Читать книгу Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer - Страница 72
3.3 Die rechtliche Struktur des Kaufvertrags
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Wie kein anderes Rechtsgeschäft verkörpert der Kaufvertrag das System und den rechtlichen Zusammenhang der ersten drei Bücher des BGB, denn er ist nicht nur ein Vertragstyp des besonderen Schuldrechts nach §§ 433 ff., sondern auch ein Verpflichtungsvertrag des allgemeinen Schuldrechts nach § 311 ff., und er ist schließlich ein Rechtsgeschäft und ein Vertrag des Allgemeinen Teils des BGB nach §§ 104 ff., 145 ff.
Auf dem Weg vom Kaufvertrag über den Verpflichtungsvertrag zum Rechtsgeschäft und Vertrag werden die Rechtsbegriffe zunehmend blasser und es wächst der Grad der begrifflichen Abstraktion. Dem Juristen, der in der Praxis steht, ist dieser Denkweg vorgegeben, denn lex specialis derogat legi generali: Das besondere Gesetz verdrängt, soweit es reicht, das allgemeine Gesetz.
Der harte Kern des Kaufvertrags besteht nach § 433 aus der vertraglichen Einigung über Ware und Preis und begründet Ansprüche auf Übereignung der Kaufsache und auf Kaufpreiszahlung.
Als schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag begründet der Kauf ein vertragliches Schuldverhältnis (§ 311 I) zwischen Verkäufer und Käufer mit Verpflichtungen und Forderungen (§ 241 I), die es zu erfüllen gilt (§ 362 I); erfüllt aber werden sie durch dingliche Verfügungen (§§ 873, 925, 929).
Der Kauf ist der Urtyp des gegenseitigen Vertrags (§§ 320 ff.), der stets ein Verpflichtungsvertrag ist. Der Kaufpreis ist die Gegenleistung für die Ware und die Ware für den Kaufpreis. Jede Leistung wird der Gegenleistung wegen versprochen und geschuldet (do, ut des). Der Parteiwille verknüpft die beiderseitigen Verpflichtungen derart eng miteinander, dass sie rechtlich miteinander stehen und fallen (RN 1418)[13]. Keine Hauptpflicht in diesem Sinne ist in der Regel die Abnahmepflicht des Käufers nach § 433 II[14], es sei denn, der Verkäufer lege ersichtlich Wert darauf, die Kaufsache loszuwerden[15].
Zustande kommt der Kaufvertrag durch die Annahme eines Angebots (§§ 145 ff.)[16], zwei Willenserklärungen (§§ 116 ff.), die ein Rechtsgeschäft bilden (§§ 104 ff.). So schließt sich der Kreis vom Kaufvertrag über den Verpflichtungsvertrag zum Vertrag und zurück zum Kaufvertrag.
Viele Kaufverträge sind vorformuliert und an den §§ 305 ff. zu messen[17].
Auch der Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474-479 (RN 132 ff.) und der Fernabsatzvertrag über Waren nach § 312c (RN 1877) kommen durch einen Kaufvertrag zustande; dann aber schützen spezielle Vorschriften den Verbraucher vor dem geldgierigen Unternehmer.
Es gibt nur einen privatrechtlichen Kauf, auch die öffentliche Hand kauft und verkauft nach den §§ 433 ff.[18].