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9 Vorbereitungen für den Wechsel
ОглавлениеSt. Louis, Mai 2007
Am Morgen nach dem Gespräch mit Ming Li begann ich mit den Vorbereitungen für mein neues Leben. Um den finanziellen Motor meiner Unternehmungen auf Touren zu bringen, brauchte ich Approbationen für meine Reiseziele. Vereinfachend war, dass die Gegenden, die ich anvisierte, europäisches Staatsgebiet oder europäische Überseeterritorien waren und ich als EU–Bürger dort einen Arztjob ausüben konnte. Als rechercheintensiv stellte sich heraus, die tatsächlich für die Homologierung von Approbationen zuständigen Ämter und geltenden Bestimmungen zu ermitteln. Letztlich bekam ich alles zusammen. Erforderlich für den Antrag waren lediglich drei bis vier Dokumente:
(i) Eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises,
(ii) eine beglaubigte Kopie der Approbationsurkunde,
(iii) eine beglaubigte Kopie der Ärztlichen Prüfung, und
(iv) im Bedarfsfall eine beglaubigte Kopie der Facharzturkunde plus zertifizierte Übersetzungen sämtlicher Dokumente in der jeweiligen Landessprache.
Ich erfuhr auch, dass die Homologierungen je nach Land zwischen einem halben und einem Jahr benötigten, was bedeutete, dass ich sie erst lange nach meiner Abreise aus St. Louis erhalten würde (die Unterlagen zur Antragsstellung hatte ich erst in der zweiten Junihälfte verschicken können). Dieses Timing missfiel mir, denn monatelang ohne Einkünfte auf die Homologierungen zu warten, hätte meine Reserven in der Schweiz überstrapaziert. Meinen Aufenthalt in den Staaten mochte ich allerdings nicht verlängern, weil ich so ein falsches Signal an Ming Li gesendet hätte. Sie fragte mich ohnehin täglich mindestens zweimal, ob ich mir das Ganze nicht doch noch mal anders überlegen wolle.
Auch in diesem Kontext kam mir Bruder Zufall zu Hilfe: Ende Juni fand ich ein überraschendes Angebot in meiner E–Mail, von einer psychiatrischen Klinik in Oeding bei Bocholt. Der Personalleiter der Klinik fragte, ob ich noch immer an einer Assistenzarztstelle im Hause interessiert sei. Ich wusste zuerst gar nicht, wie ich die Mail einordnen sollte. Dann erinnerte ich mich, dass ich in der Tat ein Vorstellungsgespräch in einem Oeding gehabt hatte. Das Gespräch war eines der Interviews gewesen, zu denen ich im September 2003 – bei der Stellensuche im Rahmen meiner damaligen „Re(–Re?)–Immigrationspläne“ (siehe Band II: „History of Marriage, das letzte Ehejahr“) – eingeladen worden war. In Oeding hatte man mir seinerzeit abgesagt.
Der Ort stand nicht auf der Liste meiner Reiseziele. Die Sache wäre jedoch keine schlechte Zwischenlösung für die Zeit gewesen, in der ich auf meine Homologierungen zu warten hatte. Ich könnte so meine Reserven nicht nur schonen, sondern sogar päppeln, und hätte die Möglichkeit, Erfahrungen als praktizierender Arzt zu sammeln, was ebenfalls nicht schlecht gewesen wäre für meine bevorstehende Reise. Ich entschloss mich noch am gleichen Tag, auf das Angebot einzugehen.
Die Angelegenheit war unkonventionell per E–Mail zu erledigen. Und nach wenigen Tage hielt ich meinen Arbeitsvertrag in Händen. Für meinen Stellenantritt hatten wir uns auf den 5. November 2007 geeinigt. So konnte ich im Oktober einen Monat Urlaub auf meinem Boot machen. Dies war mir wichtig.
Ich erzählte Ming Li sofort von dem Vertrag, hoffend, sie würde mich endlich mit ihrer nervigen Fragerei verschonen, ob ich mir die Sache mit meinem Weggang nicht doch noch einmal anders überlegen wolle. Und wieder erfüllte Ming Li meine Hoffnung nicht, was wahrscheinlich auch daran lag, dass ich mit der Etablierung des experimentellen Modells zügig und erfolgreich vorangekommen war:
Schon Ende Juni hatte ich das unmöglich Erscheinende geschafft und begonnen, Ming Li und Mu in die Anwendung des neuen Modells einzuweisen. Ming Li war begeistert und felsenfest davon überzeugt, dass das Modell eine wissenschaftliche „Goldgrube“ für die nächsten Jahre darstelle. Die Sache jetzt anderen zu überlassen, sei eigentlich dumm von mir.
Aus der Perspektive eines Forschers war diese Einschätzung korrekt. Aber diese Perspektive hatte keine Relevanz mehr für mich. Ein letztes wissenschaftliches Erfölgchen gehabt zu haben, fand ich gut (schöne Abgangsnote sozusagen). Doch die sich aus ihm potentiell ergebenden Konsequenzen ließen mich kalt. Offenbar konnten berufliche Aspekte meines alten Lebens nicht mehr in mein neues interferieren (hatte ich damals allen Ernstes gedacht! [hier hat sich wieder der „reife“ Jakob gemeldet]). Andere Aspekte indes hatten dieses Potential noch, wenn auch nicht in einer Weise, die Zweifel an meinem angepeilten Lebensweg hätte aufkommen lassen: