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9 | Die neue Erde

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Die neue Erde


Zeitebene RUBIKON –

vor der letzten Transition Richtung Solares System

„Kargor kann sich eigentlich nicht mehr an Bord der RUBIKON befinden“, sagte Jarvis. „Es gibt nichts, was dafür spräche. Allerdings gibt es auch keinerlei Spur, wohin die Entität die Vermissten transferiert haben könnte.“

Außer Jarvis befanden sich noch Cloud und Algorian in der Zentrale des Rochenschiffs.

„Ich bin auch nicht so recht weitergekommen“, gestand Cloud. „Was Kargor angeht, so haben diverse Systemchecks wohl dein Ergebnis bestätigt, Jarvis. Er ist nicht mehr an Bord.“

„Und was habe ich dann wahrgenommen?“, fragte Algorian aufgebracht.

Cloud zuckte mit den Schultern. „Vielleicht eine Art psionischen Nachhall seiner mentalen Präsenz?“

„Davon habe ich noch nie etwas gehört“, gestand Algorian. „Aber es war eine sehr schwache Empfindung, und ich hatte ja von Anfang an eingeräumt, dass ich mich vielleicht irre.“

„Das glaube ich nicht!“, widersprach Jarvis.

„So?“, wandte der blassblaugesichtige Aorii in Jarvis’ Richtung, dessen Maske absolut lebensecht war; ein Anblick, an den sich Algorian erst gewöhnen musste. Bei seiner Ankunft auf der RUBIKON seinerzeit hatte Jarvis bereits in seinem robotähnlichen Nanokörper gesteckt.

„Ich bin während der von mir selbst angestellten Untersuchungen immer wieder auf leichte temporale Anomalien gestoßen“, erklärte der ehemalige GenTec. „Nichts, was sich mit den Verhältnissen im Pekinger Getto vergleichen ließe, sondern lediglich ganz geringfügige Erschütterungen und Deformationen der Raumzeit. Zumindest lassen sich gewisse Wahrnehmungen von mir auf Nano-Ebene eigentlich nur erklären, wenn man solche Anomalien als gegeben annimmt.“

„Was hat das mit meiner – zugegebenermaßen recht schwach ausgeprägten – Psi-Fähigkeit zu tun?“, fragte Algorian etwas ungehalten. Er sah offenbar den Zusammenhang zwischen Jarvis’ Ausführung und dem, was er erlebt hatte, nicht so recht.

„Wenn Kargor tatsächlich das ist, was er behauptet, nämlich eine Entität der legendären Erbauer der CHARDHIN-Perlen, müssen wir annehmen, dass sie ein großes Wissen im Umgang mit der Zeit haben und sich vermutlich auch in verschiedene Zeitebenen versetzen können. Denken wir nur an die temporale Permanenz der Chardhin-Perlen oder ihre Portalschleusen! So etwas ist ohne derartige Fähigkeiten gar nicht denkbar!“

„Du meinst also, Kargor könnte sich in eine andere Zeitebene abgesetzt haben“, sagte Algorian.

„Ich finde, dieser Schluss liegt nahe“, gab Jarvis zurück. „Aber wenn sich jemand aus unserer Zeitlinie Knall auf Fall verabschiedet, kann das doch eigentlich nicht ohne Spuren ablaufen.“

„Kannst du genau bestimmen, in welchem Zeitraum die von dir erkannten Anomalien festzustellen sind?“, fragte John Cloud.

Jarvis nickte. „Ich habe das bereits mit den Daten abgeglichen, an denen SESHA die Verschwunden zum letzten Mal geortet hat oder uns eindeutige Beweise ihrer Anwesenheit vorliegen. Nahrungsbestellungen an die Schiffs-KI zum Beispiel oder der Nachweis von verbrauchter Atemluft in den jeweiligen Quartieren.“

„Und?“, fragte Cloud.

„Die Daten passen zusammen. Kargor hat danach tatsächlich kurz nach Darnoks Bergung das Schiff verlassen und die Verschwunden mitgenommen. Leider kennen wir nicht den Ort ihres Verbleibs ...“

„Oder die Zeit“, ergänzte Cloud.

Der Kommandant der RUBIKON ging zu einem Sarkophagsitz und ließ sich darin nieder. „Ich hoffe, dass uns wenigstens im irdischen Sonnensystem positive Neuigkeiten erwarten.“

„Ich würde nicht darauf setzen“, sagte Jarvis.

