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Die nächste Ölkrise kommt bestimmt
ОглавлениеGleich nach dem Frühstück auf dem Balkon mit Blick auf den Dom versucht Julia die Eigentümer zu erreichen, mit denen sie den Kaufvertrag abschließen will. Vor der Unterzeichnung beim Notar möchte sie das Haus noch einmal sehen. 'Um ganz, ganz sicher zu sein, dass die Entscheidung richtig ist', sagt sie sich. Doch die Verkäufer sind nicht zu erreichen. Julia versucht es beim Notar. Doch der kennt nur dieselbe Telefonnummer, die Julia in ihrem Handy gespeichert hat. Nach drei weiteren, erfolglosen Kontaktversuchen gibt Julia ihrer Mutter Bescheid. “Entweder wir lassen die Besichtigung sausen oder es gibt nur eine Standortbesichtigung von außen”, sagt Julia. “Was meinst du?”
“Na, dann eben nur eine Mini-Begutachtung,” antwortet die Mutter. “Ich möchte schon sehen, wo Du mein Erspartes anlegst.”
“Willst Du etwa mit ins Grundbuch?”
“Nein, hab keine Sorge. Das hätte ich Dir gesagt, als ich dir das Angebot gemacht hab.”
“Wenn ich dich in einer halben Stunde abhole, und wir dann zu dem Häuschen fahren, kommen wir noch rechtzeitig zum Notar. Einverstanden?”
“Perfekt”, tönt es aus Julias Handy.
Von Mutters Wohnung fahren die beiden eine Viertelstunde durch die Stadt. Dann sind sie fünf Minuten auf die Umgehungsstraße und nehmen die Abfahrt zum Naturschutzgebiet. Von der Schnellstraße zum Ziel sind es noch einmal zehn Minuten. Julias Traumhaus liegt in einer Neubau-Siedlung am Rande der Vorstadt. Das Grundstück grenzt an einen Bachlauf. Hinter dem Bach beginnt der Wald. An der Straßenfront sind rechts und links Rasenflächen, auf denen schmucke, weiße Einfamilienhäuser stehen. Kniehohe Jägerzäune markieren die Grenzen. Das Haus, in das sich Julia verliebt hat, fällt aus dem Rahmen. Es ist holzverkleidet und hat ein Flachdach, das als Terrasse ausgebaut wurde. Bildschön findet Julia die Außentreppe, die hinaufführt. Die Eigentümer haben das Haus vor zehn Jahren gebaut: im Grünen und doch in der Nähe der Stadt. Die Verkäufer haben drei Kinder. Sie sagen, sie geben ihr Schmuckstück auf, weil es ihnen zu klein geworden ist.
Julias Mutter schaut sich das Haus von allen Seiten an. Ihr Blick gleitet über das Dach zum Schornstein. “Die nächste Ölkrise kommt bestimmt. Kriegt man das Haus auch mit Holz und Kohle warm?”, fragt die Mutter. Julia schildert den offenen Kamin in höchsten Tönen, schwärmt von der offenen Küche, den zwei Bädern und dem großen Wohnzimmer mit den bodentiefen Fenstern. Dann schaut sie auf die Uhr.
“Hast Du genug gesehen? Gefällt es dir? Wir müssen zum Notar. “
“Erste Frage: ja. Zweite Frage: sehr schön. Dritte Bemerkung: OK,” sagt die Mutter, als sie sich wieder in Julias Sportwagen zwängt.
“Willst du denn hier einziehen?,” fragt die Mutter, als Julia rasant anfährt. “Das Haus ist doch viel zu groß für eine Person.”
“Sag das nicht. In unserem schönen Lande gibt es eine ganze Menge Zwei-Personen-Haushalte, die in Schlössern mit 20 Zimmern leben.”
Im selben Moment empfindet Julia, dass sie der Mutter zu flapsig geantwortet hat. Sie will erklären, doch kritisch fragt die Mutter:
“So eine bist du? Sag mal, tickt es bei dir noch richtig?”
“Entschuldige meine saloppe Ausdrucksweise.” Julia schaut die Mutter wie um Hilfe bittend an. Dann sagt sie:
“Aber um auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: ich ziehe nicht um. Ich bleibe in der Innenstadt. In der Nähe der Boutique. Wie ich dir schon sagte: Das Haus will ich kaufen, weil ich mein Erspartes retten will. Ich kaufe eine Immobilie, weil ich weder den Bankern noch unseren Politkern traue.”
“Aber leerstehen wird das Haus nicht, oder?
“Nein, ich will es vermieten. Möchtest Du vielleicht dort wohnen?”
Julias Mutter ist ähnlich gerade heraus wie ihre Tochter. Sie mag keine Wischi-Waschi-Gespräche.
“Nein, mein Kind, einen alten Baum verpflanzt man nicht. Ich behalte meine Wohnung in der
Stadt. Du weißt doch: das Theater ist um die Ecke, der Konzertsaal...”