Читать книгу Kein Himmel ohne dich - Kerstin Teschnigg - Страница 13

Kapitel 11

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Ich drehe mich zur Seite und öffne schwerfällig meine Augen. So tief habe ich ewig nicht mehr geschlafen. Ich strecke mich durch und greife nach meinem Handy. Meine Güte, es ist schon kurz vor zehn. Keine Ahnung ob es wirklich die Luft hier ist, oder ob mir Tante Eliza was in die Suppe getan hat. Ich schüttle für mich selbst den Kopf, das würde sie nicht tun. Mühsam stehe ich auf und tapse in die Küche, auch heute ist mir kalt. Am Tisch liegt ein Zettel.

Guten Morgen!

Mach dir Frühstück. Eier und Speck sind im Kühlschrank.

Wenn du Lust hast, sieh dich am Gut um.

Gerne kannst du mich auch in der Castle Küche besuchen kommen.

(Du erinnerst dich doch noch an den Dienstboteneingang auf der Rückseite)

Kuss Eliza.

Ich gieße mir ein Glas Orangensaft ein und beschließe auf das Frühstück zu verzichten. Dann packe ich meine Sachen aus und versuche mich unter der heißen Dusche aufzuwärmen. Danach ziehe ich mich möglichst warm an, einen Vorteil hat der Zwiebellook, ich kann meine Pölsterchen recht gut kaschieren. Auch wenn ich lang geschlafen habe, bin ich immer noch müde. Zwar scheint auch heute nicht die Sonne, es ist aber trotzdem so hell, dass ich draußen kurz die Augen zusammenkneifen muss. Ich gehe ein Stück und hoffe Onkel Jamie irgendwo zu sehen. Auch wenn ich ewig nicht hier war, viel hat sich nicht verändert. Immer noch voller Bewunderung für das Anwesen sehe ich mich um. Auch heute stehen wieder ein paar Pferde auf der Weide. Ein junger Mann arbeitet vor den Stallungen und sieht mich kritisch an.

„Guten Morgen“, begrüße ich ihn freundlich. „Wissen Sie wo ich James Skelton finde?“

„Jamie? Warum? Was brauchen Sie von ihm?“, er mustert mich sichtlich.

„Ich bin seine Nichte“, erkläre ich.

Er nickt und lächelt verhalten. „Ach so. Er ist unterwegs. Kann ich was für Sie tun?“

„Nein…Danke.“ Ich werfe einen Blick zu den Stallungen. „Darf ich hineinschauen?“

„Ich weiß nicht“, überlegt er. Bestimmt darf er keine Fremden in die Stallungen lassen, wegen dem Irren der herumläuft.

„Schon gut. Ich komme später wieder wenn Jamie zurück ist.“

Er zuckt mit den Schultern und geht seiner Arbeit weiter nach. Ich beschließe über die hintere Wiese zum Dienstboteneingang des Castles zu spazieren. An der Weidekoppel bleibe ich noch einmal stehen und sehe den Pferden zu. Sie sind atemberaubend schön. Als ich Schritte im Kies hinter mir höre, drehe ich mich um. Ein attraktiver Mann mit dunkelblonden lässig gestylten Haaren und für die hier herrschenden Wetterbedingungen sommerlich gebräunter Haut kommt auf mich zu. Lord Peter Stewart. Meine Güte, er sieht noch besser aus als ich in Erinnerung hatte, auch wenn er um zwanzig Jahre älter geworden ist seit unserer letzten Begegnung. Er trägt eine helle Reithose und dunkelbraune Stiefel, mit der gewachsten dunkelgrünen Jacke sieht er aus wie ein richtiger Lord. Ich komme mir plötzlich vor als wäre ich aus einer anderen Welt. Naja, er ist ein richtiger Lord und ich komme aus einer komplett anderen Welt. Er bleibt stehen und sieht mich an, dann zieht er seine Augenbrauen hoch und beginnt zu grinsen.

