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Bei MicroMed

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20. Juli. Frau Wolff klopfte kurz an die Tür ihres Chefs, wartete nicht erst auf ein „Herein“, sondern öffnete sie und sagte in den Raum „Da ist der Herr Doktor Lüderitz von GPF für sie, Herr Schack“.

„Schicken sie ihn rein“, rief Sören und als Thorben das Zimmer betrat, begrüßte er ihn mit den Worten: „Hallo, Thorben, altes Haus, schön, dich wieder zu sehen.“

Im Hintergrund erhoben sich zwei junge Männer so um die Dreißig, vielleicht auch dreiunddreißig, in etwas abgetragener Kleidung.

„Das hier ist Herr Sorin Ticrea“, stellte Sören den ersten vor, „und das ist Florin Manescu, beide aus Cluj in Rumänien – unsere besten Männer! Dann gibt es da noch die Lili, aber die ist dieses Mal nicht mitgekommen. Alle drei sind super Programmierer. Sorin und Lili sind auch noch studierte Mediziner, Florin ist Programmierer und Hardware-Spezialist – für alles, was rechnen kann, vom PC bis zur VAX.“

Sorin Ticrea lächelte schüchtern und gab Thorben die Hand. „Nice to meet you, Mr. Lüderitz“, entschuldigte er sich leise dafür, dass sein Deutsch schlecht sei, „I am so sorry, but my German… Just call me Sorin“. Der andere sagte fast wörtlich die gleiche Begrüßung, nur dass er anbot, Florin genannt zu werden.

“Glaub´ es nicht, Thorben, sie verstehen alles”, fiel Sören ihm aufmunternd ins Wort, “jedes Wort! Nur mit dem Sprechen hapert es manchmal ein wenig. Sorin und Florin sind die Entwickler, die CliSSim in Cluj weitestgehend entwickelt haben, also genau die Richtigen für heute. Ich habe sie übrigens schon weitestgehend eingeweiht: Dass wir uns gut kennen von früher und so…“

Alle setzten sich. Heute wollten sie besprechen, in welcher Weise CliSSim noch auf die Bedürfnisse von GPF angepasst werden müsste. Normalerweise war vorgesehen, dass der Anwender das selber machte, der ja in der Regel über geschulte Programmierer verfügte. Die brauchte es, weil CliSSim eben keine einfache Windows 3.0-Anwendung auf einem PC, sondern noch richtige Software war, die auf einer DEC-VAX lief, für deren Einsatz es ausgewiesener, speziell ausgebildeter, Fachleute bedurfte – in diesem Falle hoch qualifizierter Programmierer, die neben der VAX-Sprache VMS die klassischen Großrechner-Programmier-Sprachen beherrschten. GPF verfügte sehr wohl über solche Spezialisten, aber die hätten mindestens ein Handbuch gebraucht und das existierte erst – wenn überhaupt – in rudimentärer Form.

Und weil es eilte, hatte Sören vorgeschlagen, dass die MicroMed-Programmierer die notwendigen Anpassungen machen würden. Da fügte es sich gut, dass Sorin und Florin für Arbeiten an anderen Programmen gerade in München weilten.

„Ja“, sagte Thorben und öffnete seine Mappe „ich habe unsere Prüfbögen mitgebracht. I brought our clinical records here, Mr. Sorin, Mr. Florin ...”

Sorin lächelte, hob abwehrend die Hände und sagte langsam: “Ich verstehe sie – wenn sie langsam sprechen und mein Kollege Florin auch“, dann fiel er ins Englische und fuhr fort: „lets try in German, I will understand most of it and if not, we will ask in English, Okay?“

„Wunderbar“, sagte Thorben. Inzwischen hatte er die gedruckt vorliegenden Prüfbögen in seiner Mappe gefunden und verteilte sie, „hier sind die Prüfbögen. Da sind zuerst einmal die medizinischen Ein- und Ausschlusskriterien, das ist jeweils eine kurze Liste von Begriffen, die ist definiert.“

„Those are inclusion and exclusion criteria, I understand“, sagte Florin, „two lists of … words? Lists of defined terms “

“Ja,” nickte Thorben, “exactly. Ich kann diese Listen liefern.”

„Good“, nickte Sorin und lachte: „Das ist guttt!“

„When?“, fragte Florin, „wann?“

„Morgen“, antwortete Thorben, „aber sie werden noch mehr von uns brauchen…“

Die beiden Rumänen nickten nur.

