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NEUN

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Der Staub, der von der menschenleeren, unbefestigten Straße in den Wagen hereinwehte, hätte ihn fast blind gemacht, doch Fade ließ das Fenster trotzdem offen. Zumindest was das Wetter anging, war der Morgen sehr schön geworden – windstill, niedrigere Luftfeuchtigkeit als üblich, wolkenloser Himmel. Er beugte sich vor und drehte den billigen CD-Spieler noch weiter auf. Seiner Meinung nach war es fast unmöglich, depressiv zu sein, wenn man die Go-Gos hörte. Die Ramones und The Monkees kamen gleich danach, aber er war fest davon überzeugt, dass ein gigantischer Lautsprecher, über den man Beauty and the Beat abspielte, sogar im Kongo für Frieden sorgen würde.

Der Tageskilometerzähler sprang auf über dreißig Kilometer. Fade bremste abrupt und brachte den Wagen im rasch schwindenden Schatten eines Baums zum Stehen.

»Das war’s.«

Karen Manning hob ihr Gesicht vom Sitz und sah ihn an. In ihren Augen stand die Angst, die ihr Gesicht nicht zeigen wollte.

»Oh. Tut mir Leid, unglückliche Wortwahl.« Fade beugte sich über sie und öffnete die Beifahrertür. Ein kräftiger Stoß, und sie landete auf einer dicht mit Unkraut bewachsenen Stelle neben dem Auto.

Er trat auf das Gas und beschleunigte so schnell, dass die Beifahrertür zuschlug. Dann wendete er auf der Straße, was eine Staubwolke verursachte, die die Frau fast vollkommen verdeckte. Sie versuchte gerade, mit auf dem Rücken gefesselten Händen aufzustehen.

Als er an ihr vorbeifuhr, rutschte sie aus und stürzte in ein ausgetrocknetes Flussbett hinunter. Es war eine Mitleid erregende Szene, und während er die Frau im Rückspiegel beobachtete, überlegte er, ob er nicht vielleicht etwas zu grob mit ihr umging. Er trat auf die Bremse, legte den Rückwärtsgang ein und hielt auf gleicher Höhe mit ihr an, wobei er ein zweites Mal eine nahezu undurchsichtige Staubwolke erzeugte.

Sie fluchte wie ein Bierkutscher, während sie versuchte, mit gefesselten Händen aus dem Flussbett zu kommen. Fade sprang aus dem Auto, um ihr zu helfen.

»Mit diesem Wortschatz hätten Sie auch zur Navy gehen können«, sagte er, während er sie unter den Armen packte und auf die Füße stellte. »Haben Sie einen Schlüssel für die Handschellen?«

Ihre Augen gingen fast unmerklich zur Brusttasche ihres Kampfanzugs. Als er den Schlüssel herausholen wollte, wich sie zurück.

»Sind Sie sicher? Es dürfte ziemlich schwierig werden, die Handschellen über die Stiefel zu bekommen, und noch schwieriger, die Stiefel auszuziehen. Wie wäre es damit: Ich verspreche, unter keinen Umständen auch nur einen Moment zu genießen, wenn ich Sie berühre.«

»Bleiben Sie mir vom Leib.«

»Wie Sie wollen.«

Er griff durch das hintere Fenster in seinen Wagen und holte eine kleine Flasche Wasser heraus, die er auf den Boden fallen ließ. »Bis zum Highway sind es dreißig Kilometer. Sie sehen zwar so aus, als wären Sie ziemlich schnell, aber heute wird es heiß, und das da ist nicht viel Wasser. Achten Sie auf Ihr Tempo, und versuchen Sie, soweit es geht, im Schatten zu bleiben.« Er drehte sich um und wollte sich wieder ins Auto setzen.

»Warten Sie. Sie müssen sich stellen. Sie haben keine Chance.«

Fade lächelte und sah sie an. »Ich verstehe Ihre Logik nicht ganz.«

»Sie haben gerade mehrere Polizeibeamte getötet, und man wird alle Hebel in Bewegung setzen, um Sie zu kriegen. Geben Sie auf, und kommen Sie mit mir. Ich bin bereit, für Ihre Sicherheit zu garantieren. Dann können Sie sich einen Anwalt besorgen und das Ganze aus Ihrer Sicht erklären. Wenn Sie wirklich geglaubt haben, angegriffen zu werden und in Gefahr zu sein, werden die Geschworenen das berücksichtigen.«

»Das glaube ich nicht. Trotzdem danke für das Angebot.«

»Wo gehen Sie jetzt hin? Was wollen Sie tun? Inzwischen werden auf allen Kanälen Fotos von Ihnen gezeigt. Die Polizei setzt sich mit jedem in Verbindung, der Sie kennt, und sucht an allen Orten, an denen Sie jemals gewesen sind. Das ist doch kein Leben.«

»So traurig es klingen mag, aber für mich ist das eine Verbesserung.« Er versuchte, in den Wagen zu steigen, doch sie hinderte ihn daran.

