Читать книгу Die letzte Mission - Kyle Mills - Страница 4
PROLOG
ОглавлениеDie wenigen Menschen auf der Straße schienen nichts anderes zu tun zu haben, als mit den Füßen den Staub aufzuwirbeln, der dann wie Rauch in der Luft hing. Sie hatten keine Plastiktüten mit Lebensmitteln bei sich, keine auf Drahtbügeln hängende Kleidung aus der chemischen Reinigung, kein aus einem plötzlichen Impuls heraus gekauftes Spielzeug für ihre Kinder. Sie führten keine belanglosen Gespräche mit Freunden und suchten auch keine Ablenkung in den nicht vorhandenen Schaufenstern des Dorfes. Es sah eher so aus, als hätte man ein paar Ratten ins Freie gescheucht, die wieder ins Dunkle, Enge zurückwollten, wo sie sich Sicherheit vorgaukeln konnten.
Salam al Fayed ging an einer bröckelnden Mauer vorbei. Vor der Stelle, an der die Mauer durch eine Granate zerstört worden war, blieb er stehen und hockte sich im Schatten nieder. In diesem Teil der Welt war die Sonne alles andere als eine Wohltat. Ihre Strahlen gaben in der dünnen, trockenen Luft keine Wärme und saugten die Kraft aus allem und jedem heraus. Al Fayed zog einen Wasserbeutel aus Ziegenleder unter seinem Kaftan hervor und sah zu, wie die Menschen auf der Straße sich bemühten, ihm aus dem Weg zu gehen. Für sie war er einer jener zahllosen gefährlichen Männer, die sich hier herumtrieben und Unruhe, Hunger und sinnlose Gewalt mit sich brachten. In gewisser Hinsicht hatten sie sogar Recht.
Jeder, der nicht sofort den Blick abwandte, wurde angestarrt, aus dunklen, drohenden Augen, die von der zerrissenen Kopfbedeckung fast verdeckt wurden. Sein Arabisch war hervorragend, aber wenn er den Mund aufmachen musste, würde ihn sein Akzent sofort als Ausländer verraten. Es war schwer zu sagen, ob jemand daran erkennen konnte, dass er aus New York kam. Aber er wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen.
Das Wasser schmeckte nach Moschus und Schlamm und brannte auf seinen aufgesprungenen Lippen. Was hätte er für Lippenbalsam mit Sonnenschutzfaktor 30 und Kirschgeschmack gegeben! Und für eine Dusche. Und einen Drink mit Eiswürfeln. Er unterdrückte ein amüsiertes Lächeln, damit seine Lippen nicht wieder zu bluten anfingen. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren wurde er langsam empfindlich.
Eine seltene Kombination aus idealem Wetter, viel zu pessimistischen Informationen und ausgesprochen viel Glück hatte dazu geführt, dass er den vielen tausend Toten in diesem Land noch vier weitere hinzugefügt hatte und seinem Zeitplan trotzdem noch zwei Stunden voraus war. Leider waren die Starbucks-Filialen im Nahen Osten nur recht dünn gesät – ein Umstand, den die USA sicher bald behoben hatten. So war es ihm nicht möglich, das Blut in einer sauberen kleinen Toilette abzuwaschen und dann über einem Caffe Latte mit Karamell- Nuss-Aroma und Nusssplittern die Zeit totzuschlagen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als schweigend hier zu hocken, die Einheimischen mit Blicken zu bedrohen und nach Ziegenhaaren auf seinen Zähnen zu suchen.
Join the Navy hatte es auf dem Rekrutierungsposter geheißen. See the world. Er hatte gedacht, die Navy würde Hawaii damit meinen.
Der Vorruhestand auf einer ruhigen Insel gewann immer mehr an Attraktivität. Obwohl die Operation reibungslos über die Bühne ging, hatte er seit dem Moment, in dem er den Fuß auf den glühenden Sand gesetzt hatte, ein merkwürdiges Gefühl. Wie vorherzusehen war, verlor es sich gleich wieder, als er sich auf seinen Auftrag konzentrieren musste, doch jetzt hatte er einige Minuten der Muße, um darüber nachzudenken. Er hatte Zweifel. Und den unmissverständlichen Eindruck, dass diese Operation eine zu viel war. Er hatte das Schicksal schon viel zu lange herausgefordert, und jetzt war der Moment gekommen, in dem sich das Blatt wendete.
