Читать книгу Die letzte Mission - Kyle Mills - Страница 12
ACHT
ОглавлениеFade fiel es schwer, das Gefühl der Verwirrung abzuschütteln, das sich in seinem Hinterkopf festgesetzt hatte. Es war in etwa so, als würde einem jemand eine Waffe an den Kopf halten, abdrücken und feststellen, dass sie nicht geladen war. Als er vorhin auf den Dachboden seines Hauses geklettert war, hatte er das in der beruhigenden Gewissheit getan, die Nacht nicht zu überleben. Und jetzt fuhr er in Unterwäsche über den Highway, mit einer Frau auf dem Beifahrersitz, die ihn hatte töten wollen. Genauer gesagt kniete sie auf dem Boden, während ihr Gesicht auf dem Sitz lag und ihre gefesselten Hände unter dem Armaturenbrett steckten.
Er fuhr langsamer und starrte auf das Schild an einer Ausfahrt, während er sich zu erinnern versuchte. Dann riss er das Steuer herum und wechselte den Highway. Der schmale, ländliche Highway lag in tiefer Dunkelheit, die nur hin und wieder von einer einsamen Tankstelle oder einer kleinen Stadt unterbrochen wurde. Nachdem er dreimal falsch abgebogen war, fand er das alte Industriegebiet, nach dem er gesucht hatte, und fuhr an schmutzigen, zum Teil leer stehenden Gebäuden vorbei.
Die Frau neben ihm erstarrte, als er den Wagen anhielt, den Arm über ihren Rücken ausstreckte und das Handschuhfach öffnete, um einen Garagenöffner herauszuholen. Er hatte ihn seit fast fünf Jahren nicht mehr benutzt und glaubte eigentlich nicht, dass er noch funktionierte, doch als er auf den Knopf drückte, schob sich das verrostete Metalltor laut kreischend in die Höhe. Heute war sein Glückstag.
Er fuhr hinein und drückte wieder auf den Knopf, um das Tor hinter sich zu schließen. Es war der einzige Eingang in diesen Teil des Gebäudes – ein langes, niedriges Lagerhaus, das in mehrere Bereiche aufgeteilt worden war, mit den gleichen Ziegeln, die man auch schon für die bröckelnde Außenmauer verwendet hatte. Die Wohnung, die er nach seiner Rückkehr aus Kolumbien mit Bargeld gekauft hatte, bestand aus drei fensterlosen Räumen: der Betonfläche, auf der das Auto parkte, einem kleinen Wohnbereich und einem Schlafzimmer, das lediglich mit einem großen Safe und einer Matratze möbliert war. Außerdem gab es ein winziges Badezimmer und einen großen Wandschrank, bei dem er sich nicht die Mühe des Ausräumens gemacht hatte.
»Wir sind zu Hause«, sagte er. Dann packte er die Frau wieder an ihrem Pferdeschwanz und zog sie durch die Beifahrertür aus dem Auto. Sie wehrte sich nicht, doch selbst bei dem schwachen Licht, das der Türöffner von sich gab, konnte er ihr ansehen, dass sie stocksauer war.
Er blieb dicht hinter ihr, während sie weitergingen. Mit der einen Hand hielt er ihr ihr eigenes Messer an die Kehle, mit der anderen öffnete er die Metalltür, die zu seinem provisorischen Wohnzimmer führte.
Als sie durch die Tür traten, hörte er in der Dunkelheit rechts von sich ein lautes Knacken. Er riss sie herum, um sie als Deckung zu benutzen, und griff nach dem Holster, das er an der Schulter trug. Bevor er die Waffe ziehen konnte, dröhnte eine blechern klingende Version von Don’t Worry, Be Happy durch den Raum.
Fade atmete aus und schaltete eine Lampe an der Decke an. Der Plastikfisch, den er gekauft hatte, um sich selbst zu veralbern, zuckte heftig hin und her, während das Lied abgespielt wurde. Die Überlegung war damals gewesen, dass sein Leben komplett im Eimer sein würde, wenn er jemals hierher zurückkehrte. Wie sich herausgestellt hatte, war das eine sehr treffende Einschätzung gewesen.
