Читать книгу "Brender ermittelt" - Kim Scheider - Страница 5

Köln, Ehrenstraße, gegen 3.30 Uhr am Morgen

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“Lars Brender, ich verhafte Sie wegen des Verdachts der Begünstigung einer Straftat. Man wird Sie gleich über Ihre Rechte...”

“Schnitt! Schnitt und alles zurück auf Anfang! Die Beleuchtung hat nicht gepasst.”

Resigniert stapfte Christoffer Frey zum Kameramann und der Beleuchtungscrew und erklärte ihnen bereits im fünften Anlauf, worauf es ihm ankam. So manches Mal in den vergangenen Monaten hatte er sich gefragt, ob es wirklich die beste Idee gewesen war, nicht nur die Drehbücher zu seiner Krimiserie “Brender ermittelt” zu schreiben, sondern auch selbst Regie zu führen. Zumal er obendrein auch noch die Hauptrolle, den Hobbykriminologen Lars Brender spielte.

Der seit anderthalb Stunden endlich laut Drehbuch verhaftet werden sollte.

Natürlich zu unrecht.

Doch solange die Kollegen das mit der Beleuchtung nicht in den Griff bekamen, würde er in dieser Nacht wohl gar nicht mehr verhaftet, ob nun zu recht oder nicht.

“Leute, man kann schon die Morgendämmerung erahnen,” fügte er seinen Ausführungen über Licht und Schatten und Effekte beschwörend hinzu. “Wenn die Szene bis dahin nicht im Kasten ist, wird es Wochen dauern, eine neue Drehgenehmigung für die Ehrenstraße bei Nacht zu bekommen. Also, bitte, gebt alles! Okay?”

Es fiel ihm zwar schwer noch ruhig zu bleiben, aber es hatten sich auch so bereits genug Anwohner über die Ruhestörung beschwert, Drehgenehmigung hin oder her. Vermutlich suchten sie sich für den nächsten Versuch am Besten gleich einen anderen Ort. Wieder ein paar verschenkte Wochen...

Dabei zogen sich die Dreharbeiten der vierten Staffel mittlerweile auch so schon um Monate ungeplant in die Länge. Eigentlich sollte sie bereits seit März abgedreht sein, aber eine Reihe von Unfällen und anderen mittelschweren bis großen Katastrophen hatte für immer neue Verzögerungen gesorgt.

“Langsam habe ich das Gefühl, dahinter steckt System”, fluchte Frey auf dem Weg zurück in den Hauseingang, in dem seine waghalsige Flucht vor der Polizei enden sollte. “Seit dem Besuch von ihm klappt aber auch wirklich gar nichts mehr!”

Es war, als habe Tom Lorenz bei seinem “Besuch” im Februar die ganze Crew mit irgendeiner schleichenden, aber vernichtenden Seuche kontaminiert, die nun für Totalausfälle aller Art sorgte. Das Hirn von Mimo, dem Beleuchtungstechniker, schien sie jedenfalls vollständig lahm gelegt zu haben.

Frey musste grinsen, auch wenn die ganze Angelegenheit alles andere als komisch war. Aber ohne Galgenhumor ließ sich auch nicht verarbeiten, was er und Anna Lorenz im letzten Jahr dank Tom durchgemacht hatten.

Schon als Kinder hatten sowohl Frey als auch Anna traumatische Erfahrungen durch ihn erlitten.

Der Schauspieler verlor als Zehnjähriger bei einem durch Lorenz verursachten Autounfall beide Elternteile und musste bei Pflegeeltern groß werden. Anna war von ihm, ihrem eigenen Onkel, geschändet und missbraucht worden, was auch ihr weiteres Leben maßgeblich beeinflusst hatte. Beide hatten Lorenz seinerzeit für seine Taten hinter Gitter gebracht und an beiden hatte er sich im vergangenen Jahr bitter dafür gerächt.

Die junge Frau war dabei nur durch einen ungünstigen Zufall mit in die Schusslinie geraten. Ursprünglich hatte es Lorenz allein auf ihn abgesehen gehabt. Christoffer Frey, den Held für tausende “Brender ermittelt” Fans, die sich, organisiert in dutzenden Fanclubs, stolz Brenderianer nannten.