Ein mattes Lächeln glitt über Clouds Gesicht. „Nimm einem doch nicht jede Hoffnung, Jarvis! Manchmal ist es der optimistische Selbstbetrug, der einen aufrecht hält!“

Cloud nahm eine Schaltung vor. Das Gehäuse des Sitzes schloss sich, und der Commander wurde eins mit dem Schiff. Seine Sinne verschmolzen mit den zahllosen Sensoren und Instrumenten.

Die letzte Transition!, dachte er.

Sesha erklärte: Es wäre gut, wenn der Zielpunkt innerhalb des Solaren Systems noch präzisiert würde.

Die Schiffs-KI hatte natürlich Recht.

Wir werden uns vorsichtig heranpirschen, bestimmte Cloud. Schließlich wissen wir ja nicht, was uns erwartet.

Dann schlage ich einen Rematerialisationspunkt nahe der Oortschen Wolke vor, meinte Sesha. Die Reststrecke ist mit konventionellem Antrieb leicht und schnell zu bewältigen.

Was immer die KI als konventionell betrachtete.

In Ordnung, bestätigte Cloud.

Nach langem kehrte er in sein Heimatsystem zurück.

Aber was werde ich vorfinden?, fragte er sich – und gab sich selbst die wenig optimistische Antwort: Vermutlich irgendeine Abart der Hölle!

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D IE RUBIKON TRANSITIERTE an ihren Zielpunkt am äußersten Rand des Sonnensystems.

Achtung! Verdacht auf Fehltransition!, meldete Sesha sogleich mit Wiedereintritt in den Normalraum. Erheblicher Widerspruch in den astronomischen Grunddaten!

Es lief Cloud kalt über den Rücken. Bitte nicht schon wieder!, durchfuhr es ihn.

Sesha wiederholte inzwischen in penetranter Weise die Fehlermeldung.

Liegen irgendwelche Hinweise auf eine temporale Anomalien vor?, fragte Cloud.

Negativ, meldete die Bord-KI.

Das bedeutet, die Transition ist vollkommen normal verlaufen?, wollte Cloud anschließend wissen.

Sesha erklärte: Ja. Aber meine Alarmroutine ist aktiviert worden, da die astronomischen Grunddaten um mehr als den festgelegten Toleranzwert abweichen.

Cloud war verwirrt. Was soll das heißen? Befinden wir uns beim falschen Sonnenssystem? Sterne vom G-Typ gibt es schließlich wie Sand am Meer.

Die Schiffs-KI der RUBIKON ging auf diese menschentypische Metapher nicht weiter ein. Aber nur einen Einzigen mit dieser speziellen Isotopen- Verteilung, entgegnete sie. Die ist genauso individuell wie ein genetischer Fingerabdruck.

Das heißt, eine Verwechslung wäre für dich von vorneherein ausgeschlossen, zog Cloud den einzigen vernünftigen Schluss.

Sesha bestätigte dies. Das ist wahr. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Sonnen mit derselben Isotopenverteilung vorkommen, ist so gering, dass man sie getrost vernachlässigen kann. Wir befinden uns definitiv am Rand des Solaren Systems – aber das scheint seinen Aufbau erheblich verändert zu haben.

Die Sensoren arbeiteten auf Hochtouren. Noch lieferten sie kein stimmiges Gesamtbild dieser Veränderungen.

Aber etwas fiel Cloud sofort auf: Die Oortsche Wolke aus unzähligen Brocken, die seit Jahrmilliarden das Reservoir war, aus dem die Kometen kamen, existierte nicht mehr.

Sie war einfach – verschwunden. So als hätte ein überdimensionaler kosmischer Staubsauger sie einfach aufgesogen!

Kein Wunder, dass die Alarmmeldung ausgelöst wurde!, ging es Cloud fassungslos durch den Kopf. Er checkte die ordnungsgemäße Funktionsweise der Ortungssysteme.

Es konnte kein Fehler festgestellt werden, und auch die Vergleichsmessungen an bekannten astronomischen Objekten bestätigten, dass alle Systeme einwandfrei funktionierten.

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W AS WAR GESCHEHEN? Was für gigantische Kräfte hatten hier gewirkt? Cloud war wie vor den Kopf gestoßen. Er musste unwillkürlich an Jarvis’ wenig optimistische Einschätzung denken.

Was er jetzt vorfand übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Und ließ Ahnungen von noch mehr Unheil in ihm aufsteigen.