»Würden Sie mich bitte einen Moment entschuldigen?«, fragte er, während er um die Frau herumging und den Fisch von der Wand nahm. Er ließ ihn fallen und fing an, darauf herumzutreten. Der Fisch gab noch einige gurgelnde Töne des Liedes von sich, während die Plastikteile über den Betonboden rutschten. Trotz der leichten Schnitte und Kratzer, die das Plastik an seinen nackten Füßen hinterlassen hatte, fühlte er sich jetzt etwas besser.
Als er den Kopf hob, fiel ihm auf, dass die Frau ihn entgeistert anstarrte. Er nahm sich die Zeit, um sie sich etwas genauer anzusehen, und stellte fest, dass sie auffallend hübsch war. Wenn sie ihre Kampfstiefel auszog, mit denen sie auf fast ein Meter achtzig kam, war sie vermutlich genauso groß wie er. Der schwarze Kampfanzug, den sie trug, war ziemlich weit, ließ aber erahnen, dass darunter ein durchtrainierter Körper steckte. Kein Wunder, dass sie ihm fast den Arm abgerissen hätte. Das lange blonde Haar war für eine Frau mit ihrem Beruf etwas fehl am Platz, passte aber gut zu ihrem leicht kantigen Gesicht und der sonnenverbrannten Nase. Gesamteindruck? Beachvolleyballprofi. Oder Surferin. Oder vielleicht ...
»Und jetzt?«, fragte sie.
Fade überlegte kurz und fing an, in einem Karton herumzukramen, der neben der Spüle stand. Schließlich zog er eine Rolle Klebeband hervor.
»Tausendundeine Verwendungsmöglichkeiten«, sagte er, während er auf den einzigen Stuhl im Raum wies.
Sie starrte den Stuhl an, rührte sich aber nicht.
»Es sieht ganz so aus, als hätte ich alle Vorteile in der Hand. Jedenfalls fürs Erste«, meinte er, während er das Klebeband von seinem Zeigefinger baumeln ließ. Nachdem sie sich widerstrebend auf den Stuhl gesetzt hatte, befestigte er die Kette der Handschellen mit dem Klebeband an der Lehne und band ihre Knöchel auf die gleiche Weise an den Stuhlbeinen fest – wobei er höllisch aufpasste, dass sein Kopf nie in Reichweite ihrer Stiefel kam.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie ausreichend gesichert war, ging er ins Schlafzimmer und riss einen in der Ecke liegenden Müllsack auf. Zum Glück hatte er damals daran gedacht, Kleidung zum Wechseln und ein Paar Schuhe herzubringen, außerdem einige inzwischen steinharte Müsliriegel, etliche Packungen Fertiggerichte und die nötigsten Toilettenartikel. Es konnte überraschend schwierig sein, Kleidung zu kaufen, wenn man keine hatte. Kein Hemd, keine Schuhe, verlassen Sie bitte das Geschäft, hier werden Sie nicht bedient.
»Schon besser«, sagte er, während er wieder ins Wohnzimmer hinüberging und einen Tisch aus billigem Sperrholz vor den Stuhl mit der Frau schob. Trotz der üblen Zwangslage, in der sie gerade steckte, hielt sie sich erstaunlich gut. Ihre blauen Augen funkelten, und sie schien fieberhaft zu überlegen, was sie tun konnte. Allerdings hatte sie nicht sehr viele Möglichkeiten.
»Nette Wohnung«, sagte sie, als sie die Stille nicht mehr ertragen konnte.