Vielleicht war dieser Anflug von Angst auch nur Mutter Naturs Art, ihn mit der Nase darauf zu stoßen, dass er jetzt langsam in ein Alter kam, in dem er nicht mehr ganz so schnell oder stark sein würde wie früher. Vielleicht war es ein uralter Überlebensreflex, der ihm etwas sagen wollte, nur leider in einer Sprache, die niemand mehr verstand. Aber es war auch gut möglich, dass es gar nicht so kompliziert war. Vielleicht war es nur die Hoffnungslosigkeit und Nutzlosigkeit von dem, was er tat.
Vor vier langen Jahren, bei seinem ersten Einsatz im Nahen Osten, war er noch voller Idealismus gewesen. Obwohl seine Methoden nicht gerade die humansten waren, die der Menschheit zur Verfügung standen, war er tatsächlich der Meinung gewesen, etwas ändern zu können. Er konnte sich noch daran erinnern, dass er damals allen Ernstes davon geschwafelt hatte, die Welt zu einem besseren Ort machen zu wollen, obwohl er das heute natürlich nicht mehr zugeben würde.
Schließlich stellte sich heraus, dass die Wahrheit um einiges finsterer war als diese jugendliche Fantasie. Er war sich inzwischen ziemlich sicher, dass er nur tötete, um ein paar diplomierten Schreibtischhengsten in Washington das Gefühl zu geben, etwas getan zu haben. Oder schlimmer noch, damit sie sich trotz ihrer weichen, bleichen Leiber vorgaukeln konnten, sie wären die tapferen Krieger, die sie aufgrund ihres aufgeblasenen Egos zu sein hatten.
Al Fayed war nicht mehr so naiv zu glauben, dass Amerika sicherer war, nur weil er vier Männer getötet und unter der brennenden Sonne Nordafrikas zurückgelassen hatte. Sie waren bereits durch andere ersetzt worden. Und eines Tages würden ihre Söhne mit einem unbändigen Hass im Herzen den Kampf gegen das Land fortsetzen, das ihnen ihre Väter genommen hatte.
Er war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass die Probleme, mit denen sich die Welt im Allgemeinen und ganz besonders in diesem Teil der Erdkugel herumschlug, im Grunde genommen so tief verwurzelt waren, dass es keine Lösung für sie gab – lediglich sinnlose Versuche, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts war alles noch so wie vor vielen tausend Jahren, als die Menschheit eine unberechenbare, hinterhältige Spezies gewesen war, deren Denkvermögen gerade ausreichte, um mit Schwertern und Speeren umzugehen. Wie konnte es Stabilität geben in einer Zeit, in der ein Einzelner innerhalb weniger Minuten zerstören konnte, was in Jahrhunderten gewachsen war?
Al Fayed trank noch einen Schluck Wasser und musterte die bröckelnden Gebäude vor sich. Obwohl sie aus getrocknetem Lehm und Steinen errichtet worden waren, wirkten sie sonderbar vergänglich. Wie völlig unzureichende Bollwerke gegen das Chaos, das um sie herum tobte. Ob ihnen letztendlich Amerikas großartige neue Bomben, plötzlich aufflammende Kämpfe unter rivalisierenden Splittergruppen oder einfach Verfall und Verzweiflung den Rest geben würden, war schwer vorherzusagen. Sicher war nur, dass es sie eines Tages nicht mehr geben würde.
Je mehr Zeit er im Nahen Osten verbrachte, desto sicherer war er, dass dieser Teil der Welt nicht wiedergutzumachende Schäden erlitten hatte. Wie sollten diese Leute ihren Platz in einer modernen Welt finden, die der Prophet, an den sie so inbrünstig glaubten, nicht vorhergesehen hatte? Es war ein psychologischer und moralischer Konflikt, der dazu führte, dass die Leute hier alles, was der Fortschritt ihnen bringen konnte, sowohl herbeisehnten als auch ablehnten.
Gerechterweise musste man anmerken, dass viele aus dem Westen wirklich helfen wollten. Sie hielten ihre Kultur für eindeutig überlegen – wohlhabender, weniger gewalttätig, gesünder. Sie dachten, dass selbst diese unzivilisierten Barbaren Wiederholungen von Sex and the City auf Großbildschirmen sehen und ihre Kinder in einem nagelneuen Geländewagen zum Fußballtraining fahren könnten, wenn sie sich nur dazu überreden ließen, mit dem Kämpfen aufzuhören und alles etwas lockerer zu sehen. Aber so einfach war es nicht.
Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass Einfühlungsvermögen die einzige Waffe war, die es wert war, hier eingesetzt zu werden, nur leider hatten die Amerikaner keine Ahnung, wie man diese Waffe baute. Wenn man den Feind nicht verstand – wenn es einem nicht gelang, sich an seine Stelle zu versetzen –, konnte man ihn nicht besiegen. Es war absurd, einen planlos vorgehenden General nach dem anderen herzuschicken, der versuchte, Menschen zu kontrollieren, mit denen er sich nicht einmal verständigen konnte. Der Versuch, arabische Probleme mit amerikanischen Lösungen aus der Welt zu schaffen, hatte eine lange, illustre Geschichte von Fehlschlägen hervorgebracht, die anscheinend niemand zur Kenntnis nahm. Und so fuhr die Maschine einfach weiter, egal, wie kaputt sie schon war.
Al Fayed lehnte den Kopf an die kühle Mauer hinter sich und starrte in den wolkenlosen blauen Himmel. Er war in der zwölften Klasse ohne Abschluss von der Highschool gegangen, und jetzt entwickelte er sich zum politischen Philosophen. Keine sehr nützliche Qualifikation für jemanden mit seinem Beruf.
Er versuchte, an nichts mehr zu denken, und als ihm das nicht gelang, suchte er nach einem Witz, den er sich erzählen konnte. Angesichts der Umstände fiel ihm jedoch keiner ein, der lustig genug war, um ihn abzulenken. Vielleicht sollte er kündigen und sich einen ruhigen Job als Sicherheitsberater suchen. Magnum war schließlich auch als Privatdetektiv erfolgreich gewesen.
Er stand auf und ging auf der unbefestigten Straße weiter, doch als er einen gellenden Schrei hörte, duckte er sich hinter ein ausgebranntes Kettenfahrzeug. Mit der Hand auf der unter seinem Kaftan verborgenen Maschinenpistole lugte er auf die Straße hinaus, auf der plötzlich niemand mehr zu sehen war.
Einige Sekunden später hörte er den Schrei noch einmal, lange genug, um ihn einem jungen Mädchen zuzuordnen und zu vermuten, dass es sich in einer kleinen Gasse befand, die etwa fünfzehn Meter von seinem momentanen Standort entfernt begann.
Die geplante Route führte ihn genau an der Gasse vorbei, daher sah er sich um und suchte nach einer Alternative, um auf die andere Seite des Dorfes zu gelangen. In einen Straßenraub oder eine andere Bagatelle verwickelt zu werden und damit eine bis jetzt wie aus dem Lehrbuch abgelaufene Operation zu gefährden, hatte ihm gerade noch gefehlt. Er war seit drei Tagen im Land, hatte vier Männer getötet und fast hundert Kilometer zu Fuß zurückgelegt, ohne sich dabei auch nur einen Fingernagel eingerissen zu haben. Al Fayed hatte keine Lust auf Probleme.
Er schlich sich um das Kettenfahrzeug herum und lief einige Meter weiter über die menschenleere Straße, während seine Augen dunkle Ecken und Hausdächer absuchten. Dann bog er nach links in einen engen Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Der dritte Schrei und die Tatsache, dass der Durchgang etwas zu schmal und zu dunkel war, um eine strategisch günstige Alternative zu sein, ließen ihn stehen bleiben. Er war jetzt ganz sicher, dass es ein junges Mädchen war. Aufgrund einer sonderbaren akustischen Täuschung konnte er die Stimme laut und deutlich hören. Das Mädchen rief um Hilfe und verstummte dann wieder.
Al Fayed warf einen Blick über die Schulter, fluchte leise auf Arabisch und versuchte, sich zu entscheiden. Sollte er sich weiter in diese enge, unübersichtliche Todesfalle vorwagen oder zurückgehen, wobei eindeutig die Gefahr bestand, dass aus den für den Nachmittag geplanten Schirmchencocktails am Strand nichts wurde?
Er überlegte noch ein paar Sekunden, doch dann drehte er sich um und rannte auf die Hauptstraße zurück. Als er sich der kleinen Gasse näherte, hörte er die Stimmen von zwei Männern, deren Echo sich an den Steinmauern um ihn herum brach. Nachdem er den Lauf der Maschinenpistole zurechtgerückt hatte, ging er weiter.