»Es könnten noch mehr Menschen zu Schaden kommen.«

»Das kann ich fast garantieren.«

Er packte sie an den Schultern, um sie beiseite zu schieben, doch da klingelte sein Mobiltelefon. Leise seufzend zog er es aus der Tasche. »Das ist wahrscheinlich Mrs Melman, die sich wundert, warum ich die Aussteuertruhe für ihre Tochter noch nicht geliefert habe. Die Frau macht mich wahnsinnig ...«

Die Nummer auf dem Display des Mobiltelefons kannte er nicht. Der Umstand, dass er keine Freunde hatte und seine Nummer nicht im Telefonbuch zu finden war, deutete allerdings daraufhin, dass der Anruf etwas mit gestern Abend zu tun hatte.

»Kommt Ihnen die Nummer bekannt vor?« Er hielt Karen das Telefon vors Gesicht.

»Die Durchwahl meines Chefs.«

»Wie heißt er?«

»Seymore Pickering.«

»Das haben Sie gerade erfunden.«

»Warum sollte ich lügen? Er heißt wirklich so.«

Fade zuckte mit den Achseln und hielt sich das Telefon ans Ohr. »Guten Morgen, Seymore.«

Die Stille am anderen Ende ließ darauf schließen, dass die Mutter dieses Mannes ihm tatsächlich den Namen Seymore Pickering gegeben hatte.

»Spreche ich mit Salam Fayed?«

»Ja.«

»Ich will wissen, wo Karen Manning ist. Ist sie verletzt?«

»Verletzt würde ich nicht sagen. Ein wenig angeschlagen vielleicht ...«

»Ich will mit ihr reden.«

»Ganz ruhig, Seymore. Karen geht es gut.«

»Dann macht es Ihnen sicher nichts aus, sie ans Telefon zu lassen. Als Geste guten Willens.«

Fade rollte mit den Augen und hielt Karen das Mobiltelefon ans Ohr. Ihr Blick ging zu seinem Wagen. Sie schien zu überlegen, ob sie mit einer Beschreibung davon herausplatzen sollte, doch dann wurde sie vernünftig und überlegte es sich anders. Vermutlich lag der Polizei die Beschreibung sowieso schon längst vor.

»Captain? Mir geht es gut.«

Fade zog das Telefon zurück. »Sehen Sie? Sie sind viel zu misstrauisch.«

»Mr Fayed, Sie haben keinen Grund, sie festzuhalten oder ihr etwas anzutun. Sie hat nur ihre Arbeit gemacht. Als ehemaliger Soldat sollten Sie das verstehen.«

»Wie Sie meinen.«

»Ich möchte, dass Sie sie gehen lassen.«

»Okay.«

Wieder verwirrtes Schweigen am anderen Ende. »Ähm, und was wollen Sie als Gegenleistung?«

»Nichts.«

Pickering schwieg wieder. Seymore war nicht gerade das, was man als gewandten Gesprächspartner bezeichnen würde.

»Ich möchte, dass Sie sich stellen, Mr Fayed. Ich garantiere für Ihre Sicherheit ...«

»Ich heiße al Fayed, und jetzt hören Sie mir mal zu: Diesen Vorschlag hat mir Karen Manning schon gemacht, den Mist können Sie sich also sparen. Es sieht folgendermaßen aus, Seymore: Ich muss noch einiges erledigen, aber eine Hinrichtung durch die Giftspritze gehört nicht dazu. Hier in Virginia rennt ein Irrer rum, tötet junge Frauen und lässt die Polizei wie Idioten dastehen. Also, warum konzentrieren Sie sich nicht für eine Weile auf ihn und lassen mich verdammt noch mal in Ruhe? Als Gegenleistung für diesen kleinen Gefallen kann ich Ihnen so gut wie garantieren, dass ich in einem Monat tot bin.«

»Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich diese Sache nicht einfach ignorieren kann. Selbst wenn ich es wollte.«

