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Drei Herzen
ОглавлениеDAS HERZ NIMMT EINE ZENTRALE STELLUNG EIN im feinen Spiel der vertikalen Immanenz und der horizontalen Bewegung des Lebens. Beide Dimensionen sind eins im Herzen des Menschen. Es ist das Herz, das den Menschen mit seinem Ursprung und mit der Welt, in der er lebt, verbindet. Ja, jeder Moment, der existiert, ist durchdrungen vom Leuchten des einen ungeteilten Ursprungs. Jede Zelle, jedes Atom, geworfen in Raum und Zeit, pulsiert im lebendigen, immanenten Puls von DEM.
Das Herz hat drei Dimensionen:
1.das physische Herz, das den Kreislauf erhält;
2.das energetische Herz, das feinstoffliche Herzzentrum;
3.das Herz des Herzens, das metaphysische Herz.
DAS PHYSISCHE HERZ
Das physische, materielle Herz auf der linken Seite des Brustkorbs ist ein genial konstruierter Pumpmuskel, der unseren Blutkreislauf gewährleistet. In der Medizin wird er auch nur in dieser Funktion verstanden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören in den westlichen Ländern mit hohen Lebensstandards zu den häufigsten Erkrankungen und Todesursachen. Der Herzinfarkt durch den Verschluss der Koronargefäße, die Herzmuskelschwäche durch Bluthochdruck oder Herzklappenerkrankungen sind Volkskrankheiten, die gravierend sind und nicht selten zum Tod führen. Auch wenn die meisten modernen Menschen das Herz als Muskel und Organ betrachten, so verbinden wir mit diesem Organ viel mehr als mit jedem anderen. Es ist fast so, als würden wir einen großen Teil unserer Identität mit dem Herzen verbinden. Sprechen wir von uns, deuten wir mit dem Finger auf unser Herz.
Herzkrank zu sein erleben wir als größere Bedrohung als fast jede andere Erkrankung. Seit Jahren gibt es eine Reihe von Untersuchungsergebnissen, die zeigen, dass die Herzmuskelzellen eine Vielzahl an Informationen über uns selbst, über Verhalten, Charakter, Erlebensweisen speichern, die zum Teil bei Herztransplantationen auf die Empfänger übertragen werden.9
DAS ENERGETISCHE HERZ
Die Energie des Schöpfungsimpulses, der uns erschafft, tritt durch das Energiezentrum des Beckenbodens in uns ein, verbindet sich von dort mit dem Energiezentrum des Herzens und stellt die Verbindung mit dem Scheitelzentrum, dem höchsten Punkt des Kopfes, her. Das Herz empfängt den lichtvollen Schöpfungsimpuls, der den ganzen Organismus durchströmt – jede Zelle, jede Faser, jeden Moment –, sowohl im Gesunden als auch im Krankheitsfall zur Heilung.
Im Herzen verbinden sich Himmel und Erde in unserer vertikalen Beziehung zum Urgrund mit der Horizontalen der ursprünglichen Bewegung des Lebens in Raum und Zeit.
Vom Herz-Zentrum aus speisen sich alle anderen Energiezentren des Organismus. Alle gemeinsam kreieren unsere Form und Gestalt – physisch, psychisch und spirituell. Das Herz empfängt kosmische Energie, Licht und Liebe und vernetzt sie mit allen Strukturen: Licht als das höchste schöpferische Potenzial, kosmische Energie als die subtile Kraft für Form und Gestalt im Sichtbaren und Unsichtbaren, und Liebe, die alles miteinander verbindet und in Beziehung setzt. So wird unser gesamter Organismus genährt und unterhalten.
Alle drei, Licht, kosmische Energie und Liebe, verbinden sich im Herzen und lassen sich dort wahrnehmen. Liebe, als das natürliche Gefühl des Herzens, kann fast jeder Mensch spontan im Herzen empfinden. Licht und kosmische Energie erfahren wir im Herzen, wenn wir lernen, in diese feine Sphäre hineinzuspüren.
Das Herz als zentrales Energiezentrum wirkt nach unten wie nach oben, steuert und energetisiert die entsprechenden Energiefelder und damit auch die physischen, energetischen, funktionellen, psychomentalen und geistigen Funktionen. Im Fadenkreuz der vertikalen und horizontalen Beziehung zwischen der Immanenz des schöpferischen Ursprungs und dem Leben selbst ist das Herz der große Verbinder und steht im Dienst liebender und hingebungsvoller Beziehungsmöglichkeit und Verbundenheit – zur Lebensquelle selbst wie auch zur erschaffenen Welt.
