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2 „Ready to go“

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Um vier Uhr in der Frühe wachte ich auf. Der Jetlag hatte mich! Ich ging in die Küche, bereitete mir einen Kaffee und begann, den Strahlenschutzantrag zu schreiben.

Just, als dieser fertig war, öffnete sich die Küchentür und Ming Li kam auf mich zu geschlurft. Es war halb acht. Ich speicherte den Text ab und mailte ihn ihr. Sie wolle am Mittag darüber schauen, meinte sie, und stellte, sich die Brille den zuckenden Nasenrücken hinaufschiebend, die Kaffeedose zurück in den Hängeschrank.

An diesem Tag, einem Freitag, war bloß Schnickschnack zu erledigen. Ich musste mich bei Ming Lis Head of Department vorstellen, mich registrieren, einen Batch bekommen und einige Formulare ausfüllen. Danach wurde ich Ming Lis Mitarbeitern vorgestellt. Mu, eine schnuckelige, etwa vierzig Zentimeter große Kambodschanerin (die Größenangabe war natürlich ein Witz, aber klein war sie, Mu), kannte ich noch aus meiner Zeit in Austin. Mu hatte damals mein Labor besucht, um eine (Labor–)Technik zu erlernen. Die anderen Kollegen sah ich zum ersten Mal. (Ming Li war für einen hohen „Mitarbeiterdurchsatz“ berüchtigt. Sie hatte den Hang, Personal wie Zitrusfrüchte auszupressen. Den meisten bekam dies nicht so gut, sodass sich Ming Li ständig frischen Obstes erfreuen konnte.)

Vorstellung und Formalitäten waren schnell erledigt. Also konnte Ming Li mir flugs die Gentechniklabore, die Tierversuchsanlagen, die Mikroskopräume und das von den Faculties des Departments gemeinsam genutzte Histologielabor zeigen. Schließlich wurde mir ein Fensterplatz in einem Großraumbüro zugewiesen. Ich saß da mit sechs anderen Mitarbeitern. Alles Damen. Das ging. Aber mein Büro mit anderen teilen zu müssen, war ungewohnt für mich. So war offenbar der Lauf der Dinge. Sollte nicht weiter wesentlich sein. Mir ging es ja darum, wieder in die Forschung zu kommen.

Das Wochenende verlief nicht weniger effizient als mein Einführungstag an der Uni. Am Samstag schaute ich mich mit George und Ming Li nach einem Apartment um. Eines sagte mir zu, besonders vom Preis her. Außerdem lag es nur zwei Blöcke von Mus Wohnung entfernt. So konnte ich, solange ich keinen Wagen hatte, mit Mu auf die Arbeit fahren. Besser konnte es für den Anfang nicht kommen, sodass ich noch an diesem Samstag in den Deal einschlug.

Am Sonntag waren George, Ming Li und ich unterwegs, um mich mit dem Nötigsten einzudecken: Einem neuen Laptop, einem Schreib–/Esstisch, einem Stuhl, Nahrungsmitteln und diversen Gebrauchsutensilien. Ein meinen Vorstellungen entsprechendes Bett fand ich nicht. Ming Li bot mir an, mir Matratze und Bettzeug zu leihen, bis ich etwas Passendes gefunden hätte. Ich nahm die Offerte dankend an. Am Sonntagabend war alles erledigt. Ich zog in mein Apartment ein. Jetzt benötigte ich nur noch ein Auto.

