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5. Die ungeschriebene allgemeine Beweislastregel

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Im Zivilprozess muss jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnormen beweisen, deren Rechtsfolgen sie geltend macht[33]. Falsch ist der Satz, jede Partei müsse ihre Behauptungen beweisen, denn die Beweislast richtet sich nicht danach, was einer behauptet, sondern danach, was einer von Rechts wegen behaupten muss, wenn er Recht bekommen will. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, der sich noch nicht überall herumgesprochen hat.

Das Zivilrecht regelt subjektive Rechte. Jeder Zivilprozess ist ein Streit um subjektive Rechte. Das Zivilrecht regelt indes nie den gegenwärtigen Bestand eines Rechts, sondern immer nur, wie es entsteht, ausnahmsweise nicht entsteht, erlischt oder gehemmt wird. Deshalb gibt es auch keine Beweislast dafür, dass ein Recht gegenwärtig bestehe. Beweisen kann man nur, dass das Recht früher einmal entstanden ist, ausnahmsweise nicht entstanden, erloschen oder gehemmt ist[34]. Daraus folgt:

Wer ein subjektives Recht geltend macht, muss die rechtsbegründenden, wer sich gegen das Recht wehrt, die rechtshindernden, -vernichtenden und -hemmenden Tatsachen beweisen. Das ist die Grundregel der Beweislast[35].

Wer also einen Anspruch erhebt, muss die anspruchsbegründenden, wer den Anspruch bekämpft, die anspruchshindernden, -vernichtenden und -hemmenden Tatsachen beweisen[36]. Die Beweislast unterscheidet deshalb zwischen Anspruchsgrundlagen, die einen Anspruch entstehen lassen, und Gegennormen, die einen Anspruch ausschließen, zerstören oder hemmen.

Beispiel

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Bezahlung einer Bürgschaftssumme und legt dem Gericht einen unterschriebenen schriftlichen Bürgschaftsvertrag vor. Der Beklagte behauptet, seine Unterschrift sei gefälscht, er habe keine Bürgschaft übernommen. Der Kläger bestreitet es. Wer muss was beweisen: der Kläger die Echtheit oder der Beklagte die Fälschung der Vertragsunterschrift?

Die Antwort findet man im materiellen Recht. Wer einen Anspruch erhebt, muss die anspruchsbegründenden, der Anspruchsgegner die anspruchsfeindlichen Tatsachen beweisen. Anspruchsgrundlage ist hier § 765 I mit § 766 S. 1, Anspruchsvoraussetzung, neben einer Hauptschuld, die schriftliche Erteilung der vereinbarten Bürgschaftserklärung. Also muss der Kläger beweisen, dass der Beklagte seine Bürgschaftserklärung eigenhändig unterschrieben und dem Kläger erteilt habe (BGH NJW 95, 1683). Der Beklagte muss nichts beweisen, denn sein „Fälschungseinwand“ ist, der Bezeichnung zum Trotz, keine anspruchshindernde Einwendung, sondern nur ein Bestreiten der Echtheit seiner Unterschrift. Auch das Beweisrecht belastet den Kläger mit dem Beweis der Echtheit, weil nach §§ 416, 439, 440 ZPO nur eine unstreitig oder nachweislich echte Privaturkunde beweiskräftig ist und der Kläger ohne eine echte Bürgschaftsurkunde den Prozess nicht gewinnen kann.

Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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