„Holly Skelton?“

Er weiß bestimmt von Onkel Jamie dass ich hier bin, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich sonst noch an mich erinnern würde. Ich überlege kurz ob ich ihn verbessern sollte, schließlich heiße ich inzwischen nicht mehr Skelton sondern Barnes und bin noch verheiratet. Doch ich lasse es der Einfachheit halber und erwidere sein Lächeln.

„Hi Peter…“, stammle ich. „Entschuldigung. Lord Peter natürlich.“ Ich spüre wie ich rot werde.

Wieder grinst er und kommt näher. Er streckt mir seine Hand freundlich entgegen.

„Peter wie früher. Wow…Das ist lange her.“

Ich nicke verhalten und bin ziemlich verlegen, weil er mich länger ansieht als ich es aushalte.

„Siehst du dich um?“, fragt er dann.

„Ja, ich gehe zu Tante Eliza in die Küche, vielleicht kann ich mich nützlich machen.“

„So eine schöne Frau gehört nicht in die Küche. Warst du schon im Stall? Wir haben zwei Fohlen.“

Er hat sich wirklich nicht verändert, das finde ich lustig, er lässt keine Gelegenheit zum Flirten aus.

„Nein, ich war noch nicht im Stall“, antworte ich und bewundere seine makellosen Gesichtszüge und versuche mir das nicht anmerken zu lassen.

„Komm mit, ich zeig sie dir. In die Küche kannst du auch später noch.“

Er signalisiert mir ihm zu folgen, was ich ohne Widerworte tue. Der Stallbursche sieht uns perplex hinterher. Im hinteren Stallbereich stehen die Stuten mit den Fohlen. Sie sind zuckersüß. Peter schiebt die Box auf, ich gehe hinein und streiche über das glänzend glatte Fell der Stute. Ich weiß nicht was ich sagen soll, seine Anwesenheit macht mich etwas nervös.

„Du machst also Urlaub hier?“, meint er dann und drückt mir eine Karotte für die Stute in die Hand.

„Ja, so kann man es nennen“, nicke ich und gebe der Stute die Karotte.

„Jamie hat er erzählt du brauchst eine Auszeit von deinem Ehemann.“

Wieder spüre ich wie ich rot werde. Mein Onkel hat also schon alles erzählt, was mir tatsächlich komisch unangenehm ist. Trotzdem nicke ich verlegen.

„Wie lange ist das her? Zwanzig Jahre?“, fragt er und grinst dabei wieder von einem Mundwinkel zum anderen.

Ich sehe ihn fragend an.

„Glaubst du ich habe vergessen wie ich dich unter der großen Eiche beim Dienstboteneingang geküsst habe?“, sagt er und zwinkert mir dabei zu.

Mir bleibt fast das Herz vor Scham stehen. Natürlich erinnere auch ich mich daran. Es war mein erster richtiger Kuss am Abend bevor ich zurück nach England musste, weil die Ferien zu Ende waren. Wochenlang danach dachte ich nur an diesen Kuss. Ich dachte an diesen Kuss und an Peter. Den ganzen Sommer von meiner Ankunft an war ich ihn verliebt und erst am letzten Tag küsste er mich. Bei meiner Abreise war ich mir sicher bald zurück zu kehren und früher oder später Lady Stewart zu werden. Ich atme vorsichtig durch. Kam wohl anders. Ich weiß nicht was ich sagen soll, darum zucke ich nur mit den Schultern und kann ihn dabei nicht ansehen.

„Sir, der Tierarzt ist da“, höre ich den Burschen von draußen rufen.

