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Kapitel 1 - David

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Den ganzen Weg zurück schwiegen wir.

Ich war noch immer überwältigt von dem Licht und auch Kiki schien ganz in Gedanken versunken zu sein.

Als wir daheim ankamen, ging die Sonne bereits unter und wir gingen durch den Wald, folgten dem Geräusch des Meeres.

Wir lebten alle in einem kleinen Teil des weitläufigen Waldes von Kanada.

Einige hatten Hütten im Wald aufgebaut. Manche lebten in den Bäumen, um den Sternen näher zu sein.

Auch Kiki hatte ein Baumhaus.

Ich hingegen hatte nicht wirklich ein zu Hause. Ich hatte es nach all den Jahren immer noch nicht über das Herz gebracht mir ein eigenes Heim aufzubauen.

Manchmal schlief ich einfach am Strand und wenn ich Sehnsucht nach den Sternen hatte, dann ließ Kiki mich bei sich übernachten.

„Wir sollten nochmal zum Lichtturm gehen. Vielleicht gibt es Anweisungen von den Ältesten.“, meinte ich und Kiki nickte.

Unser Zuhause bestand aus einem weitläufigen Waldgebiet, hoch oben in Kanada. Eine Gegend, in die kein Mensch kam und auch wenn - unsere Präsenz war so unauffällig.

Kein Mensch würde uns entdecken.

Im Wald, nahe dem Meer stand ein großes Gebäude.

Hier bekamen wir unsere Aufträge, wurden ausgebildet, lernten. Alles wurde hier organisiert.

Hinter dem Gebäude ging es zu den Klippen und von dort aus kam man hinunter zum Strand.

Es war einfach der perfekte Ort für uns, fernab von Menschen. Wir waren hier geschützt.

„Und was machst du heute noch?“, fragte Kiki lächelnd.

„Nichts, warum?“, fragte ich skeptisch. Hoffentlich hatte ich nicht irgendeinen wichtigen Termin verpasst.

„Naja, ich dachte du besuchst Dante. Schließlich ist heute sein Geburtstag und er feiert doch groß.“

„Stimmt. Ein Glück erinnerst du mich daran. Das hätte ich vergessen.“

„Wie alt ist er jetzt eigentlich schon?“, fragte Kiki, man sah an den Falten auf ihrer Stirn wie sie im Kopf die Jahre zählte.

„Ich glaube es ist sein dreihundertachtundsechzigster Geburtstag und er führt sich immer noch wie ein Teenager auf. Findest du nicht?“, meinte ich neckend.

Kiki grinste.

„Dann weißt du ja wie heute seine Feier ist.“

Ich seufzte erschöpft.

„Komm schon, David. Das wird bestimmt super lustig.“, versuchte Kiki mich zu motivieren.

„Du kommst doch auch mit. Dann kann es gar nicht so schlimm werden.“

Kiki verdrehte die Augen.

Dann waren wir am Lichtturm angekommen und ich blickte an dem Gebäude hinauf.

Es bestand aus einem großen weißen Turm, der in der dunklen Nacht leuchtete. Links und rechts davon gab es mehrere kuppelförmige Anbauten. Alles war mit vielen Fenstern und Glas gebaut worden.

Als wir hineinkamen, kam uns gleich Talon entgegen.

Er war vor Jahren mein Mentor gewesen und diese Rolle hatte er nie abgelegt, selbst wenn er bereits einer der Ältesten war.

Er trug eine weiße Robe und seine Augen waren strahlend weiß, zumindest die Iris.

Alle Ältesten waren komplett weiß, ihre Aura war so strahlend, dass es viele von uns blendete.

Sie waren die Erfahrensten und Weisen unter uns. Deshalb waren sie es, die uns führten.

Auch ihre Haare waren weiß.

Je mehr man sich weiterentwickelte, desto mehr Macht erlangte man und desto heller wurde die eigene Aura und auch man selbst.

