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Die frühchristliche Zeit bis zur Konstantinischen Wende (311–313)

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Billigten aber Zeugnisse von außerhalb Roms der römischen Kirche seit dem 2. Jahrhundert einen Vorrang zu? Hier spielen insbesondere die Stellungnahmen des Kirchenvaters und Bischofs Irenäus (Eireneos) von Lyon († um 202), des frühchristlichen Schriftstellers Tertullian († nach 220) oder des Bischofs Cyprian von Karthago († 258) eine Rolle. Irenäus verwies unter anderem angesichts unterschiedlicher Glaubensrichtungen auf die Bedeutung einer apostolischen Nachfolge (Sukzession). Unter den Gemeinden mit apostolischem Ursprung wählte er Rom als prominentes Beispiel. Dabei unterstrich er neben der apostolischen Sukzession auch die zweifache Auszeichnung Roms durch Petrus und Paulus, bezeichnete Rom sogar als Ewige Stadt (Roma aeterna). Insgesamt profitierten die römischen Bischöfe von der Tatsache, dass die ihnen anvertraute Christengemeinde in der Reichshauptstadt angesiedelt war. Außerdem sollte der mit der Apostolizität verbundene Begriff cathedra, den später auch Bischof Cyprian von Karthago oder Tertullian verwendeten, langfristig zu einem wichtigen Argument für den Vorrang Roms werden. In ihrer Zeit verwiesen die verschiedenen Zeugnisse jedoch vor allem auf die Anerkennung eines gewissen Ehrenvorrangs innerhalb des Westens, der in der Regel nur bei aktuellen Anlässen evoziert wurde. Ein Lehr- oder Jurisdiktionsprimat, wie er später formuliert und durchgesetzt wurde, stand noch nicht zur Diskussion.

Wichtiger ist es deshalb zu skizzieren, wie sich die römische Gemeinde weiterentwickelte. Denn die bald gewonnene Anerkennung und die besondere Stellung Roms basierten auch auf der Prägekraft, welche die dortige Gemeindeorganisation und Liturgie entfalteten. Dabei ist gegenüber der christlichen Frühzeit eine Tendenz zu stärker hierarchischen und verfestigten Strukturen zu beobachten. Zu Zeiten des Papstes Cornelius (251–253) zählte die römische Gemeinde 1500 Witwen und Hilfsbedürftige, die zu versorgen waren. Daraus hat man eine Größe von insgesamt etwa 30.000 Mitgliedern errechnen wollen. Auch der Klerus, die kirchlichen Amtsträger, war zu dieser Zeit zahlreich: 46 Presbyter, sieben Diakone, sieben Subdiakone, 42 Akolythen, 52 Exorzisten, Lektoren und Ostiarier waren in hierarchischer Gliederung dem Bischof unterstellt, wie Cornelius nebenbei in einem Brief nach Antiochien (253) erwähnt haben soll.7

Der stadtrömische Klerus (griech. kleros = Los, das heißt von Gott durch Los Bestimmte) bildete sich seit dem 2. Jahrhundert als Gruppe heraus, die sich in verschiedene Ämter mit je unterschiedlichem Anteil an der kirchlichen (Weihe-)Gewalt ausdifferenzierte. Der Klerus setzte sich von den „Laien“ ab. An der Spitze stand der Episkop (griech. episkopein = Aufsicht führen, innehaben, abgeleitet: Bischof), der die Gottesdienste leitete und neue Mitglieder durch Taufe aufnahm. Die Treffen mehrerer Episkopen hießen Synoden (Zusammenkünfte). Die Aufgaben der Presbyter (Älteste, abgeleitet: Priester) sind in der Frühkirche nicht ganz sicher erkennbar. In Rom feierten sie an wichtigen Tagen mit dem Episkopen Gottesdienst und leiteten in ihren Teilgemeinden Eucharistiefeiern, bereiteten auch Katechumenen (Anwärter und im Glauben zu Unterweisende) auf die Taufe vor. Die Diakone (Läufer, Diener) übernahmen vom Bischof gestellte Aufgaben besonders in der Sozialfürsorge. Unterhalb dieser mit „höheren Weihen“ ausgestatteten Personen gab es weitere Weihegrade: Die Subdiakone halfen den Diakonen, Akolythen (Diener) schufen wohl die Verbindung zwischen Episkopen und Presbytern und dienten als Helfer der Presbyter, Exorzisten (Beschwörer) betrieben die Dämonenaustreibung, vor allem vor der Spendung der Taufe, Lektoren ([Vor-]Leser) lasen und sangen aus den jeweiligen Schriften in der Liturgie, Ostiarier (Türhüter) kontrollierten den Zugang zu den Kulträumen.