„Ja. Ich komme schon“, erwidert Peter. „Schau dich ruhig noch um, wir sehen uns dann bestimmt später noch.“

Ich gehe aus der Box und er schiebt das Gatter zu. Ich bin froh darüber, dass dieses Gespräch ein unerwartetes Ende nimmt, denn es fühlt sich sehr seltsam an mit ihm nach zwanzig Jahren darüber zu sprechen. Wir waren ja fast noch Kinder. Ich nicke immer noch überfordert als er den Stallgang hinunter geht. Mein Gott…Auch von hinten ist er…Schnell drehe ich mich weg, weil er sich noch einmal umdreht. Ich schließe peinlich berührt meine Augen und seufze für mich selbst. Nach ein paar Minuten in denen ich mich versucht habe zu sammeln, verlasse ich den Stall und gehe über den Kiesweg zum Hintereingang. Die große Eiche steht immer noch da. Jetzt muss ich schmunzeln. Es ist lange her und ich über meinen ersten Kuss mit einem Lord lange hinweg, auch wenn es vorhin eine eigenartige Situation war. Je näher ich dem Haus komme, desto besser riecht es. Der Duft aus der Küche zieht sich durch den Garten und ich kann das Knurren meines Magens nur noch schwer unterdrücken. Ich gehe durch den Hintereingang und auf dem Teppich im Vorraum zur Küche liegen zwei Hunde. Ich erschrecke mich kurz als sie aufspringen, das hatte ich komplett vergessen, natürlich gibt es hier auf einem Gut auch Jagdhunde. Etwas unsicher bleibe ich stehen als die Hunde auf mich zukommen und beginnen mich ab zu schnuppern. Einer ist ganz schwarz, der andere schwarz und braun. Sie sehen zwar freundlich aus, aber ich weiß, dass das für Fremde nicht immer gilt. Darum rufe ich vorsichtig nach Eliza und hoffe sie hört mich durch die geschlossene Küchentüre. Die Hunde sehen mich dabei schwanzwedelnd an.

„Wenn ihr mir nichts tut, tue ich euch auch nichts…“, murmle ich sie nicht aus den Augen lassend, als sich die Küchentür öffnet und Eliza herausschaut.

„Ach so die Hunde…Die habe ich ganz vergessen. Argon, Arek! Los auf euren Platz! Los, los, los!“

Eliza scheucht die zwei in ihre Körbchen, was sie auch relativ brav befolgen, mich aber immer noch nicht aus den Augen lassen.

„Die zwei sind freundlich aber passen auch gut auf“, erklärt sie mir. „Bist du ausgeschlafen? Komm mit in die Küche.“

Ich folge ihr, es duftet herrlich. Im Ofen brät ein Stück Fleisch und auch am Herd stehen zahlreiche Töpfe mit bestimmt unglaublich leckerem Inhalt. Ich bin am Verhungern.

„Kann ich dir helfen?“, frage ich während mir schon das Wasser im Mund zusammenläuft und ich hoffe, dass hier alles noch wie früher ist und auch das Personal mitisst.

„Das Essen ist fast fertig, ich muss nur noch die vegane Nachspeise für Lady Kendra fertig machen, aber du kannst gerne den Tisch fürs Personal decken.“

Vegane Nachspeise. Ich bin ehrlich gespannt diese Lady Kendra kennen zu lernen. Ich frage noch nach für wie viele Personen ich decken soll, dann starte ich auch gleich los. Gerade als ich Wasser in die Gläser gieße höre ich Peters Stimme. Es lässt sich nicht verhindern, dass ich etwas nervös werde. Er tritt in die Küche, ich drehe mich schnell wieder zum Tisch und tue sehr beschäftigt. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie er seine Jacke ablegt und die Ärmel vom Hemd hochkrempelt.

„Isst du nicht oben mit deinem Vater und Kendra?“, fragt ihn Eliza während er sich die Hände wäscht.

„Meine Stiefel sind schmutzig und ich muss nachher auch gleich wieder raus“, erklärt er und sieht in einen der Töpfe.

