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Mutter und der Erste Weltkrieg

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Mutter war gegen den Krieg. Details interessierten sie nicht. Kleine Verwechslungen von Freund und Feind kamen täglich vor. Im Frieden war sie jedesmal, wenn der Kaiser über die Mariahilfer Straße fuhr, hinausgegangen, hatte sich vor das Kaffeehaus gestellt und den Kaiser gegrüßt. Er kannte sie schon und dankte ihr höflichst.

Aber seit Ausbruch des Krieges ging sie nicht mehr hinaus, ich weiß nicht, ob es dem Kaiser aufgefallen ist, es war jedenfalls ihre Art, gegen den Krieg zu demonstrieren.


Sie fühlte sich verpflichtet, mit Gästen Gespräche über die wichtigsten Tagesereignisse zu halten. Dies führte während der Kriegszeit oft zu Mißverständnissen, da sie den Betrieb dabei nicht aus den Augen ließ und etwas zerstreut war. Zum Beispiel:

Eine Dame: »Mein Gott, die Russen! Sie dringen vor.« Mutter: »Und Warschau sollen sie auch schon haben.« Dame: »Warschau??«

Ich mische mich ein: »Mutter, Warschau gehört den Russen.«

»Mutter: »Seit wann?« Ich: »Schon lange.«

Mutter: »Aber geh! Was jetzt alles zusammengeredet wird.

Man weiß wirklich nicht, wem man glauben soll.«


Im ersten Kriegsjahr kam Mutter eines Morgens sehr aufgeregt in die Wohnung hinauf und sagte:

»Es gelingt also unsern Feinden doch, uns auszuhungern.«

»Was ist geschehen?«

»Wir bekommen nur mehr drei Kilo Kaffee täglich.«

»Deswegen werden wir nicht verhungern.«

»So, wieso werden wir nicht verhungern?«

»Weil der Kaffee keinen Nährwert hat.«

»Ah, der Kaffee hat keinen Nährwert?«

»Er hat keinen.«

»Auf einmal hat der Kaffee keinen Nährwert?!«

»Er hat nie einen gehabt.«

»Das ist das erste, was ich höre; nein, so etwas: Der Kaffee hat keinen Nährwert!?«

»Er hat keinen.«

»Er hat keinen, so, na und die Milch?«


Ich beobachtete sie einmal, wie sie die Kriegsberichte las.

»Mutter, du liest die Kriegsberichte?«

»Ja; ich denke mir dabei, wie interessant das für Leute sein muß, die wissen, wo das ist.«

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