Der schwarze Schal, der das Gesicht des Mädchens hätte bedecken sollen, war heruntergerissen worden, sodass er sein Alter auf sechzehn oder siebzehn schätzen konnte. Es lag auf dem Rücken im Staub und trat und schlug mit aller Kraft nach den beiden Männern, die es festzuhalten versuchten. Einer der Männer hatte ihm sein Knie auf die Brust gestemmt, sodass der andere Schwierigkeiten hatte, ihm das Gewand herunterzureißen, das es vom Hals bis zu den Füßen bedeckte. Das Ganze wirkte etwas desorganisiert, aber das Mädchen war ihnen natürlich unterlegen, und als einer von ihnen ein Messer zu Hilfe nahm, gelang es ihm, seine Straßenkleidung freizulegen: ein schmutziges T-Shirt und die Reste eines grauen Wollrocks. Als al Fayed auffiel, dass er mitten auf der Straße stand und zu ihnen hinüberstarrte, hatte der Mann sein Knie von der Brust des Mädchens genommen und zwängte ihm damit die Beine auseinander.
Das Mädchen bekam eine Hand frei und wollte einem der Angreifer die Fingernägel ins Gesicht schlagen, als es al Fayed am Anfang der kleinen Gasse stehen sah. Es flehte laut um Hilfe und starrte ihn unverwandt an. Er war seine einzige Hoffnung.
Ihm fiel immer noch kein guter Witz ein.
Einer der Männer warf einen Blick über die Schulter und rief ihm zu, dass er verschwinden solle. Als al Fayed wie angewurzelt stehen blieb, lachte der Mann nur und wandte sich wieder dem Mädchen zu, das sich verzweifelt wehrte.
Er hatte keinen Grund, sich einzumischen. Die Sache ging nur das Mädchen etwas an. Es war seine Realität. Seine Eltern waren vermutlich tot – Opfer der Gewalt, unter der dieses Land schon so lange litt –, und es musste auf sich selbst aufpassen. Eine gefährliche Situation, die etwas mehr Vorsicht verlangte, als es vermutlich an den Tag gelegt hatte.
Al Fayed hatte Religion noch nie richtig ernst nehmen können. Für ihn hing der Glaube eines Menschen einzig und allein von dessen Adresse ab. Wenn man in North Carolina geboren war, glaubte man, dass nur die Baptisten den direkten Draht zu Gott hatten. In Afghanistan opferte man, ohne zu zögern, sein Leben, um Mohammeds Lehren zu verteidigen. Thailand? Dann war Buddha der Richtige. Es war einfach zu viel Zufall mit im Spiel, als dass er etwas Mystisches darin sehen konnte.
Aber was die Evolution anging ... Das war eine Philosophie, die er verstand. Nach dem, was er sich bis jetzt hatte mit an- sehen müssen, überlebten immer nur die Stärksten. Und die Sanftmütigen erbten gar nichts. Das Mädchen war dumm genug gewesen, sich in die schmutzige kleine Gasse zerren zu lassen. Die Männer, die er am Tag zuvor getötet hatte, waren weder klug noch stark genug gewesen, um sich wirkungsvoll verteidigen zu können. Und wenn man das Ganze auf eine höhere Ebene brachte, sah Nordamerika wie das blühende Leben aus, während es dem größten Teil des Nahen Ostens beschissen ging. War man erst einmal sämtliche mysteriösen Gottheiten losgeworden, hatte das Leben eine sehr beruhigende Symmetrie an sich.
Der Mann ließ den Rock des Mädchens los, packte es an den Handgelenken und riss ihm die Arme über den Kopf. Als er es unter Kontrolle hatte, hob er den Kopf und sah wieder al Fayed an. »Was machst du hier?«, brüllte er auf Arabisch. »Verschwinde!«
Ein guter Rat. Das Mädchen hatte keine Zukunft. Niemand konnte etwas dafür, und es hatte keinen Zweck, sich darüber Gedanken zu machen. Es war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort geboren worden. Ob sein Leben heute oder morgen oder nächste Woche zu Ende war, spielte keine Rolle. Für ihn nicht und auch nicht für jemand anderen.
»Verschwinde!«, rief der Mann noch einmal. Dann wies er seinen Kompagnon an, das Mädchen festzuhalten, und stand auf. »Verschwinde von hier. Sofort!«
Das Mädchen wurde langsam müde. Es keuchte und rang nach Luft, während es immer noch zu entkommen versuchte. Noch drei Minuten, und es würde nicht einmal mehr die Kraft haben, sich gegen das zu wehren, was die Männer mit ihm vorhatten. Vermutlich war es eine ganze Menge.
Das Gesicht des Mannes, der jetzt auf al Fayed zukam, verschwand fast völlig hinter einem dichten Bart. Er brüllte wieder etwas, während seine Hand hinter seinem Rücken verschwand, zweifellos, um eine Waffe zu ziehen.