„Was? Deine Stiefel sind schmutzig? In meiner Küche?“ Eliza verdreht ernst die Augen. Auch wenn er hier der Lord ist, für sie ist er immer noch der Junge von früher wie es scheint, auch wenn er inzwischen fünf- oder sechsunddreißig Jahre alt ist. „Das wird deiner Schwägerin nicht gefallen. Du hast dich die Woche fast täglich vor dem Essen mit deinem Vater gedrückt.“

Peter seufzt wortlos. Ein Mädchen in adrett dunkelblauem Kleid mit sauberem Dutt nimmt das Tablett mit der Suppe und verschwindet die Stiege hinauf. Sie sieht Peter nicht an, was mich überlegen lässt was wohl der Grund dafür ist. Respekt vor der Herrschaft oder verschmähte Liebe. In dem Moment betritt auch mein Onkel die Küche, es kommen auch noch der Bursche aus dem Stall und der Gärtner wie es scheint. Eliza weist alle an sich zu setzen, meine angebotene Hilfe lehnt sie ab, ich muss auch Platz nehmen. Ich bekomme noch Denisa vorgestellt, sie kommt ursprünglich auch Rumänien und kümmert sich um den Haushalt und hält alles in Schuss. Peter hat am Tischkopf Platz genommen, also selbst im Personalbereich ein bisschen Rangordnung. Ich versuche ihn weiterhin nicht anzusehen. Zum Glück unterhält er sich mit meinem Onkel über scheinbar wichtige Dinge am Gut. Doch plötzlich unterbricht er sein Gespräch und sieht zu mir.

„Entschuldige bitte Holly. Du bist unser Gast, ich habe dich nicht vorgestellt.“

„Ach das macht doch nichts…“, stammle ich verlegen.

„Also, das ist Holly, die Nichte von James und Eliza. Sie macht ein bisschen Urlaub bei uns. Wenn sie etwas braucht wünsche ich, dass ihr euch ums sie kümmert. Sie ist unser Gast und ich möchte, dass sie auch so behandelt wird.“

Ich versinke fast unterm Tisch und traue mich kaum rundherum zu schauen. Es ist nicht nötig mir eine Sonderbehandlung anzubieten, trotzdem will ich nicht unhöflich sein.

„Danke, aber ich möchte niemandem zur Last fallen.“

Ich sehe auf, aber alle lächeln mich an, selbst der Stallbursche.

„Du bist keine Last“, meint Peter, was mein Onkel nickend erwidert.

Mir ist es jedenfalls peinlich. Ich versuche mich den Rest des Essens leise zu verhalten und bin froh, dass alle bis auf Eliza nach dem Essen die Küche auch wieder verlassen. Nur das Mädchen mit dem Dutt schießt hin und wieder mit Geschirr in die Küche. Ich sehe ihr verwundert nach.

„Das ist Amanda“, meint Eliza während ich ihr helfe die Spülmaschine einzuräumen. „Sie ist noch nicht so lange hier, aber sehr fleißig und gewissenhaft.“

„Aha“, entgegne ich.

„Alle Frauen in diesem Haus sind oder waren einmal in Peter verliebt, wenn du verstehst was ich meine. Er nimmt das allerdings nichts so ernst, was nicht immer gut ankommt.“

Ich nicke und werde vermutlich schon wieder rot.

„Wirklich alle?“, frage ich darum ablenkend nach und schmunzle sie an.

„Ich nicht Holly, Peter und Tavis könnten meine Söhne sein und irgendwie sind sie das auch. Nachdem Lady Cassandra das Castle verlassen hat, brauchten die Jungs auch eine Frau, einen Mutterersatz, der war ich ziemlich oft. Zumeist wenn es um brenzlige Angelegenheiten ging von denen Lord Angus nichts erfahren durfte. Peter, man glaubt es kaum, hat sich oft bei mir ausgeweint. Er ist zwar lässig, aber im Inneren hat er einen weichen Kern.“

Das kann ich mir gut vorstellen. Ich nicke. „Und Tavis?“, frage ich nach.