John Cloud beschleunigte die RUBIKON. Sie jagte mit ihren flexiblen Schwingen auf der überall verteilten Dunklen Materie des Alls dahin wie ein Mantarochen, der damit Wasser verdrängte.

Während der Fahrt zwischen der Position der einstigen Oortschen Wolke und dem Kuiper-Gürtel, meldeten die Sensoren nichts Aufsehenerregendes.

Schließlich erreichte die RUBIKON die äußeren Ausläufer des Kuiper-Gürtels, jenes scheibenartigen Bereichs, in dem ebenfalls massenhaft Kleinobjekte um die Sonne kreisten: Asteroiden, Meteoriten, Eis- und Gesteinsbrocken – aber auch Dutzende von Kleinplaneten, von denen eine ganze Reihe die Größe von Pluto hatten oder sogar übertrafen.

Sedna, Quor, Xena und wie die Astronomie des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsteten Jahrhunderts sie auch genannt haben mochte. Viele von ihnen hatten Schlagzeilen als Entdeckungen von neuen Planeten gemacht, bis die Astronomen dem einen Riegel vorschoben, indem sie ihre Definition des Begriffs Planet kurzerhand selbst über den Haufen warfen und eine neue Gattung von Himmelskörpern, schufen – die sogenannten Zwergplaneten. Dwarfs. Pluto und sein Mond Charon verloren im Zuge dieser Entwicklung ihren Status als Planet beziehungsweise Mond und waren seitdem ebenfalls Zwergplaneten.

Im Jahr 2041, als Cloud mit seiner Marsexpedition gestartet war, hatte man diese Vorgänge bereits in den Geschichtsbüchern nachlesen können.

Ob die Astronomie der Erinjij diese umstrittenen Beschlüsse jemals korrigiert hatte, wusste er nicht. Es bedeutete eine gewisse Erleichterung, dass wenigstens die größten Brocken des Kuiper-Gürtels nach wie vor vorhanden war – allerdings waren sämtliche „Kleinteile“ ebenso unauffindbar wie die Oortsche Wolke!

„Verdammt! Was hat das zu bedeuten? Sesha!“ Unwillkürlich entfuhren ihm die Worte laut.

Ich habe keine Theorie anzubieten.

Na toll!, dachte Cloud.

John Cloud visierte mit der Ortung der Rubikon den plutogroßen Kleinplaneten Sedna an, der rein äußerlich wie ein geschrumpfter Zwilling des Mars wirkte.

Hier schien alles in bester Ordnung zu sein.

Auch Pluto und Charon waren da, wo sie sein mussten und umkreisten als Doppel-Zwergplanet auf einer jahrhundertelangen Bahn ihr Zentralgestirn sowie einen gemeinsamen Gravitationsschwerpunkt.

Die RUBIKON passierte die Bahnen von Neptun, Uranus und Saturn, zog kreuzte schließlich die Jupiterbahn – dessen Monde sich gerade auf der entgegengesetzten Seite der Ellipse um ein gravitatorisches Zentrum bewegten, das nichts mehr mit dem einstigen Riesenplaneten gemein hatte – und gelangte ins innere Sonnensystem.

Gibt es irgendwelche Anzeichen einer feindlichen Ortung?, fragte Cloud die KI.

Negativ, gab Sesha bereitwillig Auskunft. Weder Funksignale noch sonst irgendetwas. Auch keine Peilung durch fremde Ortungssysteme.

Und sonstige Lebensspuren?, vergewisserte sich Cloud, der noch immer nicht glauben konnte, es offenbar mit einem toten System zu tun zu haben.

Aber alles, was bisher an Daten über die Sensoren an die Schiffs-KI zur Auswertung gegeben worden war, ließ eigentlich nur diesen Schluss zu.

Mein Gott, was mag hier nur geschehen sein? Cloud überliefen kalte Schauder. Nach und nach enthüllte sich eine schreckliche, grausame Wahrheit.

Das Solare System war ein Ort des Todes und der Zerstörung geworden. Wer auch immer letztlich dafür verantwortlich sein mochte. Die Tatsache an sich schien nach Prüfung vieler Beweise unumstößlich zu ein.

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S CHON AUS WEITER ENTFERNUNG war zu sehen, dass sich im inneren Sonnensystem eine gewaltige Änderung vollzogen hatte.

Ein gigantischer Schatten hob sich vor der RUBIKON gegen das Sonnenlicht ab.