Es birgt in sich die Dimension der Begegnung von Mensch zu Mensch, von Patient zu Arzt, von Arzt zu Patientin. Es erschafft die liebende und heilende Beziehungsqualität als guten Boden für jede Art von Heilungsprozess – eine Qualität, die sich aus der Gegenwart des höchsten Seinsgrunds speist, das Fragmentierte zusammenführt, das Unerlöste löst, die heilenden Kräfte aktiviert und die Lebensenergie von Neuem ins Fließen bringt.
DAS HERZ DES HERZENS
Neben dem physischen und dem energetischen Herzen gibt es das »dritte Herz«, das Herz des Herzens oder auch das metaphysische Herz genannt. Es ist jenes Herz, das wir bisweilen als eine Sehnsucht erfahren, eine Sehnsucht nach etwas, das meist kaum benannt werden kann. »Da ist noch etwas, das fehlt.« Ein Gefühl, das fast jede und jeder kennt und das doch oft schwer einzuordnen ist. Denn diese Art der Sehnsucht lässt sich nicht dauerhaft stillen, indem wir das Verlangen nach alltäglichen Dingen befriedigen, nicht durch das Streben nach Wohlstand, Erlebnissen, Beziehungen oder Konsum. Es ist jenseits von dem, etwas haben zu wollen oder etwas sein zu wollen, weder materiell noch ideell. Denn selbst wenn dieses Etwas erreicht ist, bleibt letztlich das Sehnen weiterhin bestehen.
Das tiefste Sehnen richtet sich auf das ursprüngliche Bedürfnis, zu Hause zu sein, zu Hause anzukommen — in uns selbst, in der Welt, in der höchsten Instanz des Lebens. Es ist die Sehnsucht nach Zuhause, nach Zugehörigkeit, nach Ganzsein und Heilsein. Mit anderen Worten: Das Sehnen des Herzens ist eine spirituelle Sehnsucht. Eine Sehnsucht, die einen manchmal heftig überkommen kann und dennoch nicht immer konkret benennbar ist — wir erleben sie eher als ein Gefühl, dass uns etwas Essenzielles im Leben fehlt. Manchmal verwechseln wir die Sehnsucht mit Trauer, die einen immer wieder unbestimmt überkommen kann. Da ist es hilfreich, sich klar zu werden, aus welcher Quelle dieses Gefühl kommt. Sehnsucht ist der Ruf des Herzens nach dem Zuhause.
Das Herz des Herzens ist jener »Ort«, an dem sich der Mensch als eins erfährt mit dem Höchsten, dem Urgrund, in dem er oder sie das Eins- und Ungetrennt-Sein als Liebe zu DEM erlebt. Im metaphysischen Herzen – einem Bewusstseinszustand – sind die Begrenzungen des Ich – alle physischen, emotionalen und mentalen Strukturen – aufgehoben. Das Herzbewusstsein ist leer und in Kommunion mit dem Urgrund.
Die Erfahrung tiefster Verbundenheit und Einheit schwingt im Herz des Herzens – horizontal verbunden über die Energiefelder mit der Innen- und Außenwelt, und im leeren Bewusstseinsraum vertikal verbunden mit der einen Quelle selbst. Das Herz pflegt Beziehung – im Physischen wie im Metaphysischen. Steht das uns begrenzende Ich nicht im Weg und spüren wir diese essenzielle Verbundenheit mit allem, beginnt das Herz zu singen. In einem überbordenden Gefühl der Liebe zu seinem Schöpfer und zur gesamten Schöpfung. Was anderes als die Liebe könnte die Sprache des Herzens sein? Liebe, seine natürlichste Regung. Liebe, die uns mit allem verbindet.
Das untrennbare Einssein mit dem schöpferischen Urgrund ist das, was Leben ausmacht. Jeden einzelnen Moment besteht die essenzielle Verbindung in einem »Abwärtsströmen« von der Quelle in die Lebenswelt und einem »Aufwärtsströmen« von der Welt und dem Menschen zur Quelle zurück. Das Wort »Strömen« ist der Unzulänglichkeit der Sprache geschuldet, denn es ist eben eine zeitlose, immanente Verbundenheit oder Beziehung zwischen dem Urgrund und der Schöpfung. Ohne Urgrund keine Schöpfung, ohne Schöpfung kein Urgrund. In den Hadithen des Islam spricht Gott: »Ich war ein verborgener Schatz und sehnte mich danach, erkannt zu werden, deshalb erschuf ich die Welt.«10