„Dann sind hier“, Thorben deutete auf einige Bereiche auf den Prüfbogen, die farblich unterlegt waren, „Felder, in die die persönlichen Patienten-Daten eingetragen werden, soweit wir sie verlangen: Initialen, nur zwei Buchstaben, Geschlecht, Mann oder Frau, das Alter in ganzen Jahren. Ist das soweit klar?“

Sorin und Florin nickten.

„Die Initialen müssen sich an der Häufigkeit, wie die Namen in Deutschland vorkommen, orientieren. Die dürfen nicht einfach per Zufallsgenerator zusammengewürfelt werden, sonst kommen genauso viele X.Y. vor wie K.B.“

Sorin schaute Florin an, dann nickten beide.

„Für das Alter unser Patienten brauchen wir eine bestimmte Verteilungskurve, die Werte sollten sich weitgehend zwischen dreißig und fünfundsechzig bewegen, fünfundsechzig ist maximal erlaubt, mit einigen wenigen Ausreißern, wie wäre es, wenn ich die aufzeichne?“

Florin schaute Thorben fragend an.

„I need a certain distribution of ages of the patients“, wiederholte Thorben, „most are between thirty and sixtyfive, only very few younger but none older. Shall I make a scetch?“

„Sehr gut!“, sagte Florin, „that would be helpfull.“

„Die Geschlechtsverteilung sollte mehr Männer als Frauen zeigen, so 70 zu 30 %.“

„Das wird gehen“, sagte nun Sören und schaute Sorin und Florin an: „it`s okay?“.

Beide sagten „Ja!“

„Dann haben wir die Messwerte für den Blutdruck – diastolischer und systolischer Blutdruck.“

„Wie viele Tage?“, fragte Sören.

„91 Tage, mit dreizehn Messungen.“ Zu Sorin gewandt fragte er: „Did you understand? Thirteen visits, blood pressure each patient. Is that okay for you?“

Sorin nickte. „Kein Problem“, sagte er.

„Dann noch die EKGs, auch alle sieben Tage, also auch dreizehn insgesamt.“ Er schaute Sorin an, der winkte beruhigend ab.

„Immer im Abstand von sieben Tagen, plus minus ein Tag, aber nicht am Sonntag“, Thorben deutete auf eine übersichtliche Grafik, eine Art Ablaufschema, das er auf den Tisch gelegt hatte.“

Sorin nickte.

„Manchmal fallen Patienten aus der Studie, weil sie nicht mehr kommen, weil sie Nebenwirkungen haben oder einfach, weil sie keinen Bock mehr haben …“

Sorin schaute Thorben fragend an.

„Ich meine“, korrigierte der sich, „die nehmen die Medikation nicht regelmäßig ein. Das müssten so vier bis sechs Prozent sein, das bewegt sich immer so in der Größenordnung.

Da kann ich ebenfalls eine Liste liefern, aus der sich das Programm die Gründe für die Ausfälle per Zufallsgenerator für jeden einzelnen Patienten holt – einige wenige brechen die Studie früh ab, aber die meisten Studienabbrüche geschehen nach vier bis sechs Wochen. Und zwischen sechs und zehn Prozent der Patienten haben Nebenwirkungen. Da kann ich eine Liste mit Häufigkeiten des Auftretens zusammenstellen. Aber für jedes Zentrum andere Zahlen, bitteschön.“

„Zentrum?“, fragte Sorin.

„Studienzentrum“, erwiderte Thorben, „trial center or let´s say doctor, you know… Wir brauchen Daten von insgesamt 900 bis 1500 Patienten. We need between 900 and 1500 patients records. Und jedes Zentrum behandelt so 25 bis 100 Patienten. Any center has 25 to 100 patients, you know? I can give you the exact figures.“

Sorin sah zu Florin. „Just a moment, please“, sagte er, „einen Moment, bitte. Er diskutierte mit Florin auf Rumänisch

Dann nickte er, sie hatten verstanden.

„Wir haben vorher schon ein wenig diskutiert“, sagte Sören und deutete auf Sorin, „wo kriegen wir die Werte her?“

„Die sollt ihr doch berechnen?“, wunderte Thorben sich.

