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HERR HOFFMANN VERWECHSELT NAMEN

HINZ UND KUNZ AUF JAPANISCH

Herr Hoffmann schwitzt. Sein Gesicht läuft rot an, seine Augen tränen. Aus seiner Nase dringen Geräusche, die an das erschreckte Schnauben eines Seeotters im Angesicht eines Schwertwals erinnern. Schrecklich! Dabei hat er sich doch nur ein Tütchen mit Nüssen in den Mund geschüttet. Speichel schießt in seine Mundhöhle, seine Zunge schwillt an, der Gaumen brennt. Scharf, scharf, scharf! Hastig kaut er die schreckliche Fracht grob durch und schluckt sie dann mit großer Willensanstrengung herunter. Schnell noch mit dem Tomatensaft nachspülen. Aaaah. Schön, wenn der Schmerz nachlässt.

Der junge Japaner neben ihm – er trägt einen Anzug, der auch nach vier Stunden Flug noch aussieht wie frisch gebügelt – sieht ihn erschrocken an. Wahrscheinlich befürchtet er, gleich Erste Hilfe leisten zu müssen. Oder dass der Westler neben ihm einfach stirbt und ihm damit den Weg zum Klo während des zehneinhalbstündigen Fluges versperrt. Herr Hoffmann lächelt ihm gequält zu, um anzudeuten, dass er sich keine Sorgen machen soll. Dieser Gesichtsausdruck scheint den Japaner noch mehr zu erschrecken. Egal. Was hat er sich da eigentlich in den Mund geschüttet? Der eben noch reiselustige Flensburger dreht mit zitternden Fingern das nun leere Päckchen Erdnüsse, das ihm die Stewardess eben mit seinem Tomatensaft gebracht hatte. Wasabi-Peanuts. Aha. Ist das nicht diese scharfe grüne Paste, die immer bei Sushi mit dabei ist?

Das erklärt natürlich einiges. Spontan entscheidet Herr Hoffmann sich für das westliche Menü: Hühnchen mit Reis. Er wird sich doch nicht schon auf dem Flug umbringen lassen ...

Nach 9.335 langen Kilometern befindet sich die Maschine endlich im Landeanflug auf den Narita Airport.

Endlich da!

Auf dem gesamten Flug hat er kaum eine halbe Stunde am Stück geschlafen, da der Anzug-Typ neben ihm (er sieht übrigens noch immer wie frisch gebügelt aus) die ganze Nacht damit verbracht hat, über den kleinen Monitor japanische Filme (mit englischen Untertiteln zwar, aber Herr Hoffmann war nicht in der Stimmung) zu schauen. Leider hat er dabei die Angewohnheit, in spannenden, brenzligen oder einfach nur unerwarteten Situationen so heftig mit beiden Armen zu rudern, dass Herr Hoffmann gerne noch ein Tütchen Wasabi-Erdnüsse gehabt hätte, um es seinem Sitznachbarn in die Augen zu reiben.

Aber nun ist er zu kraftlos für weitere Rachefantasien. Müde und Jetlag-geplagt schleppt er sich kurz darauf durch den riesigen, blitzblank gewischten Flughafen. Wenn er doch bloß schon wieder zurück in Deutschland wäre. Von den Durchsagen versteht er kein Wort, auf den Werbetafeln blinken unverständliche Schriftzeichen und überall sind nur Asiaten. Die anderen Europäer aus dem Flugzeug scheinen direkt wieder zurückgeflogen zu sein.

Sollte ihn nicht jemand abholen? Der Nakagawa Chemiekonzern wollte doch jemanden schicken, der ihn unterstützt und ihm als Ansprechpartner dient ... Hektisch kramt Herr Hoffmann in seinem Sakko (das übrigens schon nach 30 Minuten Flug so aussah, als sei die Erfindung des Bügeleisens spurlos an ihm vorübergegangen) nach dem Zettel, auf dem er sich den Namen notiert hatte. Ah, da ist er ja: ›Nakagawa kagakuhôjin – WATANABE Takako‹. Das Erste ist der Firmenname, also muss das danach der Name seines Begleiters sein ...

»Mister Hoffmann?« Eine kleine Frau kommt lächelnd auf ihn zu. In ihren Händen hält sie ein Schild, auf dem ›Hofmann‹ steht.

