Читать книгу Michelangelo – Der überhörte Weckruf - Lieselotte Bestmann - Страница 6

Оглавление

Am Hofe der Medici

Eine entscheidende Wende im Leben des damals 14jährigen Michelangelo trat 1489 ein. Noch während seiner Lehrzeit bei Ghirlandaio wurde er in den Garten der Medici aufgenommen. In diesem Garten in der Nähe von S. Marco in Florenz versammelte Lorenzo de’ Medici, genannt „Il Magnifico, der Prächtige“, junge, begabte Talente, die unter Anleitung erfahrener Lehrer sich entwickeln konnten. Und hier erfüllte sich erstmals Michelangelos sehnlichster Wunsch, sich mit der Arbeit am Marmor auseinanderzusetzen. Unter der Anleitung des hochbetagten Bildhauers Bertoldo, eines Schülers Donatellos, des berühmtesten Bildhauers der Renaissance, gab es die Möglichkeit, die dort vorhandene Antikensammlung zu studieren und die eigenen Fähigkeiten auszuprobieren.

Darüber hinaus wohnte Michelangelo im Palast der Medici, gehörte nicht nur zur Tischgesellschaft, sondern nahm auch an den im Palast stattfindenden Diskussionsrunden teil. Cosimo de’ Medici, genannt „Il Vecchio, der Alte“, hatte 1459 am Hofe der Medici die Platonische Akademie gegründet. 1453 war Konstantinopel in die Hände der Türken – und damit des Islam – gefallen. Viele bedeutende Gelehrte flüchteten und versammelten sich damals in Florenz. Zum Leiter dieser Akademie war der humanistische Philosoph Marsilio Ficino berufen worden, für dessen Philosophie der Satz kennzeichnend ist: „Wahre Philosophie ist Religion. Wahre Religion ist Philosophie“ (Epist. I). Als weitere führende Denker gehörten zu diesem Kreis dessen Schüler und Freund Pico della Mirandola, der Dante-Forscher Cristofero Landino und der Humanist und Dichter Angelo Poliziano.

Eingebunden in diesen Kreis erschloss sich für den jungen Michelangelo eine völlig neue Gedankenwelt. Hier wurde nicht nur nach alten griechischen Überlieferungen geforscht und deren Bedeutung für die Gegenwart diskutiert, sondern auch die Werke der Neuzeit, vor allem Dante und damit seine Göttliche Komödie. Condivi berichtet, dass Michelangelo sich eifrigst den Studien widmete, keinerlei Ansporns bedurfte und „sein überlegener Geist“ von den Gelehrten erkannt und er von ihnen geliebt und gefördert wurde (AC.X).

In diese Zeit fiel ein für die Folgezeit außerordentlich wichtiges Ereignis: Das Auftreten des Dominikanermönches Savonarola, der 1491 als Prior des Klosters San Marco nach Florenz berufen worden war. Dieser asketische Mönch trat als Bußprediger auf, forderte eine grundlegende Reform der Kirche und rückte die Verworfenheit des damaligen Papsttums ins Licht der Öffentlichkeit. Er prophezeite das bald bevorstehende Strafgericht Gottes und rief jedermann zur Buße auf. Michelangelo war von diesen Predigten tief beeindruckt.

Doch diese wichtige Zeit endete für Michelangelo schlagartig: 1492 starb Cosimo de’ Medici plötzlich im Alter von nur 44 Jahren und Michelangelo kehrte in die Enge seines Vaterhauses zurück. Es wird vermutet, dass Michelangelo den Garten der Medici, für den er einen eigenen Schlüssel besessen haben soll, weiterhin aufsuchte. Auf Einladung Piero de’ Medicis zog er 1494 noch einmal kurzfristig in den Palast, verließ aber wenige Monate später fluchtartig mit einigen Begleitern Florenz wegen der dort ausbrechenden Unruhen in Richtung Bologna.

Michelangelo – Der überhörte Weckruf

Подняться наверх