Al Fayed machte einen Schritt auf ihn zu, packte mit der Hand den Ellbogen des Mannes und hielt ihn so lange fest, bis er sein Messer hervorgezogen und es ihm durch den Bart hindurch in die Kehle gestoßen hatte.
Als der Blick des Mannes nach unten ging und er zusah, wie das Messer zurückgezogen wurde und Blut auf seine Brust spritzte, war ihm nur Überraschung anzumerken. Darauf folgte ein kurzer Moment der Verwirrung, schließlich brach er zusammen.
Das laute Keuchen des Mädchens ging in einen gellenden Schrei über, der den Mann, von dem es festgehalten wurde, darauf aufmerksam machte, dass al Fayed von hinten auf ihn zugerannt kam. Er war schneller, als er aussah, und es gelang ihm, sich zur Seite wegzurollen und eine altertümlich aussehende, aber zweifellos funktionierende Pistole aus dem Gürtel zu ziehen.
Al Fayed schleuderte das Messer, während er auf den Mann zurannte, in der Hoffnung, ihn auf diese Weise ablenken zu können. Zu seiner Überraschung hatte er auch jetzt wieder so unverschämt viel Glück wie bisher bei dieser Mission – das Messer blieb in der Brust des Mannes stecken. Nicht tief genug, um ihn ernsthaft zu verletzen, aber es genügte, um die Kugel, die für al Fayed bestimmt war, in ein Haus auf der anderen Straßenseite einschlagen zu lassen.
Der Mann lag immer noch auf den Knien, als sie zusammenprallten. Al Fayed warf sich nach rechts und kniff die Augen zusammen, um sich vor dem grellen Aufblitzen des Schießpulvers zu schützen. An seiner linken Schläfe zischte eine Kugel vorbei. Er ignorierte den Schmerz und das laute Dröhnen in seinem Ohr, presste dem Mann die Hand aufs Gesicht und stieß seinen Kopf in den bedauerlicherweise weichen Staub der Straße. Da er an seine eigene Waffe nicht herankam, war er gezwungen, das Messer aus dem Brustbein des Mannes zu ziehen, was sich als erstaunlich schwierig herausstellte.
Er hatte es fast schon freibekommen, als ihn ein brennender Schmerz im unteren Rücken fast bewegungslos werden ließ. Er kippte nach links und nutzte sein Körpergewicht, um noch ein letztes Mal an dem Messer zu ziehen. Es löste sich mit einem schmatzenden, knirschenden Geräusch aus dem Fleisch des Mannes, und al Fayed schwang es in einem unbeholfen wirkenden Bogen hinter sich, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Er erwischte das junge Mädchen an der Kehle, zwar nicht an der Halsschlagader, aber immerhin so tief, dass es das blutverschmierte Messer, das es ihm in den Rücken gestoßen hatte, fallen ließ und seine kleinen Hände auf die klaffende Wunde presste.
Sie kamen beide gleichzeitig auf dem Boden auf, und al Fayed nutzte den Schwung, um sich auf Hände und Knie herumzurollen. Als er jedoch aufzustehen versuchte, wollte ihm sein Körper nicht gehorchen. Er drehte langsam den Kopf und sah zu dem Mädchen hinüber, das heftig würgte. Aus seinem Mund spritzte Blut, das auf sein Gesicht zurückfiel. Die Szene wirkte wie ein unscharfer, leicht überbelichteter Kinofilm.
Al Fayed hörte eine Bewegung hinter sich. Er konnte den Kopf gerade so weit drehen, dass er sah, wie der Mann unsicher aufstand und seine Waffe auf ihn richtete. Der Schuss war erstaunlich leise. Als er von der Kugel getroffen wurde, fiel er mit dem Gesicht zuerst in den Staub.
Das Mädchen bewegte sich nicht mehr. Es lebte noch, starrte aber reglos in den Himmel und wartete auf seinen Tod. Eigenartig war, dass das Lächeln, das sich auf seinen aufgesprungenen Lippen ausbreitete, mehr als alles andere schmerzte. Offenbar war er ein wenig überheblich gewesen, als er das Mädchen für schwach gehalten hatte. Es war eine abgekartete Sache gewesen – sie hatten ihn in die Gasse gelockt, um ihn auszurauben. Es war dumm gewesen, sich so einfach in die Falle locken zu lassen, und in diesem Teil der Welt war Dummheit tödlich.
Charles Darwin ließ sich nicht täuschen.