Eigentlich hätte das die Erde sein müssen. Aber die Daten stimmten in keiner Weise überein.

Die RUBIKON hatte die Mars-Bahn passiert und war schließlich dorthin gelangt, wo sich eigentlich die Erde hätte befinden müssen – hinter einem Schattenschirm oder klar für jeden ersichtlich.

Jedenfalls hätte sie da sein sollen.

Was aber nicht der Fall war, ganz und gar nicht!

Sie war ebenso verschwunden wie Luna, und stattdessen befand sich auf ihrer Bahn etwas anderes, absolut Groteskes: keine murmelartige, blau leuchtende Kugel mit einem bleichen Trabanten.

Nein, an ihrer Stelle umkreiste eine gigantische atmosphärelose und lebensfeindliche Riesenwelt die Sonne. Ihre Masse betrug ein Vielfaches dessen, was man von der Erde hätte erwarten dürfen.

John Cloud zoomte diesen gigantischen Materiebrocken, der überwiegend aus Schwermetallen und Metallverbindungen bestand, näher heran.

Die Oberfläche war absolut öde. Gestein, Staub ... sonst nichts, außer Narben von heftigen Meteoriteneinschlägen.

Wie der einstige Mond sah diese Erde aus – als hätte ihn eine unbekannte Kraft aufgebläht.

Und die Erde?, dachte Cloud. Was ist aus der Erde geworden?

Er wagte sich nicht einzugestehen, dass es darauf eigentlich nur eine Antwort gab: Sie existierte nicht mehr. Irgendetwas – irgendjemand – hatte sie in den zurückliegenden Jahrzehntausenden zerstört.

Und an ihre Stelle diesen Koloss gesetzt?

Cloud konnte nur noch den Kopf schütteln. Immer und immer wieder. Die Heimkehr hatte er sich anders vorgestellt. Nicht einmal unter der Herrschaft der Master hatte er sich beim Anblick des Sonnensystems so verloren gefühlt.

Denn ein Zuhause gab es nicht mehr.

Seine nächsten Gedanken galten Darnok, der irgendwo auf der RUBIKON seiner Heilung entgegenschlief.

Was hast du uns nur angetan?

Und vielleicht zum ersten Mal begriff er das Verbrechen des einstigen Freundes in seinem vollen Ausmaß. Mit der Zeit als Waffe hatte Darnok nicht nur das Bild des irdischen Sonnensystems vollkommen umgekrempelt. So oder ähnlich – mancherorts gewiss noch schlimmer – musste es an zahllosen Stellen der Milchstraße aussehen.

Auf Kalser etwa, der Heimat der Nargen. Noch immer war Jiim nicht dazu zu bewegen, seinen Freunden zu offenbaren, was die morphogenetische Botschaft ihm an Informationen dazu vermittelt hatte.

Im noch immer geschlossenen Sarkophag durchlebte Cloud die schlimmsten Momente seines Lebens. Angesichts dieses steinernen Riesen, der die Erde verdrängt hatte, stiegen Gefühle in ihm auf, die ihn mehr entsetzten als alles, woran er sich erinnern konnte.

Bis zu diesem Moment hatte er nicht gewusst, dass er einmal soweit kommen könnte, ein lebendes Wesen mit den bloßen Händen zu erwürgen.

Ein Ungeheuer, von dem er nun wusste, dass er es nie mehr würde Freund nennen können.

Sesha, wandte er sich auf dem Höhepunkt seiner Wut an die KI. Stell sofort alle lebenserhaltenden Maßnahmen an dem Keelon ein, den wir auf Butterfly M2-9 an Bord nahmen!

Darnok? Falls Sesha irritiert wirken konnte, dann tat sie es in diesem Augenblick. Erbitte Bestätigung, dass –

„Darnok!“, schnappte Cloud mit sich überschlagender Stimme. Er hatte die Fäuste geballt, ohne es zu merken. Seine Sinne waren die des Schiffes. Er hätte den Keelon in seinem Regenerationstank sehen können, wenn er es denn gewollt hätte.

Aber alles in ihm sträubte sich dagegen.

Und es war auch nicht nötig. Sesha war zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Sie führte jeden seiner Befehle aus – auch wenn es mitunter zu Rückfragen kam.

Und nun wurde die KI sogar zum Henker.

Systeme abgeschaltet, meldete sie. Der genannte Keelon stirbt wie von dir gewünscht, John Cloud.

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