Читать книгу Tu was! - Klaus D. Schulz-Vobach - Страница 13
Kredite sind günstig
ОглавлениеNach dem Notar-Termin, der kurz und schmerzlos ablief, und bei dem sich Julias Mutter als eine mit allen Wassern gewaschene, gut informierte Kennerin in Sachen Immobilien erwies, treffen sich die Haus-Verkäufer, die künftige Eigentümerin und ihre Mutter im Café an der Ecke. Das Café liegt im Halbdunkel. Die meisten Tischchen stehen leer. Ein Ober mit weißer Schürze sammelt Krümel ein, die die letzten Gäste zurückgelassen haben. Kaum haben die Vertragspartner an einem Tischchen in der Nähe der Eingangstür Platz genommen, da erscheint völlig unerwartet im hellen Lodenmantel Julias Bruder Sven. Sven federt leicht beschwingt auf das Tischchen zu, gibt seiner Mutter einen verspäteten, flüchtigen Geburtstags-Kuss und umarmt seine Schwester. Sven ist drei Jahre jünger als Julia. Lange stand er im Schatten seiner zielstrebigen und erfolgreichen Schwester. Erst seitdem er zum Flugkapitän avancierte, fühlt er sich auf Augenhöhe mit ihr.
Den Kaufvertrag mit Alkohol begießen will keiner am Tisch. So bestellt Sven artig Wasser und Limonade. Die Verkäufer sagen, sie wollen innerhalb der nächsten vier Wochen ausziehen. Vereinbart wird dann aber nur, dass Julia jederzeit im neuen Haus willkommen sei - wenn sie sich rechtzeitig meldet, um einen Termin zu vereinbaren. Als Sven vorschlägt, dass Julia dann am besten gleich einen Schlüssel für das Garagentor bekommt, um noch vor dem Umzug einige Sachen unterzustellen, halten sich die Verkäufer allerdings bedeckt. Stattdessen schlagen sie vor, dass Julia einige Möbel übernehmen kann. Über den Preis werde man sich schon einig werden. Das Treffen dauert eine knappe halbe Stunde, und die Hausverkäufer verabschieden sich als erste.
Ohne Umschweife kommt Sven zur Sache.
"Ich freue mich wirklich, dass Ihr beide," Sven sieht zuerst seine Schwester und dann seine Mutter an, "dass ihr beide einen Ausweg gefunden habt."
Die Freude ist Sven anzusehen. Kleine Fältchen graben sich in seine Schläfen, den Mund hält er breit offen, die weißen Zähne freilegend.
"Du hast es geahnt, Julia. Und ehrlich gesagt: mit 50.000 kann ich derzeit nicht dienen. Vielleicht in einem halben Jahr. Aber das ist dir ja zu spät."
Sven legt eine Atempause ein, um den beiden Frauen deutlich zu machen, dass es durchaus noch andere Finanzierungsmöglichkeiten gibt.
"Du könntest freilich problemlos einen sehr günstigen Kredit aufnehmen. Oder ich könnte mir für dich Geld borgen. Aber da stehst du dir ja selbst im Wege. Deine Prinzipien über Bord werfen - das willst du ja nicht."
Die Mutter sieht, wie sich Julias Wangen röten. Unter der Tischdecke drückt sie kurz Julias Oberschenkel - und so bringt die Hauseigentümerin in spe nur ein karges "So?" über die Lippen.
Sven drückt den Rücken durch. Das macht ihn zum Größten am Tischchen. Von oben herab sagt er zu seiner Schwester: "Ich finde, deine Finanzierung ist ziemlich knapp kalkuliert. Wenn sich Probleme einstellen sollten, sagst du's mir?"
"Mach dir keine Gedanken", entgegnet die große Schwester. "Ich krieg' das schon hin." Und verschmitzt fügt sie hinzu: "Auch wenn ich keine 15.000 im Monat verdiene wie du."
Wieder empfindet die Mutter, dass sie schlichten muss, bevor gröbere Worte fallen. Unter dem Tisch berührt sie schnell das Knie von Sven. Der lacht und sagt:
"Zum Glück haben wir ja knallharte Gewerkschafter. Und die wissen, was uns Kapitänen gut tut."
Worauf Mutter und Tochter wie im Chor erwidern: "Halsabschneider".
"Und wie geht es dir, Sven?", fragt dann die Mutter. "Was machen Deine Schlafstörungen?"
"Und was macht dein Liebesleben?", wirft die große Schwester ein.
Sven überhört Julias Bemerkung.
"Mir geht es gut. Der Streik hat mir ein paar freie Tage gebracht. Hab' viel und lange geschlafen, war drei Mal im Fitness-Studio."
"Und wann geht's wieder los? Und wohin?"
Ich fliege übermorgen nach Nahost. Ich glaub', man will mich auf die Strecke nach Beirut schicken.
"Da ist wieder einiges los. Gewalt und Terror, wo man hinsieht. Pass bloß auf dich auf", sagt besorgt die Mutter.
"Mach ich, Mutter. Weißt du doch! Es wird schon nichts passieren."