„Der war schon immer still und verschlossen. An ihn kommt man nicht ran. Er ist meist höflich und bedacht aber auch kühl und unnahbar, ich glaube er hat sehr darunter gelitten, dass seine Mutter das Haus hier verlassen hat.“

Ich bin wirklich gespannt ihn wiederzusehen. Mir fällt einfach nichts von früher zu ihm ein, vermutlich weil er eben genau so still und verschlossen ist, war er also schon früher.

„Aber er hat ja seine Frau“, entgegne ich und reiche ihr den letzten Teller.

Sie nickt und sagt nichts darauf.

„Und Lady Cassandra, hört man von der noch etwas?“

„Sie war vor gut einem Jahr einmal für ein paar Wochen hier. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es nicht noch immer bereut das alles hier zurück gelassen zu haben. Glücklich scheint sie mir nicht und sie war sehr besorgt über den Gesundheitszustand ihres Ex Mannes.“ Eliza beugt sich zu mir und beginnt zu flüstern. „Wenn Lord Angus nicht so ein sturer Bock wäre, wäre sie immer noch hier. Ganz bestimmt. Leider haben seine Söhne diesen Sturkopf geerbt, muss wohl ein adeliges Gen sein.“ Sie schüttelt den Kopf.

Diese ganzen spannenden Geschichten hier lassen mich meine eigenen Probleme vergessen. Das ist gut. Ich helfe meiner Tante noch den Kuchen der später zum Tee serviert wird vorzubereiten. Danach bin ich wieder so müde, dass ich falls ich mich nicht sofort hinlege, im Stehen einschlafe. Darum gehe ich zurück zum Haus und lege mich etwas hin. Kurz spiele ich mit dem Gedanken Tyler anzurufen, doch ich lasse es. Seine Stimme zu hören bringt mich bestimmt wieder durcheinander. Darum schließe ich meine Augen und beschließe mich etwas auszuruhen.

Als ich sie wieder öffne, ist es schon kurz vor sechs. Den Tee habe ich also verpasst. Egal, den Kuchen auszulassen ist kein Fehler. Außerdem gibt es um sieben Dinner, wenn ich mich richtig erinnere. Zuvor beschließe ich noch ein bisschen frische Luft zu tanken. Warm eingepackt, denn es hängen dicke Wolken am Himmel und ich befürchte es wird bald regnen, gehe ich ein Stück am angrenzenden Waldrand entlang. Ich inhaliere die moosig salzige Luft, langsam steigt ein dampfender Nebel auf und ich habe das Gefühl, dass meine Haut diese Feuchtigkeit förmlich aufsaugt. Auf dem Weg zurück habe ich schon wieder Hunger. So werde ich hier kein Gramm abnehmen, so viel ist sicher. Ich gehe an der Rückseite der Stallungen gedankenversunken entlang, als ich leise Stimmen hinter einem Holzvorsprung höre. Das ist ein Platz, an dem ich niemanden vermuten würde. Ich bleibe kurz stehen, weil ich aber nichts hören kann gehe ich weiter, schleife aber gleich wieder abrupt ein. Es ist Peter und eine Frau. Shit. Ich lehne mich an die Stallwand und versuche zu hören was gesprochen wird, auch wenn das nicht sehr nobel ist.

„Es geht so nicht weiter Peter“, sagt die Frau.

Viel kann ich von ihr nicht sehen, aber sie hat auf jeden Fall lange rote Haare.

„Ich weiß nicht was du willst, es ist doch gut so wie es ist“, entgegnet Peter.

„Ist es nicht und das weißt du. Ich bin keine von deinen vielen Bettmäuschen, das weißt und ich will es auch nicht sein.“

„Ach ich finde du machst dich ganz gut als Bettmäuschen“, raunt er.

Ich verdrehe die Augen, lausche aber weiter.

