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Stolz darauf ein Hooligan zu sein

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Der Notarztwagen hat Andreas Wenger ins Krankenhaus gebracht. Nun liegt er im künstlichen Koma. Im Einzelzimmer unter einer sauberen, weißen Decke. Sein Kopf steckt unter einem dicken Verband. Der kahl rasierte Schädel ist nicht zu erkennen. Die schwarze Sonnenbrille, die er bei der Demo trug, ist auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben. Andreas Wenger hängt am Tropf. Der Mann ist übersät von Spuren der Gewalteinwirkung: gebrochen sind die Nase, der rechte Oberkiefer, drei Rippen, das linke Handgelenk, der rechte Unterarm und der rechte Fuß. Und wo bis vor kurzem zwei Schneidezähne waren, klafft ein großes Loch. Nicht genug damit. Auch das linke Auge ist lädiert. Ob er noch hören und riechen kann, wird sich erst später herausstellen. Die Ärzte werden ihn durchbringen. Aber Andreas Wenger wird wohl Zeit seines Lebens ein Krüppel bleiben.

Andreas ist von Beruf LKW-Fahrer. Sechzig und mehr Stunden pro Woche sitzt er hinter dem Lenkrad. Wenn er Arbeit hat. Denn das ist nicht sicher. Manchen Auftrag hat der Spediteur schon anders vergeben, weil sich der Kunde beschwerte, dass Andreas zu lange im Stau gesteckt hat. An den Zeit-Job und seine Tücken hat sich Andreas gewöhnen müssen. Auch an die schlaflosen Nächte auf überfüllten Autobahn-Parkplätzen und die entwürdigende Hygiene an der Strecke. Immer steht er unter Zeitdruck. Und damit der nächste Auftrag nicht wieder flöten geht, reicht er Bußgelder für Verkehrsübertretungen nicht weiter an den Chef, sondern zahlt sie lieber selbst. Wenn er gefragt wird, ob er verheiratet sei, antwortet er mit der stereotypen Gegenfrage: „Wie denn, bei diesem Beruf!?“

Andreas ist stolz darauf, ein Hooligan zu sein. Mit seinen Kumpels könne er sich prima besaufen, hat er freimütig erklärt. Bei der Bundeswehr ist er gern gewesen. Da war wenigstens 'action' in seinem Leben. Für Politik interessiert er sich nicht, hat er einmal beteuert. Es stört ihn, dass die Hooligans von Rechtsradikalen unterwandert würden. Über Facebook hat er von der Demo erfahren. Seinen Kumpels hat er erzählt, dass er unbedingt mitmischen wolle. Er macht sich Sorgen um sein Land. Demokratie, meint er, sei eine Utopie. Die Politiker und die gewissenlosen Banker – davon ist er überzeugt - steckten alle unter einer Decke. Die Regierung hätte den Kontakt zu den Bürgern verloren. Die Normal-Sterblichen würden immer nur klein gehalten, meint er. Ausländerfeindlich, iwo, das sei er nicht. In seinem Hooligan-Trupp sind auch ein Syrer und ein Tunesier. Und mit denen verstehe er sich gut. Dass Andreas politisch rechts steht, das ist ihm bisher nicht in den Sinn gekommen.

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