Читать книгу Das Virus in uns - Kurt Langbein - Страница 4
DAS VIRUS IN UNS Vorwort
ОглавлениеGesundheitsthemen stehen seit Jahrzehnten im Mittelpunkt unserer Arbeit als Journalisten. Das Wissen um Krankheit und Gesundheit hat sich enorm erweitert. Heute ist klar, dass nicht die Gene allein, sondern durch unser soziales Zusammenleben und unsere Umwelt geprägte epigenetische Faktoren darüber entscheiden, ob wir krank und auch wieder gesund werden. Und wir wissen eine Menge über die Ursachen der großen Killer der Menschheit wie Herzinfarkt, Krebs, Schlaganfall und Diabetes, im Globalen Süden auch Malaria.
Aber an den Ursachen – meist sind es Lebensumstände im weitesten Sinn – hat sich wenig zum Guten verändert. Oft haben wir uns gewünscht, dass die Regierungen konsequent auf diese Erkenntnisse reagieren, dem weisen Spruch des bedeutenden Mediziners Rudolf Virchow folgend: »Politik ist nichts weiter als Medizin im Großen.«
Beim SARS-Coronavirus 2 hat die Politik reagiert wie nie zuvor. Gegen die eigenen Maximen der freien Marktwirtschaft wurde alles stillgelegt, gegen die Grundsätze der Verfassungen wurden fast alle Bürgerrechte aufgehoben. Das hat wirtschaftliche, soziale und auch gesundheitliche Folgen, deren Ausmaß wir gerade erst zu erahnen beginnen.
War die Reaktion der meisten Regierungen auf das neue Virus zumindest gute Medizin im Großen? Es ist nicht erkennbar, dass diese Lockdowns viele Leben gerettet hätten – Belgien, Spanien, Italien gehörten zu den ersten Ländern, die alles und alle sehr früh und mit großer Konsequenz blockierten, und diese Länder beklagen dennoch mehr oder gleich viele Tote durch Covid-19 wie Schweden, das Wirtschaft, Kultur, Bildung und Zusammenleben weitgehend offen hielt. Umgekehrt haben Länder wie Südkorea oder Taiwan ohne Lockdown wenige Infizierte und Tote zu beklagen, ähnlich wie Österreich, Deutschland oder Norwegen mit Lockdown.
Es waren überwiegend andere Umstände, die die Schwere der Erkrankungen beeinflussten. Denen sind wir nachgegangen und davon werden wir im Folgenden erzählen.
Noch wichtiger ist uns allerdings, zum Verständnis beizutragen, welch wichtige und positive Rolle Viren in allem Leben spielen. Die Koexistenz zwischen Viren und Zellen ist der Motor der Evolution und hat auch uns hervorgebracht. Doch wir stören diese Koexistenz so tiefgreifend, dass Pandemien unausweichlich werden. Das zu verstehen bringt ein neues Denken hervor: Statt Viren zu jagen, können wir ergründen, was zu tun ist, um den Übergang einzelner Mikroben auf den Menschen zu verhindern. Wenn diesen Erkenntnissen auch Taten folgen, würde das die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen ebenso erhalten wie die Eindämmung der Klimakatastrophe.
Immerhin: Die Politik hat bewiesen, dass sie handlungsfähig ist – auch gegen massive ökonomische Zwänge.
Wien, im August 2020
Kurt Langbein, Elisabeth Tschachler