Kiki und ich hatten bereits Lichter.

Das hieß wir hatten sowohl unsere Grundausbildung als auch die weiterführende Ausbildung absolviert und durften nun Lichter weitergeben und uns weiterentwickeln.

„Und wie war es heute?“, fragte Talon. Seine Aura strahlte so hell, dass ich etwas die Augen zusammenkneifen musste.

„Gut. Wir haben alles erledigt und wollten nur kurz vorbeischauen, bevor wir zu Dantes Feier gehen.“, erklärte Kiki. Sie kniff die Augen leicht zusammen. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten.

Sie trug wie wir alle ein helles Shirt und Blue Jeans. Wir wollten während unserer Arbeit in der Menschenwelt nicht auffallen.

Talon hingegen trug eine weiße Robe, strahlend wie seine Aura.

„Was ist passiert?“, fragte er mit einem kritischen Blick zu mir.

Diesen Blick kannte ich nur zu gut. Es war der wissende Blick, den er immer aufsetzte, wenn er erkannte, dass man ihm etwas verschwieg.

„Ich habe einem Kind heute ein gelbes Licht gegeben.“, erklärte ich, versuchte mir nichts weiter anmerken zu lassen.

„Naja, gelb war es nicht. Eher ein schwacher Abklatsch von meinem schönen Sonnengelb.“, stellte Kiki klar und ich schmunzelte.

Talon lächelte leicht.

„Es war mehr ein Gelb mit einem frischen Grün. Limettenfarben vielleicht.“

„Das ist doch ein Fortschritt. Bald wirst du alle Farben beherrschen. Das ist wirklich schön. So einen fähigen Schüler wünscht sich jeder.“

Ich spürte Talons Stolz und war froh darüber. Es war schön jemanden zu haben, der einen verstand, unterstützte und lehrte.

Talon klopfte mir auf die Schulter und lächelte erfreut.

„Dann geht auf die Feier, das habt ihr euch heute verdient.“, meinte er noch, wandte sich zu einem der Gänge, die von der kreisrunden Eingangshalle abzweigten und verschwand mit großen Schritten.

Die Eingangshalle war sehr hell, der Boden war aus weißen, runden Mosaiksteinen, die durch leichte pastellfarbene Steine unterbrochen wurden.

Es gab einige Sitzmöglichkeiten, kleine weiße Bälle aus weichem Strick.

„Lass uns gehen.“, meinte Kiki, nahm meine Hand und zog mich nach draußen.

Die Nacht war mittlerweile über uns hereingebrochen, der Himmel war klar und die Sterne funkelten über dem Wald.

Kiki rannte voraus durch den Wald. Ihr Zopf hüpfte an ihrem Rücken auf und ab und ihre schlanke Gestalt verschwand immer wieder zwischen den Baumstämmen.

Noch bevor wir Dantes Hütte sahen, hörten wir schon die ersten Anzeichen der Party.

Irgendjemand hatte Diskomusik aufgelegt und man roch den Rauch eines Lagerfeuers.

Ich musste lächeln. Das war typisch Dante.

Als wir aus dem Wald auf eine winzige Lichtung traten, waren schon ziemlich viele da.

Ihre hellen Kleider und noch viel mehr die leuchtend weißen Auren erhellten die Lichtung, mehr als das Lagerfeuer.

Vor einer kleinen Blockhütte standen überall Leute, manche tanzten bereits, andere saßen an den kleinen Feuerstellen, die überall auf der Lichtung verteilt waren.

Es roch nach frisch gebackenem Brot und Früchten.

Auch typisch Dante, er liebte die Vorstellung davon ein Elf zu sein.

So, wie die Menschen uns früher beschrieben hatten, wenn sie einen von uns bemerkten.

Deshalb aß er kein Fleisch.

Wir waren keineswegs Elfen, doch Dante war gerne ein Elf und niemanden störte seine Sicht der Dinge.

