Читать книгу Leo Deutsch: Sechzehn Jahre in Sibirien - Leo Deutsch - Страница 23
Reisevorbereitungen
ОглавлениеReisevorbereitungen
In der Zelle angelangt, begann ich meine Reisevorbereitungen. Das war nicht ganz einfach. Trotz aller übertriebenen Maßnahmen bei der Überwachung der Sachen, die mir meine Freunde zuschickten, hatte ich mich in den Besitz einer englischen Feile zum Durchschneiden von Eisengittern gesetzt, einer Schere, um nötigenfalls Bart und Haar zu schneiden, und auch Geld in deutschen und russischen Banknoten hatte ich bei mir. Ich musste also diese Dinge irgendwie unterbringen. Die Feile beschloss ich wegzuwerfen, weil sie mir kaum noch nutzen konnte und schwer zu verbergen war; ich brach sie entzwei und warf sie in den Abtritt. Die übrigen Sachen beschloss ich zu verstecken, und zwar so, dass ich bei günstiger Gelegenheit davon Gebrauch machen könnte während des Transports in Deutschland oder in Russland. Der Wächter an meiner Tür ließ mich nicht aus den Augen, aber es gelang mir trotzdem, die genannten Dinge in meinem Anzuge derart zu verbergen, dass sie bei den bevorstehenden körperlichen Untersuchungen nicht gefunden werden konnten und sie leicht zu erreichen waren, wenn ich sie brauchen sollte. Alle diese Vorbereitungen waren die Hoffnung eines Ertrinkenden, der nach dem Strohhalm greift. Ich täuschte mich nicht darüber, dass man mich scharf bewachen werde, und dass jede Aussicht auf Rettung in der nächsten Zeit verloren war. Aber in solcher Lage haben selbst die nutzlosesten Beschäftigungen wenigstens den Vorteil, dass sie eine Ableitung für die Gedanken schaffen. Und meine Gedanken waren nicht die angenehmsten. Ich wusste, was mir bevorstand; ich malte mir die Zukunft aus: lange, lange Jahre im Kerker, begraben bei lebendigem Leibe, dem Leben entrückt, und das eben drückte mich nieder. Ich glaube, der Gedanke an den Tod wäre mir leichter gewesen als der Gedanke an dieses Los. „Was nützt mir jetzt noch das Leben?“ fragte ich mich, und die Antwort war trostlos genug...
* * *