Er setzte sich auf den Tisch. »Gefällt sie Ihnen? Ich hab sie gekauft, als ich in die Staaten zurückgekommen bin. Ich bin davon ausgegangen, dass die Kolumbianer irgendwann einmal ihre Meinung über mich ändern würden und ich dann fliehen müsste. Sie sind manchmal etwas sprunghaft. Aber dann hat sich Castel zur Ruhe gesetzt, und ich hatte niemanden am Leben gelassen, der sich mit mir anlegen wollte. Daher fing ich schon an zu denken, die Wohnung hier wäre reine Geldverschwendung. Bis Sie gekommen sind.«
»Sie ... Sie sollten sich stellen.«
Jetzt klang sie schon etwas unsicherer. Offenbar wurde ihr langsam klar, was vorhin passiert war und in welcher Lage sie sich befand. Wahrscheinlich war es gar nicht schlecht, wenn sie erst einmal eine Weile darüber nachdachte. Er riss einen etwa fünfzehn Zentimeter langen Streifen von der Rolle und klebte ihr damit den Mund zu. Dann ging er wieder ins Schlafzimmer. Der Safe war nichts Besonderes – er hatte ihn in einem ganz normalen Warenhaus gekauft, aber er war fest mit der Ziegelmauer dahinter verankert und massiv genug, um den durchschnittlichen Dieb abzuschrecken. Da auf dem Safe eine dicke Staubschicht lag, hatte wohl niemand die Herausforderung angenommen.
Fade rieb die Hände aneinander und nahm sich das Zahlenschloss vor. Nach dem vierten Versuch hatte er es geschafft. Er zog die schwere Tür auf. Auf den Regalen lagen ordentlich aufgereiht Waffen, Bargeld, falsche Papiere und andere Accessoires für den Flüchtling, der alles hatte.
Als Erstes holte er eine Schuhschachtel mit Dokumenten heraus, die von Gummibändern zusammengehalten wurden. Jedes Bündel enthielt einen Pass, einen Führerschein und mindestens zwei Kreditkarten. Der erste Pass, den er herauszog, war auf den Namen Mohammed Fasal ausgestellt und enthielt ein Foto von ihm, auf dem er einen langen Bart trug. Vor dem 11. September hätte ihm dieser Pass gute Dienste geleistet, doch jetzt war er leider das beste Mittel, um sich verdächtig zu machen. Der zweite Pass schien ihm für seine Zwecke besser geeignet zu sein, und er ließ ihn zusammen mit der Verkleidung, die er getragen hatte, als das Passfoto aufgenommen worden war, in eine Reisetasche fallen.
Die Frau im Nebenzimmer schien etwas ungeduldig zu werden – er konnte hören, wie der Stuhl vor- und zurückschaukelte, während sie versuchte, sich zu befreien. Als er den Kopf zur Tür hineinsteckte, hörte sie auf.
Nach zehn Minuten hatte er sich einen Überblick darüber verschafft, was sich alles im Safe befand, und füllte die Reisetasche mit dem, was er heute brauchen würde. Nachdem er die Tür geschlossen und das Schloss verstellt hatte, ging er ins Wohnzimmer hinüber und riss der Frau mit einem kräftigen Ruck das Klebeband vom Mund.
»Verdammt!«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eine Menge negativer Energie ausstrahlen?«
Offenbar wusste sie nicht so genau, wie sie darauf reagieren sollte, also starrte sie ihn nur schweigend an, während er sich wieder auf den Tisch setzte.
»Reden wir.«
»Machen Sie mich los. Dann können wir reden.«
Er grinste und schüttelte den Kopf.
