ich zu ihm sehe, rollt ihm eine Träne über die Wange. Noch nie habe ich ihn so verletzlich gesehen. In mir baut sich ein fürchterliches Gefühl auf.

„Ich muss gehen. Bitte mach es mir nicht so schwer.“

Er kommt auf mich zu und diesmal weiche ich nicht zurück. Kurz lächelt er mich an, dann streicht er mir eine Haarsträhne zurück.

„Ich habe dir wehgetan, dass weiß ich, auch wenn es vermutlich nichts bringt, es tut mir leid.“

Da ich mit keiner Entschuldigung seinerseits gerechnet habe, bin ich jetzt völlig überfordert.

„Hast du mich vor Carolin auch schon betrogen?“

Diese Frage sprudelt unangekündigt aus mir heraus, auch wenn ich jetzt Angst vor der Antwort habe, doch er schüttelt den Kopf. Er nimmt mich ohne Vorwarnung fest in den Arm.

„Nein habe ich nicht. Pass auf dich auf Holly.“ Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange. „Pass auf dich auf…“, murmelt er noch einmal.

Jetzt kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, denn auch wenn er mich noch umarmt spüre ich, dass es nicht nur ein Abschied für ein paar Tage ist. Ich spüre auch, dass Carolin nicht nur ein Seitensprung ist. Sie ist mehr für ihn, selbst wenn er mir das nicht ins Gesicht sagen kann. Tief im Inneren weiß ich, dass es aus ist. Ich löse mich von ihm und nehme meine Tasche. Kurz sehe ich noch einmal in seine Augen. Acht Jahre und jetzt? Jetzt stehe ich vor den Trümmern dieser Liebe. Es war so eine große Liebe. Ich versuche noch einmal zu lächeln, dann gehe ich.

Kein Himmel ohne dich

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