Читать книгу Michelangelo – Der überhörte Weckruf - Lieselotte Bestmann - Страница 5
ОглавлениеZur Familiengeschichte
Michelangelo wurde am 6. März 1475 in Caprese, einem kleinen Ort in der Nähe von Arezzo, geboren. Sein Vater Ludovico Buonarroti Simoni war zu diesem Zeitpunkt dort Podestà, eine Art von Bürgermeister und Richter. Seine Amtszeit endete bereits am 1. April 1475 und die Eltern kehrten mit dem älteren Sohn nach Florenz zurück. Der kleine Michelangelo wurde einer Amme, der Frau eines Steinmetzen in Settignano, übergeben. Die Familie Buonarroti besaß dort ein kleines Landgut, das ihnen jedoch nur geringen Ertrag einbrachte. Dieser Ort, in dem zahlreiche Steinmetze lebten und arbeiteten, hat Michelangelo das ganze Leben hindurch magisch angezogen. Er fühlte sich den Menschen innig verbunden und hat später seinen Biographen gegenüber geäußert, dass er die Liebe zu Hammer und Meißel wahrscheinlich bereits mit der Ammenmilch eingesogen habe. 1481 verstarb seine leibliche Mutter nachdem noch drei weitere Söhne das Licht der Welt erblickt hatten. Michelangelo war damals gerade sechs Jahre alt. Die Haushaltsführung wurde von Familienangehörigen übernommen. Der Vater heiratete später noch einmal. Die Familie Buonarroti Simoni gehörte zwar dem niederen Adel an, verfügte jedoch zu dem Zeitpunkt kaum über Einnahmequellen. Der Vater verdiente den Unterhalt für seine Familie durch wechselnde, ihm standesgemäß erscheinende Verwaltungstätigkeiten, immer in dem Bemühen, das Ansehen der Familie hoch zu halten und wieder einigen Wohlstand zu erwerben.
Der Vater erkannte früh die außerordentlich gute Auffassungsgabe Michelangelos und schickte ihn daher auf eine Grammatik-Schule in der Absicht, ihn die juristische Laufbahn einschlagen zu lassen. Doch diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Michelangelo machte zwar einige Fortschritte, verbrachte jedoch den größten Teil der Unterrichtsstunden mit der Anfertigung von Zeichnungen.
Eine wichtige Rolle spielte in dieser Zeit seine Freundschaft mit dem einige Jahre älteren Francesco Granacci, der sich bereits in einem Ausbildungsverhältnis in der Werkstatt von Domenico Ghirlandaio befand, des damals berühmtesten Malers von Florenz. Granacci versorgte seinen Freund heimlich sowohl mit Zeichenpapier als auch mit Vorlagen zum Kopieren und ermutigte ihn offensichtlich immer wieder, seiner Begabung und seinen Neigungen nachzugehen. Heftigste Auseinandersetzungen mit dem Vater konnten nicht ausbleiben. Für Ludovico Buonarroti waren nach dem damaligen Zeitverständnis sowohl Bildhauer als auch Maler Handwerker, ein Berufsstand, der für ein Mitglied der Familie Buonarroti Simoni weder standesgemäß noch akzeptabel war. Und doch gelang es, dass der damals dreizehnjährige Michelangelo am 1. April 14881 offiziell und mit Vertrag als Lehrling in die Werkstatt Domenico Ghirlandaios aufgenommen wurde.
1 Vasari (V1.2.949), zit. nach Murray, Michelangelo, S. 13.