“Chris, sollen wir dann loslegen?”, unterbrach Till, der einen der Polizisten spielte, die ihn in Gewahrsam nehmen sollten, Freys düstere Gedanken.

“Ja – ja, sicher. Noch besteht ja Hoffnung...”

Müde knetete Frey sich die schmerzende Schulter. Zwar war die Schussverletzung, die er im Verlaufe der dramatischen Ereignisse vor genau einem Jahr davon getragen hatte, gut verheilt. Bei stressigen Phasen, in denen er wenig zur Ruhe kam, also eigentlich seit Wochen, schmerzte sie aber doch immer mal wieder. Und wenn er an Lorenz denken musste, tat sie gleich mindestens doppelt so weh.

Auch seine übermüdeten Augen schmerzten und er rieb sie kräftig. Was er sofort bereute, denn augenblicklich tauchte Maike, die Maskenbildnerin neben ihm auf und tupfte und pinselte vorwurfsvoll an ihm herum.

Eine halbe Stunde später war es dann aber vollbracht. Lars Brender war festgenommen und wider allen Protests seiner Rechte belehrt worden. Nun fuhr er im Polizeiwagen seiner unsicheren Zukunft entgegen.

Beinahe hätte die mittlerweile merklich zunehmende Dämmerung ihm doch noch seine Beleuchtungseffekte versaut, aber jetzt war Frey mit dem Ergebnis endlich zufrieden. Fast wäre er sogar bereit gewesen Mimo seine Schusseligkeit zu verzeihen, schließlich war ja letztlich noch alles gut gegangen.

Aber gerade als er zu ihm hinüber gehen wollte, wurde dem Schauspieler schwarz vor Augen. Schnell setzte er sich in einen Hauseingang und versuchte, seinen Kreislauf durch gleichmäßige Atmung zu beruhigen. So, wie man es Anna in der Reha-Klinik beigebracht hatte, damit sie ihre Panikattacken besser in den Griff bekommen konnte.

“Alles in Ordnung mit dir, Chris?” Maike stand wie aus dem Boden gewachsen vor ihm und sah ihn besorgt an. “Geht's dir gut?”

Dankbar lächelte er sie an. Nicht umsonst nannte man sie die “Gute Seele am Set”. Wenn es irgendwo ein zwischenmenschliches oder gesundheitliches Problem gab, konnte man sicher sein, dass Maike nicht fern war. Und blieb.

“Alles halb so schlimm!”, wiegelte Frey ab. “War halt ein ziemliches Pensum die letzten Monate.”

In Gedanken fügte er noch ein “Und ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist!” hinzu. Laut durfte er das nicht sagen. Es würde sowieso noch einen Aufstand der Brenderianer geben, wenn ihnen nach Ausstrahlung der neuen Folgen klar werden würde, dass es die letzte Staffel der beliebten Krimireihe gewesen sein würde.

“Bist froh, wenn wir es hinter uns haben, was?”

Maike!

Widerspruch zwecklos.

Vorsichtig um sich spähend, ob es auch ja niemand mitbekam, nickte Frey ergeben.

“Ja, da hast du recht”, stimmte er ihr schließlich zu.

Aber der Stress mit dem Dreh alleine war es nicht, das musste er sich wohl langsam mal eingestehen. Schon seit mehreren Wochen fühlte er sich in einem Maße erschöpft, das sich nicht nur mit ein paar durchgemachten Nächten erklären ließ. Und Stress an sich war er gewohnt. Genau genommen begrüßte er ihn sogar. Er war einfach nicht der Typ für Müßiggang.

Jetzt allerdings würde er nicht um ein paar Stunden Schlaf herum kommen.

Schließlich wollte er später noch bei Anna vorbei. Er hatte gestern schon vorgehabt, sie zu besuchen und den ersten Jahrestag ihrer Befreiung ein bisschen zu feiern, aber Vivien, Annas Freundin und Mitbewohnerin, war ihm zuvor gekommen. Sie hatte Anna über das Wochenende nach Holland ans Meer entführt. Da hatte er natürlich mit seinem Champagner und den Blümchen nicht gegen ankommen können.

Gegen Mittag würden sie zurück sein, bis dahin würde er also noch etwas Zeit haben, um sich auszuruhen.

Nur noch kurz in die Firma und dann ins Bett.



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