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Die Durchsetzung römischer Ansprüche

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Obwohl also die Bischöfe von Rom im 4. und 5. Jahrhundert – und insbesondere Leo I. – aufgrund ihrer übergreifenden Ansprüche schon als Päpste bezeichnet werden können, bleibt nach dem Blick auf die Konzilien des Ostens die Frage, auf welche Resonanz oder Akzeptanz diese Forderungen im Westen außerhalb Roms stießen. Damit sind im Wesentlichen Gebiete wie Italien, (Süd-)Gallien, Spanien, Afrika und das Illyricum (Teile des Balkans) gemeint, die zum Römischen Reich gehörten oder gehört hatten.

Über Leo I., der seine juristische Vorrangstellung gegen den Erzbischof Hilarius von Arles (429–449) durchzusetzen versuchte, berichtet eine spätere Legende, die seit dem 11. Jahrhundert fassbar ist, eine amüsante Geschichte. Dem hochmütigen Leo wird darin ein vorzeitiger Tod zuteil, während Hilarius an seiner statt auf einem wunderbar erhöhten Sitz Platz nehmen kann:

Zu den Zeiten war Leo Papst, der […] rief alle Bischöfe zusammen zu einem Concil, und Hilarius kam auch dazu, ob er gleich nicht geladen war. Da er [Hilarius] nun in den Saal trat, sprach zu ihm der Papst ‚Du bist Hilarius […] von Gallien, so bin ich Leo, des apostolischen Stuhles Herr und Richter‘. Antwortete Hilarius: ‚Wiewohl du Leo heißest, so bist du doch nicht der Löwe vom Stamme Juda, und wiewohl du zu Gericht sitzest, so sitzest du doch nicht auf dem Stuhl der Gerechtigkeit‘. Da stund der Papst mit Grimm auf und sprach: ‚Wart ein wenig, bis ich wiederkomme […]‘. Sprach Hilarius: ‚So du nicht wiederkommst, wer soll mir für dich antworten?‘ Sprach der Papst: ‚Ich werde alsbald wiederkommen und deine Hoffahrt demütigen‘. Also ging der Papst an einen heimlichen Ort, daß er die Notdurft der Natur verrichte; da fuhr in ihn die rote Ruhr und ging ihm all sein Eingeweide zum Leibe heraus; also starb er eines jähen Todes an einer schmählichen Statt.27

Die in die im späteren Mittelalter weit verbreitete „Goldene Legende“ aufgenommene Geschichte unterstreicht damit – unabhängig vom Wahrheitsgehalt –, dass die Versuche zur Durchsetzung eines päpstlichen Führungsanspruches gegenüber Bischöfen und Erzbischöfen auch im Westen starken Widerstand hervorrufen konnten. Insofern mag die römische Überlieferung ein falsches oder verzerrtes Bild vermitteln, weil sie zur Frühzeit vor allem Texte zu den (später aufgegriffenen) Ansprüchen aufb ewahrt hat. In Illyrien, Gallien, Spanien, Norditalien und Nordafrika zeitigten die römischen Ansprüche wenig Erfolge, auch deshalb weil hier starke eigenständige Traditionen bestanden. Am ehesten waren Einflussmöglichkeiten in Mittel- und Süditalien (Italia suburbicaria) gegeben. Daneben sind gewisse kurzfristige Erfolge im Süden Galliens und in Illyrien unter Leo I. zu verzeichnen. Die zuweilen bei den Auseinandersetzungen mit Afrika im Streit um den Pelagianismus, eine nach Pelagius benannte und von Rom bekämpfe Lehre christlicher Anthropologie, wohl von Augustin verwendete Formel „die Sache ist beendet“ (causa finita est) haben wohl erst spätere Apologeten verdreht und Augustin sagen lassen: Rom hat gesprochen, die Sache ist beendet (Roma locuta, causa finita).28

Eine dauernde Aufsicht oder gar Jurisdiktion erreichte Rom bis ins 5. Jahrhundert nirgendwo. Dennoch waren die gelegentlichen Versuche der Päpste von Bedeutung, weil die zugehörigen Schriftstücke gesammelt wurden und später in historisch günstigeren Situationen genutzt werden konnten. Wegen dieser Versuche und den weiterreichenden Ansprüchen scheint mit dem Pontifikat Leos I. ein wichtiger Einschnitt erreicht worden zu sein.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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