„Ja, klar, nein, ich meine das anders: Wir brauchen doch Angaben dazu, was ist gesund und was ist pathologisch und in welchen Bereichen sollen sich die meisten Patienten bewegen, damit das Ganze realistisch wird? Also, zwischen welchen Werten bewegt sich der diastolische Blutdruck bei gesunden Menschen und zwischen welchen Werten, erhöhten Werten, bewegt er sich bei Kranken. Und von wo bis wo ist das bei den ganz Maladen? Und wie viele fast Gesunde, Kranke und Schwerkranke wollt ihr schließlich haben? Dasselbe dann natürlich für den systolischen Blutdruck…“

„Ja, das kann ich alles liefern, was wir erwarten, das ist kein Problem. Das kann ich als Tabelle und als Verteilungsskizze liefern.“

„Und wie sollen sich die Blutdruckwerte unter der Therapie ändern, und wie in der Plazebo-Gruppe?“

„Würde es euch helfen, wenn ich das als Grafiken liefern würde? Als Kurven über die Zeit?“, fragte Thorben, „mit Bereichen, ich meine oberen und unteren Grenzen, zwischen denen sich die Werte bewegen sollen?“

„That would be great“, warf Sorin ein, der die Idee sofort verstanden hatte, „das wäre … sehr hilfreich? War das richtig?“

„Das war richtig“, sagte Thorben, „ganz genau!“

„Gibt es eine Vergleichsgruppe?“, fragte Sören, „Plazebo oder Vergleichspräparat?“

„Im Moment unser Präparat versus Plazebo“, meinte Thorben, „Vergleichspräparate kommen erst in späteren klinischen Studien.“ Und zu Florin gewandt sagte er: „In the moment two groups placebo and our new drug, which means Simsalasin, only, just the two, no other comparative drug!“

Sorin nickte, das hatte er verstanden.

„Ist das alles?“, fragte Sören.

„Ja, ich denke, für´s Erste… Da kommt bestimmt noch etwas – später!“

„No problem“, sagte Sorin, als Programmierer wusste er, da kam immer noch etwas – später. Und zwar genau dann, wenn er glaubte, fertig zu sein.

„Wie lange werdet ihr brauchen?“, fragte Thorben, „ich weiß“, fügte er hinzu, „das ist eine dumme Frage. Aber ich werde sie in der Firma beantworten müssen…“

„What do you think?“, fragte Sören Sorin, „was glaubst du, wann kannst du fertig sein, when will it be finished?“

„Four or five days plus minus two after I got the data from Mr. Lüderitz”, antwortete Sorin.

“Vier oder fünf Tage, maximal sieben ...”, wollte Sören für Thorben übersetzen. Der winkte ab und meinte: „Danke, aber dafür reicht mein Englisch noch… Das ist schnell!“

Alle schwiegen einen Moment, dann fragte Thorben: „Und das Programm läuft auf unseren VAXEN? Brauchen wir einen Cluster?“

„A VAX-Cluster would be better“, sagte Sorin, „it makes it a lot faster…“

“Das verstehe ich”, meinte Thorben, “also doch ein Cluster. How many VAXes?“, fragte er Florin.


Die beiden Rumänen schauten sich an, Florin hob entschuldigend eine Hand, dann redeten sie kurz und intensiv auf Rumänisch miteinander. Schließlich sagte Florin: „I suggest three, that should be sufficient…“

“Ja, das dachte ich auch”, meinte Thorben, “drei müssten reichen...”

Sie redeten noch ein wenig. Die beiden Programmierer hatten sich zwischenzeitlich verabschiedet, ihnen lag nichts am business talk, den Thorben und Sören noch machten.

„Wir brauchen noch dein Angebot“, grinste Thorben zum Schluss als er aufstand, „denk´ dran, Sören, wir sind eine Behörde: Ohne Angebot kein Auftrag und ohne Auftrag keine Rechnung! Und ich habe alles so schön eingefädelt… Wäre doch schade um das schöne Geld, oder?“

„Ja, klar“, stimmt Sören zu, „Frau Wolff schreibt es gerade. Und das Angebot für die fünf HEAD-Programme kannst du gleich mitnehmen. Kleinvieh macht nämlich auch Mist… Noch ein Gläschen?“.

Thorben winkte ab, „Nee, muss noch ins Büro.“

Sören nickte ihm zu.

Als Thorben die MicroMed-Räume verlassen hatte, rief Sören seine Leute zusammen und bat Frau Wolff, aus Anlass des Auftrages eine oder zwei Flaschen Champagner zu öffnen. Als jeder sein Glas in der Hand hielt, kündigte er eine Gratifikation für alle MicroMedler an, die sich gewaschen hatte.

Applaus, lockere Gespräche und viel Lachen beendeten diesen Arbeitstag – Sorin und Florin arbeiteten derweil weiter.

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