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1. Juli. Dr. Cagliari reichte Sören die Hand. „Guten Tag, Herr Schack, schön sie so bald wiederzusehen, nehmen sie doch Platz, sie bedienen sich, bitte, Kaffee und Plätzchen sind da ... Morgen, Lüderitz, auch Kaffee? Einmal nicht den aus der Maschine in der Pantry, der ist ja scheußlich. Hier, ich habe mir eine besondere Mischung aus Guatemala mitgebracht, müssen sie einmal probieren. Ist sensationell!“

Als alle saßen und sich bedient hatten, ergriff Dr. Cagliari gleich wieder das Wort: „Sie, Herr Schack, das war ja eine sehr beeindruckende Vorstellung neulich, von diesem Programm, äh, Lüderitz, nun lassen sie doch den Kaffee, helfen sie mir lieber, wie hieß das noch ...“

„HEAD!“, sagte ein an Plätzchen kauender Thorben.

„Genau, das hat mich doch sehr beeindruckt!“

Sören sah ihn etwas verblüfft an.

„Doch, wirklich, ich weiß, ich habe mich damals ein wenig kritisch geäußert, aber Lüderitz hier, der hat mich noch einmal aufgeklärt, was das Programm kann und wie das rechnet. Ja, wirklich sehr beeindruckend.

Ich habe Herrn Lüderitz schon gesagt, nicht wahr, Lüderitz, mit dem Mann, äh, ich meine sie, Herr Schack, müssen wir viel mehr arbeiten. Nun lassen sie doch die Plätzchen, Lüderitz. Also, das sind ja ganz neue Ideen, die sie da haben, Herr Schack, der reine Wahnsinn. Und neue Ideen, das passt ja ganz hervorragend zu uns, wir als innovativer Pharmakonzern und sie mit ihren pharmabezogenen Programmen, super! Super passt das zusammen. Also schicken sie uns mal zehn von diesen Programmen, wie hieß das noch gleich, Lüderitz, ach ja, HEAD. Lüderitz, wofür steht das noch?“

„Health Economics Analysis and Decision.“

„Genau, das meine ich, was kostet das eigentlich?“

„Pro Lizenz 500 Mark.“

„Naja, dann haben sie ja schon ein kleines Geschäftchen gemacht, heute Vormittag“, lachte Cagliari, „so fängt der Tag ja gut an, nicht wahr? Aber, sie, Herr Schack, sie hatten da neulich noch ein anderes Programm angesprochen, so eines, mit dem man, äh, Lüderitz, nun sagen sie doch auch einmal etwas, also das Programm, das ihnen so am Herzen liegt, das für die neuen Mitarbeiter, für die Schulung war das, oder?“

„Sie meinen CliSSim, das Simulationsprogramm für klinische Studien ...“

„Genau, Lüderitz, danke ...“, und zu Sören gewandt, „nehmen sie doch ein paar Kekse, die sind wirklich superb, übrigens ein guter Mann dieser Lüderitz, hat immer gute Ideen, zwar sehr ungewöhnliche manchmal, aber auch sehr brauchbare ... Und jetzt meint er, wir sollten uns mit ihrem Cliss ..., Lüderitz!“

CliSSim!“

„Genau, CliSSim beschäftigen, das würde ihm helfen, er will da irgendetwas mit abschätzen oder so ..., so genau habe ich das nicht begriffen, was er will, aber wie ich sagte, manchmal hat er sehr gute Ideen – und wenn der etwas haben will, dann bekommt er das ja auch ... Sagen Sie einmal, Herr Schack, was kann denn dieses sagenhafte Cliss ...“

CliSSim“, half Sören aus, „Clinical Study Simulation ...“

„Ah, so“, sagte Dr. Cagliari, „also sie simulieren klinische Studien, sehr interessant!“. Er beugte sich etwas vor, „können sie mir das etwas genauer erläutern?“

„Gerne“, antwortete Sören, „im Prinzip ist es ganz einfach: CliSSim rechnet Studien rückwärts – aus dem Endergebnis errechnet es die Eingangsdaten der einzelnen Patienten.“

„Tatsächlich?“, lächelte Dr. Cagliari selbstzufrieden.

„Ja“, sagte Sören, „darf ich mal ihre Flipchart benutzen?“

„Aber gerne, bedienen sie sich, alles da ...“

Sören schrieb ein paar Zahlen an die Tafel, während er sprach: „Eine Studie besagt, dass bei x Patienten, sagen wir 150, zu 87 Prozent unter der Therapie mit Medikament „A“ eine Heilung eintrat, während das unter Medikament „B“ nur bei 78 Prozent der Fall war. Und zwar mit einer hohen Verlässlichkeit der Aussage, also ist p<0,05. Von den 150 Patienten wurden die Daten in Patientenbögen erfasst und die wurden in ein Statistikprogramm eingegeben und dort sind die oben genannten Werte errechnet worden“.

„Natürlich“, sagte Dr. Cagliari gelangweilt.

CliSSim dreht das ganze nun um: Bei CliSSim sagen sie dem Programm, dass die klinische Heilungsrate 87 versus 78 Prozent bei einem p<0,05 betragen soll.

