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Mehr Sicherheit - mehr Abhängigkeit

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Julia konnte es kaum erwarten. Den ganzen Tag über hat sie vor allem an eines gedacht: Sie muss eine Entscheidung treffen. Die Zeit drängt. Morgen ist Termin. Sven ist noch immer unentschlossen. 'Wenn ich aus Nahost zurückkomme, können wir ja noch mal alles bereden', hat er sie vertröstet. 'Heute also werden wir klar sehen.' Julia ist noch einmal durch die Papiere gegangen. Alles spricht dafür, dass sie unterschreibt. 'Mehr Sicherheit', sagt sie laut zu sich selbst, 'heißt aber auch mehr Abhängigkeit.' Julia rümpft die Nase.

Die sportliche, junge Frau in engen, knallroten Hosen ist nach der neuesten Mode gekleidet. Das, meint sie, verlange schon ihr Beruf. Sie weiß, dass sie den Männern den Kopf verdrehen kann. Sie hat das Herz auf dem richtigen Fleck. Sie lacht gern und viel. Abenteuerlustig ist sie - und schlagfertig ist sie auch. Freilich hat sie ihren eigenen Kopf, weiß fast immer, was sie will. Bevor sie Ratschläge anderer annimmt, überlegt sie sich dies zweimal. Denn auch zum Munde redet sie den Leuten nicht. Richtig sauer wird sie nur, wenn man ihren Stolz verletzt oder sie für dumm verkauft.

Dieser Sonntag ist Hausputz-Tag. Für die Wohnung blieb unter der Woche keine Zeit. Seit sie die Boutique übernommen hat, bleibt so vieles liegen. Das Geschäft hat Vorrang. Alles Private kommt zu kurz. Gleich nach dem Frühstück hat der Staubsauger seinen Geist aufgegeben. Dann stieß sie mit dem Besen gegen das Waschbecken. Nun hat der Ablauf ein Leck. Der große Blumentopf auf der Fensterbank ist heruntergefallen. Dass das Eisen auf dem besten Wege war, ein Loch ins Bügelbrett zu brennen, hat Julia aber rechtzeitig verhindern können.

Zum Mittag gab's Fast Food aus der Frittenbude. 'Nicht gut für die Gesundheit', sagte sie sich zum tausendsten mal. Entschuldigte sich aber damit, dass ihr die Gesundheitsfanatiker auf den Geist gehen. Schuheputzen, Staubwischen, Wäsche zusammenlegen am Nachmittag.

Das Bad in der Holzbadewanne, das Julia dann nahm, war wohlig entspannend. Sie rief ihre Mutter an. Doch das Gespräch war kurz. Denn Julia fiel ein, dass sie sich fürs Neue Jahr vorgenommen hatte, nicht mehr in der Badewanne zu telefonieren. Als sie mit dem Schminken fertig war, schaute sie noch einmal keck in den Spiegel. Sie hob die linke Augenbraue und sagte laut: “Na, Sven, traust du dich mit mir so unter die Leute?”

Mit ihrem kleinen Sportwagen ist sie bald in der Innenstadt. Von weitem hört sie Böllerschüsse. Zuerst denkt sie an Silvester-Feuerwerk. Dann, als sie nur noch ein paar Steinwürfe vom Bahnhof entfernt anhält, duckt sie sich abrupt. Ein neuer Böller. Blitzschnell reagiert Julias Instinkt auf einen vermeintlichen Pistolenschuss, den man in ihre Richtung abgefeuert hätte.

Rot-weiß-rote Plastik-Bänder versperren den Weg zum Bahnhof. Die Dunkelheit setzt ein. Erst nach langer Suche findet Julia einen Parkplatz. Weit entfernt von ihrem Treffpunkt am Bahnhof. Jetzt fürchtet sie, dass sie zu spät kommt. Sie will Sven anrufen. Doch ihr Handy streikt. Die Batterie ist leer. An der Absperrung neben schwarz-uniformierten Polizisten wartet Julia dann eine lange Stunde. Inmitten von Schaulustigen. Julia ist in Gedanken bei ihren Papieren. Alle Argumente für und wider hat sie x mal durchgehechelt. Von Sven will sie keine langatmigen Pros und Cons, sondern ein klares “ja” hören.

Die Randale hinter dem Bahnhof kann Julia nicht sehen. Wohl aber die Polizeifahrzeuge, die quietschend halten und immer mehr Schwarz-Uniformierte ausspucken. Gepanzerte Fahrzeuge jagen an ihr vorbei, halten abrupt an Krankenwagen und Wasserwerfern, die als erste kamen. Bald will Julia die Hast und den Lärm nicht länger ertragen. Sie macht sich auf den Weg zurück zum Auto. Sie wird versuchen, ihren wichtigen Termin zu verschieben. Als sie den Wagen anlässt, fällt ihr ein, dass sie der Mutter versprochen hat, noch kurz bei ihr vorbeizukommen. Aus dem Automaten holt sie einen Blumenstrauß.

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