Tags darauf fuhr ich mit Mu zur Arbeit. Mu war lustig. Sie redete entweder gar nicht oder es sprudelte ohne Unterbrechungen und Atempausen aus ihr heraus. Sie musste Kiemen haben! Anders war nicht zu erklären, wie sie – wenn sie eine ihrer Sprechattacken hatte – in diesem unfassbaren Tempo, ohne auch nur ein einziges Mal Luft zu holen, reden konnte. An diesem Morgen redete Mu. Sie erläuterte mir den Gebrauchtwagenmarkt von St. Louis und hob hierbei sämtliche Punkte hervor, die beim Kauf eines Gebrauchtwagens zu beachten seien. Sämtliche! Mus parallel dargebotenen Vortragsreihen konnte ich die Adresse eines Internetportals, das wirklich ideal sei, wenn man einen billigen Wagen, der nicht allzu lange halten müsse, suche, was für mich in meiner momentanen Situation eine vielleicht gar nicht einmal so schlechte Option sei, entnehmen. Ich hatte vor, mir den Wagen von dem Bargeld zu kaufen, das ich von der Reise mit meiner Smuk übrigbehalten hatte. Meine in der Zwischenzeit doch reduzierten Reserven in der Schweiz wollte ich nicht noch weiter strapazieren. Ich wusste nicht, was käme, und wollte flexibel bleiben. Mehr als zweitausend Dollar plante ich nicht für einen Wagen auszugeben.

Mu lieh mir ihren „Toyota“ für meine „Car–Hunt“. Ich musste nicht lange jagen. Schon am Dienstagvormittag hatte ich „mein Gefährt“ getroffen: Es war ein ehemaliges Polizeiauto, ein alter „Ford Crown Victoria“ mit einem acht Zylinder vierhundert PS „Interceptor“ Motor. Der Wagen wurde günstig von einer Security Firma angeboten. Der Eigentümer des Unternehmens erklärte mir, die Geschäfte liefen im Augenblick nicht so toll. Er müsse die Schüssel verkaufen, um seiner einzig verbliebenen Angestellten das nächste Gehalt zahlen zu können. Vierzehnhundert Dollar wolle er für den Wagen. Passte also.

Der Firmenbesitzer, Harry, war ein richtiger Bulle. Zwei Meter groß, stämmig–muskulös, dicker Bauch, Stiernacken und kahlgeschorener Kopf. Harrys Arme waren mit Tattoos übersäht. „‘Love Mom“ unter einem Totenkopf ist mir am lebhaftesten in Erinnerung geblieben. Harry war kein Freund großer Worte. Der Verkauf des Wagens war ohne Zeremonie in wenigen Momenten geregelt. Diese Art sagte mir zu. Harry lud mich in sein Office, eine mit Kartons und allerlei Unrat zugemüllte Halde, zu einem „Corona“ ein. Er bot mir einen Platz an, setzte sich hinter den Schreibtisch (ein schweres Holzfurnierteil, wenn ich das richtig erkannt habe, bei dem ganzen Gerümpel), und prostete mir zu. Wir stießen miteinander an.

Entspannt legte Harry seine Füße auf einen Haufen Dokumente und erzählte von seiner Frau und zahlungsunwilligen Kunden. Ich pflichtete ihm bei, dass die Zeiten schwer seien. Unvermittelt griff er in seine Schreibtischschublade und knallte einige Schnappmesser und Schlagringe vor mir auf eine Kiste. Ich sei ein guter Junge und dürfe mir was aussuchen. Er wolle es mir schenken. Ich beäugte die Messer und nahm mir eines. Konnte nichts schaden, ein Messer zu haben. Harry gab mir seine Visitenkarte und meinte augenzwinkernd, wenn ich mehr „Stuff“ brauchte, solle ich mich melden. Er könne mir alles besorgen. Wirklich alles! Ich bedankte mich, sagte Harry, dass ich den Wagen später abholen würde, und fuhr zurück auf die Arbeit.

Mu brachte mich in der Mittagspause wieder zu Harry, der mir erklärte, ich solle möglichst bald ins „Drivers and Licence Plate Department“ fahren, um den Wagen umzumelden. Bei der Gelegenheit könne ich meinen texanischen Führerschein in eine „Missouri Drivers Licence“ umtauschen.

Am nächsten Tag meldeten wir den Wagen um. Auf dem Department offenbarte man mir, ich müsse einen neuen Führerschein machen. Meine Frage, ob ich ihn gleich machen könne, wurde bejaht, und am späten Nachmittag hatte ich eine neue Drivers Licence. Noch am Abend mailte ich einem Versicherer die unterschriebene Police für den Wagen zu und am folgenden Morgen war alles erledigt. Ich war „ready to go“.

Die Methode Cortés

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