Schließlich legen sie noch die anderen Eckwerte fest, wie viele Patienten für die Auswertung ausfallen sollen und aus welchem Grund. Da können sie bis zu zehn verschiedene Gründe definieren. Dann legen sie noch die Eingangskriterien fest, zum Beispiel Männer und Frauen oder nur Männer ab 65 Jahre oder so, wie viele Messungen zu welchen Zeiten vorgenommen werden. Und dann müssen sie dem Programm noch sagen, was die Werte von Gesunden und was die von Kranken sind und in welchen Variationsbreiten sie vorkommen, also auch die Laborwerte. Voila. Dann drücken sie auf den berühmten Knopf und ihr Rechner legt los. Heraus kommen wenig später …“

„Was verstehen sie unter wenig später?“, warf Cagliari ein.

„Heraus kommen wenige Stunden später schlussendlich die individuellen Daten von 150 einzelnen Patienten, die, wenn sie sie in ihr Standard-Statistikpaket eingeben, wieder das gewünschte Ergebnis bringen.“

„Ich bin beeindruckt“, sagte Cagliari, „in Stunden! Lüderitz, und sie brauchen Monate oder Jahre! Was sagen sie?“

„Dass ich es mit richtigen Patienten und richtigen Ärzten zu tun habe!“

Cagliari winkte nur ab.

„Das sieht richtig gut aus, finde ich“, sagte Thorben, „ich habe nur eine Frage: Was kommt am Ende heraus aus dem Rechner?“

„Zwei Dinge“, gab Sören zur Antwort, „eine lange Liste mit den einzelnen Werten für jeden einzelnen Patienten, sozusagen der einzelne Patientenbogen in Computergestalt und dann, natürlich, eine Datei, die sie in Statistik-Software einlesen können, damit man die Daten nicht per Hand erfassen muss, das wäre ja nicht effektiv ...“

„Mag sein“, dachte Dr. Cagliari laut, „aber für ihren Zweck, Lüderitz, brauchen sie ja richtige Bögen, nicht wahr, also solche, die so aussehen wie richtige Patientenbögen ...“

„Nun ja“, sagte Sören nachdenklich, „das ließe sich machen, ich denke, es gäbe da Mittel und Wege ...“

„Das besprechen sie am besten unter sich meine Herren, ich muss ja nicht alles wissen, Herr Schack, wissen sie, mir reicht es, wenn ich im Großen und Ganzen Bescheid weiß, ich habe ja mehr eine koordinierende Funktion, Herr Schack. Lüderitz, was sagen sie, ist das das Richtige für uns?“

Thorben nickte. „Ja, ich glaube, das hat ihnen vorgeschwebt, Doktor Cagliari. Ich habe nur noch eine Frage …“

„Ihnen, Lüderitz, ihnen! Das war doch ihre Idee. Was kostet der ganze Spaß? Das wird nicht billig sein, ihr Spielzeug, oder, Herr Schack?“

„Entschuldigung, was war das für eine Frage?“

„Läuft das Programm auch im VAX-Cluster?“

„Natürlich.“

„Der Preis?“, drängte Cagliari.

„Nun ja“, sagte Sören langsam, „da steckt natürlich sehr viel Know how darin, unheimlich viel, Medizin, klinische Forschung, Mathematik und Statistik, das kann außer uns kaum jemand ... Und dann – der Markt ist klein und Programme auf der VAX, die kosten natürlich ...“

„Eine Zahl, Herr Schack, eine Zahl, den Rest können sie sich sparen, ich weiß, wie man versucht, ein Produkt teuer zu reden ...!“

„Dreihunderttausend!“

Cagliari blickte Sören verblüfft an, „Bitte?“, fragte er, „wie viel?“

„Dreihunderttausend.“

Dr. Cagliari schaute Thorben an. Entweder war er so überrascht oder er war ein exzellenter Schauspieler, schließlich sagte er: „Lüderitz, ist der Mann verrückt? Habe ich dreihunderttausend Mark verstanden?“

„Ich glaube schon“, sagte Thorben.

„Dann gehört das Programm aber uns!“, sagte Cagliari sofort.

„Nein“, sagte Sören, „dafür bekommen sie eine Lizenz. Eine. Wenn sie es exklusiv haben wollen, dann kostet es eins Komma zwei fünf Millionen. Dafür sind dann aber auch noch zwei Mannmonate für Anpassungsarbeiten drin!“

Dr. Cagliari musterte Sören aus etwas zusammengekniffenen Augen, lange und konzentriert, ohne ein Wort zu sagen. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und schaute sinnend an die Decke. Schließlich beugte er sich wieder vor, schenkte sich einen Kaffee ein, den guten aus Guatemala, rührte eine Weile in seiner Tasse, schaute Sören wieder an und beugte sich vor, um das Telefon zu greifen. Er wählte die Nummer des Finanzchefs. Das Gespräch war kurz:

„Cagliari hier, Herr Lorentz, ich brauche eineinviertel Millionen. Nächste Woche!“ Offenbar sagte Herr Lorentz etwas, denn Cagliari hörte einen Moment lang zu, dann legte er auf, ohne sich zu verabschieden.

Und zu Sören sagte er dann: „Gekauft! Exklusiv! Für eine Million zweihundertfünfzigtausend Mark!“

Er blickte triumphierend zu Sören, der glaubte, sein Stuhl rutsche unter ihm weg.

„Unter einer Bedingung: Wenn sie das Programm abgeliefert haben, Schack, dann vergessen sie, dass sie es je entwickelt haben und vor allem, dass wir es gekauft haben. Ist das okay für sie?“

Sören nickte stumm und reichte seine Hand über den Tisch, die Cagliari heftig schüttelte. „Gratuliere“, sagte er, „dann sind sie jetzt ein reicher Mann! Wann können sie liefern?“

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