»Sie haben doch vor einer Frau keine Angst, oder?«
»Ich habe guten Grund, Angst vor Frauen zu haben. Außerdem habe ich schon von Ihnen gehört.«
»Sie wissen gar nichts über mich.«
»Über Sie speziell nicht«, erwiderte Fade, während er lässig die Beine übereinander schlug. »Aber ich habe gehört, dass das Militär Spezialeinheiten mit Frauen ausbildet, die im Nahen Osten eingesetzt werden sollen. Ich dachte, es wäre nur ein Gerücht, weil es im Grunde genommen eine gute Idee ist. Schließlich machen wir uns keine Freunde damit, wenn wir Frauen in Afghanistan von christlichen Soldaten durchsuchen lassen. Das Programm ist wohl schon weiter, als ich gedacht habe.«
»Von was zum Teufel reden Sie da eigentlich?«
»Spezialeinheiten, Naher Osten, religiöse Unt...«
»Ich bin Polizeibeamtin!«
»Sind Sie nicht.«
»Warum sagen Sie mir nicht einfach, was Sie wollen? Dann kann ich Ihnen helfen, okay? Ich werde alles tun, damit es nicht noch schlimmer wird.«
»Inwiefern könnte es denn noch schlimmer werden?«
Mit gerunzelter Stirn dachte sie darüber nach. »Sie könnten mich töten.«
Fade zuckte mit den Achseln. »Aus Ihrer Sicht würde das die Situation natürlich verschlimmern. Was mich angeht, wäre es kein großer Unterschied.«
»Sie wollen das Ganze doch nicht noch schl...«
»Wie heißen Sie?«
»Wie bitte?«
»Sie haben doch gehört, was ich gesagt habe.«
»Karen.«
»Okay, Karen. Kommen wir zur Sache. Sie wollen das hier überleben, ich will alles über Strand wissen. Warum helfen wir uns nicht gegenseitig?«
»Was meinen Sie? Ich kenne keinen Strand.«
Fade runzelte die Stirn. »Haben Sie sich denn noch nicht umgeschaut? Wenn es einen guten Zeitpunkt zum Reden gibt, dann jetzt.«
»Hören Sie, ich weiß zwar nicht, was hier Ihrer Meinung nach vor sich geht, aber ...«
»Karen, Sie scheinen nicht dumm zu sein. Also hören Sie auf, sich dumm zu verhalten. Glauben Sie etwa, Strand würde sein Leben aufs Spiel setzen, um Sie zu schützen?«
Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum, soweit ihr das mit ihren Klebebandfesseln möglich war, und starrte auf den Boden vor ihren Füßen. Offenbar wusste sie nicht genau, wie sie weiter vorgehen sollte. Es dauerte fast dreißig Sekunden, bevor sie ihn wieder ansah.
»Vielleicht haben Sie ja Probleme ... Vielleicht haben Sie in Ihrer Zeit bei der Navy ja etwas gesehen, das Sie durcheinander gebracht hat. Vor Gericht wird das natürlich berücksichtigt werden. Ich kann Ihnen wirklich helfen.«
Fade musste lachen. »Vor Gericht?« Er sprang vom Tisch, packte sie wieder am Pferdeschwanz und riss ihren Kopf nach hinten. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Ich will Ihnen nicht wehtun, aber Strand will ich um jeden Preis haben, und um ihn zu kriegen, würde ich so einiges mit Ihnen anstellen. Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich von den Israelis in Verhörtechniken ausgebildet worden bin? Warum sagen Sie mir nicht einfach, wo er arbeitet, wo er wohnt und wie viel Einfluss er hat. Dann sehen wir weiter.«
»Ich weiß nicht ...«
Er riss ihren Kopf so weit zurück, dass er ihr ins Gesicht sehen konnte, und stellte fest, dass ihre Augen gar nicht blau waren. Das eine schon, aber das andere wirkte eher grün.
»Hier wird Sie niemand finden, Karen. Ich kann mit Ihnen machen, was ich will, und das ziemlich lange. Warum überspringen wir den unangenehmen Teil nicht einfach, und Sie sagen mir, was Sie wissen?«
Als er sie losließ, wäre es ihr um ein Haar gelungen, ihm in die Hand zu beißen. Sie hatte Mut, das musste er ihr lassen.