Solange er seine Aufgabe erfüllte, war alles erlaubt.

Und die Menschen hatten über die Jahrtausende hinweg immer wieder andere Namen für uns gehabt.

Es waren nur Namen, sie bedeuteten nichts.

„Kiki, David. Wie schön, dass ihr hier seid.“, Dante suchte sich einen Weg durch die Menge zu uns.

„Alles Gute!“, begrüßte ich ihn und umarmte ihn.

Er war etwas kleiner als ich. Seine Iris war über die Jahrhunderte immer heller geworden, war schon fast weiß. Aber sein Haar war immer noch dunkelbraun.

Talon hatte mir einmal erklärt, dass Dante aus bloßer Sturheit keine weißen Haare bekam. Normalerweise wurden unsere äußeren Merkmale, je weiter wir uns entwickelten, immer heller, genauso wie unsere Aura.

Deshalb hatte Talon ganz weiße Haare und Iris.

Dante aber hatte es bis heute geschafft seine dunkle Haarpracht zu erhalten.

In wilden Locken zwirbelten sie sich auf seinem Kopf.

Ich kannte keinen von uns der das jemals geschafft hatte.

Talon meinte, dass es mit Dantes Nationalgefühl zu tun hatte.

Nach über dreihundert Jahren fühlte er sich seinem Heimatland Italien immer noch so sehr verbunden.

Und wie viele Italiener war auch Dante mit dunklen Locken geboren worden.

Ich war beeindruckt, wie er das geschafft hatte.

„Dante, alles Gute!“, meinte Kiki und umarmte ihn ebenfalls.

„Amüsiert euch! Ich wette, dass wird die beste Geburtstagsfeier des Jahres!“, rief Dante noch, huschte schon an uns vorbei, um weitere Gäste zu begrüßen.

Kiki grinste mir zu.

„Dann stürzen wir uns in das Getümmel!“, Kiki nahm meine Hand und führte mich zu einer der Feuerstellen an denen Essen auf kleinen Tischen stand.

Wir nahmen uns ein paar Weintrauben und knuspriges Brot, es roch herrlich frisch.

Am Lagerfeuer trafen wir auf einige aus unserer Altersgruppe. Viele von uns waren befreundet, weil wir alle zusammen Unterricht gehabt hatten. Und jetzt arbeiteten wir meistens gemeinsam.

Doch eigentlich waren wir alle wie eine große Familie, mit den Ältesten als weise Väter, den Kleinen als Geschwister.

Dante könnte der verrückte Onkel sein, überlegte ich.

Während Kiki sich mit den anderen unterhielt, setzte ich mich an das Feuer und blickte in die leuchtenden Flammen.

Die Musik und die Stimmen der vielen Leute waren so laut, dass ich nicht hörte, wie sich Chris zu mir setzte. Aber ich spürte seine Aura, die sich näherte.

Wenn man gut war, konnte man sein Gegenüber nur darüber erkennen.

Chris grinste mich an und klopfte mir zur Begrüßung auf die Schulter.

Er war groß und kräftig mit dunkelbraunem Haar.

„Und alles klar bei dir?“, fragte Chris.

Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Bei dir?“

„War ein anstrengender Tag. In Indien habe ich gefühlt hundert Kinder gehabt. Du weißt ja wie das an solchen Orten immer ist. Eigentlich wäre ich über Nacht dort geblieben. Aber ich wollte die Party nicht verpassen.“

„Hoffentlich hast du allen ein schönes indisches Gelb gegeben?“, fragte ich grinsend.

„Eins.“, meinte Chris, lachte leise.

„Wie großzügig von dir.“

„Der Kleine wird bestimmt so berühmt wie Gandhi.“, meinte Chris voller Überzeugung.

Ich musste lachen. Wir hatten zwar einen Einfluss auf die Menschen, aber ob wir mit unseren Auren, die wir ihnen gaben, ihren Weg so stark beeinflussen konnten, wagte ich zu bezweifeln.