Die Größe der römischen Gemeinde und die Zahl der Amtsträger in einem noch weitgehend heidnisch dominierten Rom verweisen auf ausreichend bestehende materielle Grundlagen; entsprechend konnte die Christengemeinde bei Verfolgungen leicht geschädigt werden. Seit Kaiser Trajan (98–117) durften Christen allerdings nur noch verfolgt werden, wenn sie formell angeklagt und für schuldig befunden worden waren. Die allgemeine Zunahme an Christen verbreiterte das soziale Spektrum, besonders Frauen der Oberschicht gehörten bald in großer Zahl zur römischen Christengemeinschaft. Dies trug soziale Spannungen und Konflikte zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen in die Gemeinde: Calixt I. (217–222) sah sich zum Beispiel dem Widerstand des Presbyters Hippolyt gegenüber, als er alte Grundsätze teilweise neuen Gegebenheiten anpasste. Der Konflikt zwischen Calixt und dem später als Gegenpapst geltenden Hippolyt zeigt zugleich die Konkurrenz der entstehenden Klerikergruppen, denn Calixt stammte aus dem Kolleg der Diakone, Hippolyt war Presbyter.

War in diesem Fall ein interner Konflikt bereits deutlich greifb ar, so kam es in der Mitte des 3. Jahrhunderts zur Spaltung der Gemeinde (Schisma). Unter Kaiser Decius (249–251), der den Kaiserkult wieder stärken wollte, begann eine große Christenverfolgung (249–251). Manche Christen opferten unter Druck dem Kaiserbild, sie galten als lapsi (Gefallene). Wie diese trotz ihres Abfalls wieder in die Gemeinschaft zu integrieren waren, wurde auch in der römischen Gemeinde diskutiert. Der Pragmatismus des römischen Bischofs Cornelius stand den Positionen des Presbyters Novatian gegenüber, der bei der Bischofswahl unterlag, Gegenbischof wurde und die exklusive Gemeinschaft der Reinen (katharoi) anführte, die selbst über Rom hinaus Anhänger fand. Das situationsgebundene Handeln des Cornelius wurde für die römische Kirche zukunftsweisend; selbst nach einer wirklich bedrohlichen Verfolgungswelle unter Kaiser Valerian (253–260) wuchs die römische Gemeinde weiter, so dass die letzten großen Nachstellungen unter Diokletian und Galerius, die 302 einsetzten, sie nicht mehr ernsthaft gefährden konnten. Mithin führten die Ausbildung eines hierarchischen Systems von Amtsträgern, die Fixierung eines Kanons von heiligen Schriften und die zunehmend verfestigten kultischen Formen gemeinsamer Gemeindefeiern zu einer Verfestigung, die durch Anpassungsfähigkeit weiter gefördert wurde.

Der wachsende Grad an Organisation und Konsolidierung seit dem 3. Jahrhundert ist auch räumlich und liturgisch fassbar. Rom wurde entsprechend den Amtsbezirken der Diakone und Subdiakone in (sieben) Regionen eingeteilt. Außerdem erwarb die römische Gemeinde Zoemeterien (Friedhöfe und Grabanlagen) zur Bestattung und benutzte zunehmend feste Gebäude für ihre Gottesdienste. Neben den schon genannten Gedenkstätten für Petrus und Paulus ist die von Calixt I. erworbene Katakombe zu nennen, wo eine noch heute zu besichtigende Gruft für die römischen Bischöfe angelegt wurde. Weitere Festlegungen erfolgten in der Liturgie: Im feststehenden Teil der Messe (Kanon) wurde an die Vorgängerbischöfe aus schweren Zeiten, an Cornelius und Sixtus, erinnert. Es ist aufschlussreich, dass erst im 6. und 7. Jahrhundert weitere Namen hinzugefügt wurden. Allerdings dürfte das Doppelfest des Petrus und des Paulus mit dem Datum des 29. Juni schon im 3. Jahrhundert festgelegt worden sein. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten sicheren Aufzeichnungen zur römischen Gemeinde, weil von nun an Listen mit Antritts- und Todesdatum der römischen Bischöfe geführt wurden (erstmals 235).

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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