Ah, also doch kein Begleiter, sondern eine Begleiterin. Herr Hoffmann knüllt schnell den Zettel wieder in seine Tasche, geht auf die Dame zu und gibt ihr lächelnd die Hand: »Hello, Mrs. Takako! Nice to meet you.«

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Da hat Herr Hoffmann gerade mal seit einer Viertelstunde japanischen Boden unter den Füßen und schon ist er ins erste Fettnäpfchen hineingeschlittert. Nein, es lag nicht an den verschwitzten Händen, seinem mit klarem, deutschen Akzent durchsetzten Englisch oder dem westlichen Handschlag ... Was er leider nicht wusste: In japanischer Schreibweise steht der Familienname vor dem Vornamen. Hoffmann Egon also statt Egon Hoffmann, daher handelt es sich auch nicht um Frau Takako, sondern um Frau Watanabe.

Diese lächelt aber nur gelassen: »Good morning, Hoffmann-san, nice to meet you. But it’s Mrs. Watanabe.«

Seine Betreuerin ist vermutlich deshalb ausgewählt worden, weil sie schon einige Kontakte mit Westlern hatte (sie spricht auch gutes Englisch). Daher ist sie nicht davon ausgegangen, dass Herr Hoffmann sie mit einer traditionell japanischen Verbeugung begrüßen würde.

Herr Hoffmann hat keine Zeit, sich über seinen Fauxpas zu ärgern, denn er grübelt. Hoffmann-san? Was soll das nun wieder heißen?

Frau Watanabe hat einfach die übliche höfliche Standard-Anrede benutzt. Die Silbe ›san‹ wird dabei einfach an den Nachnamen angehängt – und zwar egal, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. An einen Vornamen angehängt, drückt -san sowohl Respekt als auch Nähe aus. In der japanischen Sprache gibt es eine ganze Reihe verschiedener Anreden, die nur darauf lauern, dass der unbedarfte Reisende sie vertauscht und sich damit aufs gesellschaftliche Glatteis begibt. Die meisten werden jedoch zum Glück kaum von Ihnen erwartet.

In den nächsten Kapiteln werden historische Persönlichkeiten in japanischer Schreibweise geschrieben, also erst mit dem in Großbuchstaben geschriebenen Familiennamen, danach folgt der Vorname. Immer, wenn wir jedoch Herrn Hoffmanns Gedankengängen folgen, bleiben wir – wie er selbst auch – bei der westlichen Schreibweise und der einfachen Anrede ›Herr‹ oder ›Frau‹. Im Übrigen möchten wir Sie nicht weiter mit Herrn Hoffmanns zum Teil etwas eingerostetem Schulenglisch belästigen. Ab jetzt werden die Passagen, die er in Japan auf Englisch redet, zur Erhaltung Ihres Seelenheils auf Deutsch wiedergegeben. Glauben Sie uns – es ist besser so.

Was können Sie besser machen?

Wenn Sie beim einfachen -san bleiben, können Sie schon mal nicht ganz falsch liegen. Aber Vorsicht: Mit dieser Silbe drücken Sie Respekt aus. Es wäre also unhöflich, sich selbst oder Familienangehörige mit -san vorzustellen. Auch die Mitglieder der eigenen Firma, die ja in Japan fast so etwas wie die eigene Familie sind, werden ohne Anrede angesprochen oder vorgestellt. Hier kann man stattdessen die Position desjenigen in den Namen mit aufnehmen. Dasselbe würde in Deutschland zu eher seltsam klingenden Anreden wie ›Buchhalter Krause‹ oder ›Abteilungsleiter Müller‹ führen – aber Sie können dieses Verhalten ja abperlen lassen wie Regentropfen von einem Lotusblatt, sobald Sie wieder in das Flugzeug nach Hause steigen.

Falls es sich bei Ihrem Gegenüber allerdings um einen Lehrer, Professor, Anwalt oder Arzt handelt, kann -san schon zu wenig sein. Hängen Sie vorsichtshalber ein -sensei an den Namen an (auch dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen), dann sind Sie auf der sicheren Seite. Falls Sie den Namen nicht wissen, können Sie auch nur ›sensei‹ sagen. Auch bei älteren Männern, die in der Hierarchie des Konfuzianismus sehr hoch stehen, liegen Sie mit sensei nie falsch. Vielleicht werden Sie feststellen, dass in Japan recht häufig nach dem Alter gefragt wird, möglicherweise, um die Hierarchien auf diesem Weg möglichst schnell zu klären. Bei Frauen gilt dies allerdings, wie ja auch bei uns, als nicht besonders höflich. In Japan kann man daher auch trickreich nach dem Tierkreiszeichen fragen und sich so unauffällig das Alter ausrechnen.

Übrigens: Hüten Sie sich davor, Ihre Geschäftspartner mit der Anrede -chan statt -san anzusprechen, auch wenn es recht ähnlich klingt. Das könnte Ärger geben. Diese Silbe wird nämlich nur für kleine Mädchen und allgemein alles was niedlich ist verwendet.

Fettnäpfchenführer Japan

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