„Peter! Ich liebe dich. Ich kann so nicht mehr weitermachen.“ Ihre Stimme klingt erstickt, fast als würde sie gleich beginnen zu weinen.

„Komm schon…Du weißt wie sehr ich dich liebe, du bist die einzige Frau die ich in meinem ganzen Leben geliebt habe, aber was soll ich denn tun deiner Meinung nach? So einfach ist das nicht“, entgegnet Peter sanft. Auch wenn es schwer zu glauben ist, seine Worte klingen ernst. Wer zur Hölle ist diese Frau? Ich lehne mich noch ein Stück nach vorne, was ein gefährliches Unterfangen ist. Er küsst sie. So wie er sie küsst, meine Güte, er liebt sie wirklich. Kurz sehe ich ihr Gesicht, sie sieht aus wie eine Highland Prinzessin, mir bleibt die Spucke weg. Auch wenn ich sie nur einen Bruchteil einer Sekunde lang gesehen habe, bin ich perplex. Ich lehne mich an die Holzwand und halte kurz die Luft an.

„Die nächsten Wochen müssen wir auf jeden Fall vorsichtig sein“, höre ich sie noch sagen.

Jetzt wird Peter lauter. „Ich scheiße darauf vorsichtig zu sein, ich scheiße auf diesen ganzen Mist hier.“

„Bitte. Peter“, sagt sie besänftigend.

Dann ist es leise, aber sie sind noch da.

„Nicht hier…“, haucht sie kaum hörbar aus.

„Das ist unsere letzte Chance für heute.“ Seine Worte klingen fast gestöhnt.

Mein Herz beginnt zu klopfen. Ich muss hier weg, das will ich wirklich nicht hören. Ich habe schon zu lange gelauscht. Warum bin ich auch so neugierig? Immer noch zittrig von dem was ich gehört und gesehen habe schleiche ich zurück und gehe mit einem großen Bogen um das Gebäude zum Castle. Vor dem Hintereingang bleibe ich kurz stehen, die Hunde rennen mir durch die offene Tür entgegen. Mein Puls beginnt wieder zu rasen, aber die beiden Tiere springen freundlich an mir hoch.

„Wie heißt ihr nochmal? Argon und Arek nicht wahr? Aber wer ist wer?“, frage ich die Hunde und kraule dabei dem schwarzbrauen den Kopf.

„Der schwarze ist Argon und dieser Charmeur da ist Arek“, Onkel Jamie reibt zuerst mir über die Schulter und streichelt dann die Hunde. „Das sind Gordon Setter.“

Ich nicke und bewundere die beiden Schönheiten.

Komm es gibt gleich essen. Wo warst du denn den ganzen Nachmittag?“, fragt er nach.

„Ach“, seufze ich und folge ihm. „Ich habe mich ein bisschen ausgeruht und dann war ich am Waldrand spazieren.“

Von meiner Spionage erzähle ich natürlich nichts. Beim Dinner sind nur die Hausangestellten dabei. Ich denke über meine Beobachtung nach. Wer ist diese Frau und wenn er sie liebt und sie ihn, was ist dann das Problem? Nach dem Essen helfe ich noch beim Wegräumen und warte gleich auf Eliza, sie ist für heute auch fertig.

„Hat Peter eine Freundin?“, frage ich beiläufig auf dem Weg zum Haus.

Sie bleibt stehen und sieht mich verwundert an. „Warum, hast du Interesse?“ Dann schmunzelt sie.

Schnell schüttle ich den Kopf. „Nein. Nur so. Es wundert mich einfach, dass er nicht langsam an eine ernsthafte Beziehung denkt.“ Ich versuche irgendwie die Kurve zu kratzen.

„An die letzte Freundin die länger als eine Nacht andauerte erinnere ich mich kaum noch, das ist Jahre her. Also nein. Du könntest dir also noch Chancen ausrechnen.“ Wieder schmunzelt sie.