»Vermutlich haben Sie Recht ...«Als Fade weitersprach, war seine Stimme weicher geworden. »Hören Sie, es tut mir Leid wegen Ihrer Männer. Sagen Sie das ihren Familien. Sagen sie ihnen, dass die Männer tapfer gekämpft und viel Mut bewiesen haben. Ich weiß nicht, ob sie das hören wollen. Vermutlich nicht. Jedenfalls lege ich keinen Wert auf eine weitere Konfrontation. Aber wenn Ihre Männer auf mich schießen, werde ich zurückschießen. Und bei dieser Art von Auseinandersetzung ziehe ich so gut wie nie den Kürzeren.«

»Mr Fayed ...«

Fade unterbrach die Verbindung und warf das Mobiltelefon durch das Fenster ins Auto. »Es heißt al Fayed, du Idiot«, murmelte er vor sich hin. Dann schlug er Karen auf die Schulter. »Wir sprechen uns noch.«

Ihre Augen weiteten sich wieder fast unmerklich, was er irgendwie ganz reizend fand.

»Ist doch nur so eine Redewendung«, sagte er, während er sich ans Steuer setzte. »Seien Sie nicht immer so verdammt ernst.«

Fade musste lachen, als er sich im Rückspiegel seines Autos sah, den er in einen Baumstamm geklemmt hatte. Sein langes schwarzes Haar hatte er abgeschnitten und durch einen blonden Bürstenschnitt ersetzt, der in der Sonne in einem unnatürlichen Rotton schimmerte. Am Stecker des goldenen Ohrrings, den er sich durch sein linkes Ohrläppchen gerammt hatte, war ein kleiner Blutstropfen eingetrocknet, und eine Nickelbrille mit blau getönten Gläsern war das Tüpfelchen auf dem i. Allerdings war die Veränderung nicht ganz so dramatisch, wie er sich das erhofft hatte – es war ihm lediglich gelungen, sich von einem langhaarigen arabischen Auftragskiller in einen schwulen arabischen Auftragskiller zu verwandeln. Jedenfalls schien jetzt so gut wie sicher zu sein, dass er wie Saddam Husseins Friseur aussehen würde, wenn er seinem Schöpfer gegenübertrat.

Was ihn noch mehr erstaunt hatte, war die Tatsache, dass seine Hände völlig ruhig gewesen waren, als er sich die Haare abgeschnitten hatte. Sie hatten seit Jahren gezittert – nicht so stark, dass es einem sofort auffiel, doch es war immer ein Ärgernis gewesen, wenn es bei seinen Tischlerarbeiten Details auszuarbeiten galt. Auch das leicht beklemmende Gefühl in seiner Brust war verschwunden. Er fühlte sich ... gut. Ausgesprochen gut.

Fade grinste sich im Spiegel an und versuchte festzustellen, ob er wie ein Verrückter aussah. Irgendwie schon. Lag es nur an den Haaren und der Brille oder war es etwas anderes? Vermutlich beides. Wenn einem die Hälfte aller amerikanischen Polizisten am liebsten eine Kugel in den Kopf gejagt hätte, war das eigentlich kein Grund zum Feiern, aber angesichts seines Lebenslaufs konnte man es auch nicht von vornherein in Grund und Boden verdammen. Seit er beschlossen hatte, Hillel Strand und Matt Egan zu töten, hatte er wieder ein Ziel vor Augen – etwas, das ihm schon viel zu lange gefehlt hatte. Die Polizisten gaben dem Ganzen nur einen zusätzlichen Reiz.

Im ungünstigsten Fall würde es ihm nicht gelingen, die beiden Drecksäcke zu töten, bevor sie ihn erwischten. Was sicher nicht das Schlechteste war – es würde der Einsamkeit, der Langeweile und der unterschwelligen Panik, mit der er seit seiner Verwundung lebte, ein Ende setzen. Ein paar anstrengende, aufregende Wochen, dann würde alles vorbei sein. Nicht gerade ein Hauptgewinn in der Lotterie, aber es war um Längen besser als alles, was davor geschehen war.

Er riss den Verband an seinem Handgelenk herunter, steckte die passenden Dokumente für seine Tarnung in die Brieftasche und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er hatte knapp fünfundzwanzig Kilometer von der Stelle, an der er Karen Manning zurückgelassen hatte, gehalten. Vermutlich war er schon viel zu lange hier. Über sein Mobiltelefon hatte die Polizei mit Sicherheit seine ungefähre Position festgestellt, und wenn er Karen richtig eingeschätzt hatte, rannte sie.

Die letzte Mission

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