»Ich habe keine Ahnung, von was Sie da eigentlich faseln, Sie paranoider Scheißkerl! Warum halten Sie nicht einfach die Klappe und bringen mich um, so, wie Sie meine Männer umgebracht haben? Wir wissen doch beide, dass ich das hier nicht überleben werde.«
Er lehnte sich an den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sollten lernen, Ihr Temperament zu beherrschen, Karen. Sonst wird Sie das eines Tages noch mal in Schwierigkeiten bringen.«
Es war komplizierter, als er erwartet hatte. Das Klügste wäre gewesen, sie zu foltern und zu töten und Hillel Strand anschließend mit einem Löffel das Herz herauszuschneiden. Es traf zwar zu, dass er von den übergeschnappten Israelis ausgebildet worden war, aber von diesem Training hatte er kaum einmal Gebrauch gemacht. Und jetzt würde er mit Sicherheit nicht damit anfangen. Wenn er Farbe bekennen musste, hatte er eben Pech gehabt.
»Sie sind wirklich von der Polizei?«
»Verdammt noch mal! Ja! Ich weiß nicht, für wen Sie mich halten, aber ich schwöre bei Gott, dass ich nur Polizistin bin. Wir wollten Ihnen nichts tun. Wir sollten Sie nur festnehmen und vor den Richter bringen.«
Fade nickte nachdenklich. »Wenn auf dem Land in Virginia ein paar Polizisten erschossen werden, dürfte das Fernsehen wohl nicht lange auf sich warten lassen.«
Sie antwortete nicht. Er wies mit dem Daumen auf einen kleinen Schwarzweißfernseher, der auf dem Fußboden hinter ihm stand.
»Wenn Sie die Wahrheit sagen, müsste jetzt auf allen Kanälen über den Einsatz berichtet werden.«
Er musste zugeben, dass sie gut war. Ihr leicht ratlos wirkendes Achselzucken war perfekt. Wenn er lediglich die x-te Wiederholung einer Rateshow zu sehen bekam, würde sie eine ebenso gut einstudierte Entschuldigung parat haben.
Der alte Fernseher brauchte eine Weile, bis er angelaufen war, aber als das Bild kam, sah Fade seinen Vorgarten und die Überreste seines Hauses. Vor dem Absperrband der Polizei stand ein Reporter mit einem Mikrofon in der Hand.
»... scheinen in einen von Salam al Fayed gelegten Hinterhalt geraten zu sein. Uns liegen noch keine Informationen zum Haftbefehl vor, aber es wird spekuliert, dass er wegen terroristischer Aktivitäten gesucht wird ...«
Fade, der vor dem Fernseher in die Hocke gegangen war, fiel nach hinten und landete auf dem Hintern, während er wie gebannt auf den Bildschirm starrte. Als er weggefahren war, hatte er Sirenen gehört, aber er war davon ausgegangen, dass einer seiner Nachbarn wegen der Explosionen die Polizei gerufen hatte.
»Die Polizei hat bestätigt, dass bei dem Einsatz mehrere Beamte verletzt worden sind, aber zum jetzigen Zeitpunkt liegen uns noch keine genaueren Angaben vor. Wir konnten jedoch in Erfahrung bringen, dass die Leiterin des SWAT-Teams, Karen Manning, verschwunden ist.« Auf dem Bildschirm erschien ein Foto der Frau, die hinter ihm an einen Stuhl gefesselt war. »Sollte jemand etwas über ihren Verbleib wissen, wird er gebeten, sich sofort bei der Polizei zu melden ...«
Fade schaltete den Fernseher aus. Dann zog er die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. »Das gibt’s doch nicht«, sagte er, während er aufstand und bis zur Wand zurückwich. »Das gibt’s doch nicht ...«
Plötzlich fiel ihm ein, dass er in der Gesäßtasche ihres Kampfanzugs eine Brieftasche gespürt hatte. Er griff durch die Rückenlehne des Stuhls danach, während die Frau versuchte, ihm auszuweichen.