„Nein, nein. Danke. Ich habe genug von den Typen die mehr als eine Frau zum Glücklich sein brauchen.“ Sofort zieht es komisch in meinem Herzen. Ganz sicher bin ich mir nicht, ob ich ernst meine was ich sage. Tyler fehlt mir.

Der Nachmittagsschlaf rächt sich jetzt. Es ist schon kurz vor zehn, aber ich fühle mich so aufgedreht, dass ich nicht zur Ruhe komme. Darum beschließe ich noch eine Runde ums Haus zu drehen. Jetzt werde ich hoffentlich keine Schäferstündchen mehr beobachten und kann einfach nur die gute Luft einatmen und mich sammeln. Ich schlüpfe in meine Boots, als Eliza bereits im Bademantel aus der Küche schaut.

„Wo willst du denn noch hin?“, fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ich brauche noch eine Lunge voll frische Luft.“

„Bei dem Wetter? Es regnet schon wieder ein bisschen.“

Ich zucke mit den Schultern und meine es macht mir nichts aus.

„Dann nimm wenigsten die Regenjacke da.“

Sie reicht mir einen dunklen Mantel mit Kapuze. Ich schlüpfe hinein, setze meine Mütze auf und ziehe die Kapuze über.

„Bleib in der Nähe vom Haus“, weist sie mich an, was ich nickend bestätige.

Ich gehe den kiesgesäumten Weg entlang und denke nach. So viele Dinge schwirren in meinem Kopf herum. Ich bin seltsam nervös und aufgedreht, das kommt vom Entzug der Tabletten und lässt mich in letzter Zeit einfach nicht los. Ich versuche nicht darüber nachzudenken und gehe weiter rund um die Koppel bis zu den Stallungen. Alles ist in ein sanftes Licht der Wegbeleuchtung getaucht. Hier ist es so nobel und durchdacht. Ich gehe an der großen Stalltür vorbei und wundere mich, dass sie nicht ganz verschlossen ist. Kurz überlege ich, dann fällt mir ein, dass es bestimmt nicht gut ist wenn sie offen ist. Was ist wenn dieser Irre wieder unterwegs ist. Er könnte direkt in den Stall marschieren. Ich sehe mich um. Keiner da.

„Ist da jemand?“, frage ich in die Dunkelheit. Keine Antwort.

Dann schiebe ich vorsichtig das Stall Tor auf.

„Hallo?“, frage ich leise hinein. Das Nachtlicht brennt, eine Stute schaut mich an und schüttelt ihre Mähne durch. Keine Antwort.

„Warum sagst du denn nichts?“, frage ich sie und muss dabei grinsen.

Leise gehe ich den Gang entlang bis nach hinten zu den Fohlen. Sie liegen bereits im weichen Stroh. Mein Gott wie süß. Ich stütze mich an den Stahlstäben ab und beobachte sie.

„Ihr seid so süß“, flüstere ich.

Dann schließe ich meine Augen. Ich habe keine Ahnung wie es weiter geht. Hier ist es ruhig und ich fühle mich wohl, aber ich muss auch in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen. Plötzlich zucke ich vor Schreck zusammen und reiße meine Augen auf. Ein hartes rundes Ding bohrt sich in meine Wirbelsäule.

„Du nimmst jetzt mal schön langsam deine dreckigen Hände hoch“, höre ich eine mir unbekannte Stimme sagen, die aber sehr bedrohlich klingt.

Ich schnappe nach Luft und hebe wie in Zeitlupe meine Arme. Was zur Hölle ist hier los? Wenn das der Irre ist…Ich versuche nicht hysterisch zu werden. Das harte Ding bohrt sich fester in meinen Rücken, ich befürchte es ist ein Gewehr.

„So und jetzt drehst du dich genauso langsam um, bevor ich dir eine Kugel durch die Rippen jage du Mistkerl.“

Ok. Jetzt bin ich definitiv panisch. Ich traue mich kaum mich umzudrehen, tue es dann aber doch.

„Bitte ich…Bitte nicht schießen“, stammle ich voller Angst.

Jetzt blicke ich direkt in den Lauf der Waffe. Diese Waffe hält ein Mann im weißen Hemd und sieht mich mit verengtem Blick an. Ich habe das Gefühl gleich umzufallen vor Angst. Doch dann senkt er die Waffe, kommt einen Schritt näher, zieht mir die Kapuze vom Kopf und packt mich am Arm.

„Sie sind eine Frau?!“, schreit er mich an.

Ich nicke wortlos. Mein Puls rast und meine Knie schlottern. Alles beginnt sich zu drehen.

„Haben Sie eine Waffe? Wollten Sie diesmal die Fohlen aufschlitzen? Was ist denn los mit Ihnen?“

Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Der Griff um meinen Arm verstärkt sich, er zerrt mich den Gang entlang.

„Nein…Ich habe keine Waffe…Moment…Ich glaube das ist ein Missverständnis“, stammle ich.

„Das können Sie gleich der Polizei erklären“, meint er ohne auf meine Worte einzugehen.

„Nein…Stopp…Ich wollte doch nur sehen ob im Stall alles ok ist, das Tor war offen und mein Onkel hat mir doch erzählt…“

Er bleibt stehen und sieht mich fragend an. „Was? Wer ist Ihr Onkel?“

„James. James Skelton. Ich bin seine Nichte und hier auf Besuch.“ Ich schnappe nach Luft. „Ich wollte den Pferden nichts antun. Wirklich nicht.“

Er hält mich noch kurz fest und sieht mich an, mir scheint er überlegt. Dann lässt er mich los.

„Holly?“, sagt er dann und sieht mich immer noch eindringlich an.

Ich nicke völlig fertig. Meine Knie zittern weiterhin. Dann sehe ich auf. Erst jetzt kommt auch er mir bekannt vor. Die dunklen Haare, die helle Haut, die blauen Augen.

„Sind Sie Tavis?“, frage ich vorsichtig. Ich habe immer noch Angst vor ihm.

Er nickt und reibt sie die Stirn. Ich habe ihn tatsächlich nicht wiedererkannt. Er ist ein richtiger Mann geworden und trägt jetzt einen Bart. Außerdem hat er eine lange, tiefe Narbe von der linken Wange halsabwärts die sich bis nach vorne unters Kinn zieht, die auch der Bart nicht verbergen kann. Die hatte er früher bestimmt nicht. Ich versuche mich zu sammeln, was mir nicht wirklich gelingt. Er öffnet einen Knopf an seinem Hemd, fast als brauche er Luft zum Atmen. Sein Blick ist weiterhin verengt, irgendwie habe ich immer noch Angst vor ihm.

„Ich habe das offene Gatter gesehen, ich dachte Sie sind der Pferdemörder. Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, entschuldigt er sich, was aber noch immer nicht besonders freundlich klingt. „Was machen Sie denn mitten in der Nacht hier?“

„Ich war spazieren. Wie gesagt, die Tür war offen. Ich habe mir Sorgen gemacht. Sonst nichts.“

Mehr bringe ich nicht heraus. Ich bin immer noch außer mir, was er zu bemerken scheint.

„Kommen Sie, ich bringe Sie zum Haus zurück“, bietet er an und sieht mich eindringlich an.

„Danke. Es geht schon“, lehne ich ab. „Gute Nacht.“

Dann verlasse ich hastig den Stall.

„Gute Nacht. Und nochmal, es tut mir leid“, ruft er mir hinterher.

Ich drehe mich nicht mehr um und laufe zurück zum Haus. Bevor ich hinein gehe atme ich noch einmal tief durch. Was für ein Tag. Dass ich nach all dem schlafen kann, bezweifle ich.

Kein Himmel ohne dich

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