Ihr Führerschein steckte in einer Plastikhülle. Der Name passte. Karen Manning. Dann fand er eine Visitenkarte und einen Ausweis, der sie als Detective Karen Manning aus Virginia identifizierte.
»Herrgott noch mal!«, brüllte er. »Was hatten Sie dort draußen zu suchen? Warum um alles in der Welt haben Sie das getan? Sind Sie übergeschnappt? Wie hätte das Ihrer Meinung nach ausgehen sollen?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, sagte sie in einem Ton, der ihn wohl beruhigen sollte. »Wir wollten Ihnen nichts tun. Wir sollten Sie nur festnehmen und vor den Richter bringen.«
»Festnehmen? Weshalb? Ich hab nichts verbrochen. Nichts, aber auch rein gar nichts. Ich sitze den ganzen Tag zu Hause rum und baue mittelmäßige Möbel.« Er wies auf den Fernseher. »Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht damit, dass Sie mich für einen Terroristen halten. Nach mir wird doch nur gefahndet, weil ich wie ein Araber aussehe.«
Sie beobachtete ihn, sagte aber kein Wort.
»Soweit ich weiß, sind wir hier immer noch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Also habe ich ein Recht darauf zu erfahren, weshalb man mich verhaften wollte, oder nicht?«
»Ich bin nicht für den Fall zuständig, aber man hat mir gesagt, dass Sie im Verdacht stehen, für kolumbianische Drogenkartelle zu arbeiten und in den Tod der Ramirez-Brüder verwickelt zu sein.«
»Ramirez?«, brüllte er. »Wer zum Teufel sind die Ramirez-Brüder?«
»Mr al Fayed ... Vielleicht sollten Sie jetzt erst einmal tief Luft holen und sich etwas beruhigen.«
Fade folgte ihrer Empfehlung nicht, sondern hob ein etwas größeres Stück des singenden Fisches auf und warf es mehrmals gegen die Wand. Sich gegen eine im Morden geschulte Spezialeinheit des Heimatschutzes zu verteidigen war eine Sache – die Männer hätten gewusst, auf was sie sich einließen, und dass vermutlich nicht alle von ihnen nach Hause zurückkehren würden. Aber ein SWAT-Team der Polizei, das man nichts ahnend in den Tod geschickt hatte? Das war etwas ganz anderes ...
»Mr al Fayed! Beruhigen Sie sich!«
«Beruhigen können Sie sich selber! Ich habe gerade ein paar Polizisten getötet.«
»Und mich entführt.«
»Das dürfte zurzeit mein geringstes Problem sein«, erwiderte er, während er das, was von dem Fisch noch übrig war, fallen ließ und sich direkt vor sie hinstellte. »Wer hat Ihnen gesagt, ich hätte die Fernandez-Brüder getötet?«
»Ramirez. Das weiß ich nicht. Offenbar haben wir einen Tipp bekommen.«
»Von wem?«
»Ich glaube, er war anonym, aber sicher bin ich mir nicht ...«
»Was für ein Schwachsinn! Sie schicken doch kein SWAT- Team in mein Haus, nur weil jemand bei der Polizei anruft und behauptet, ich hätte etwas verbrochen.«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nicht für den Fall zuständig bin.«
»Scheiße!«, brüllte Fade. Dann fing er an, in dem winzigen Raum auf und ab zu gehen. Ihm war jetzt klar, was geschehen war. Strand hatte irgendwie die Sache mit den Kolumbianern herausbekommen und beschlossen, sie sich zu Nutze zu machen. Nach ein paar Wochen im Knast hätte ihm der Mistkerl dann das Angebot gemacht, ihn freizulassen. Natürlich nicht ohne Gegenleistung.
Leider war nicht alles so gelaufen wie geplant.
Schließlich blieb er hinter Karen stehen und zog ihr Messer aus der Tasche. Sie versuchte, den Kopf zu drehen und ihn anzusehen, aber es ging nicht.
»Karen, Sie werden es mir vermutlich nicht glauben, aber es tut mir Leid.«