Die Auren beeinflussen den Menschen, wie er auf andere wirkte, welche Auren harmonisierten und welche nicht. Wie stark die Person ist oder wie schwach.

„Lach nur, du wirst schon sehen.“, Chris grinste.

„Ich habe heute ein gelbes Licht vergeben.“, meinte ich da, nicht um anzugeben, sondern, weil ich es Chris gerne sagen wollte. Er war mein bester Freund.

Und in dem Moment wurde es erst richtig greifbar, wahrhaftig.

„Wirklich…?“, fragte Chris.

Da tauchte Kiki auf, ihre grauen Augen blitzten schalkhaft und sie kniete sich zu uns ans Feuer.

„Wenn du mich fragst, war es mehr ein Limettengrün.“, meinte sie grinsend.

Keiner von uns erwähnte das Mädchen mit der goldenen Aura.

„Jetzt kommt! Wir wollen etwas tanzen!“, Kiki zog mich hoch und auch der Rest folgte uns in die Mitte der Lichtung, um sich unter die Tanzenden zu mischen.

Später in der Nacht wandelten Kiki und ich noch durch den Wald.

Tannen, Kiefern und Sitka-Fichten erhoben sich prächtig neben uns dem Himmel entgegen. Nur wenige Laubbäume fanden hier Platz.

Der Boden war weich von Moos, an manchen Stellen wuchsen Farne.

Kiki blickte hinauf zu den Baumkronen, immer mal wieder blitzte ein Stück schwarzer Nachthimmel mit leuchtenden Sternen zwischen den Ästen hervor.

„Willst du bei mir schlafen? Heute ist der Himmel klar.“, fragte Kiki.

Ich nickte: „Danke.“

Gemeinsam gingen wir zu einem Baum mit tiefen Ästen. Somit konnte man leichter hinaufklettern.

Nach einigen Metern kam die Luke zu Kikis Haus.

Der untere Raum war groß, von mehreren Ästen durchdrungen, die aber umfunktioniert wurden.

Zwei dienten als Stütze für die Tischplatte und einer als Regal, in dem Bücher standen.

In der Mitte des Raums war der Baumstamm. An diesem kam man in den nächsten Stock hinauf mit zwei abgetrennten Zimmern.

Eines davon gehörte fast mir. Hier waren meine ganzen Klamotten, Bücher und die wenigen persönlichen Sachen, die ich besaß.

Kiki war so freundlich, mir den Raum frei zu halten.

„Dann gute Nacht.“, meinte ich, umarmte Kiki und ging durch die Tür in mein Zimmer.

Ich hatte es so gestaltet, dass eine Seite der Wand aus einer Glasfront bestand und ich somit in das Blätterwerk des Waldes blickte.

Mein Bett, eigentlich nur eine große Matratze am Boden, lag genau so, dass ich, wenn ich auf dem Rücken lag durch ein kleines Fenster in den nächtlichen Himmel blicken konnte.

Ich legte mich lächelnd hin und atmete die Gerüche des Waldes ein. Frost, klare Luft, Meersalz von der Küste, Kiefern, Harz und noch so viel mehr.

Da hörte ich leise Schritte.

„Kiki?“, fragte ich sie, spürte ihre Aura ganz nah.

Kiki kam einen Schritt in das Zimmer, der Holzboden knarrte unter ihren Füßen.

Ich sah im kalten Licht des Mondes ihre Zähne aufblitzen, als sie lächelte.

„Ich bin mir sicher, dass du irgendwann dein Zuhause finden wirst.“, flüsterte sie nur, drehte sich um und verschwand in ihrem Zimmer.

Ich blickte aus dem Fenster in den dunklen Wald. Für mich war er nicht so dunkel, denn ich sah so viel mehr als jeder Mensch.

Ich sah die winzigen Auren der Tiere im Wald. Sie leuchteten selbst jetzt in der Nacht, wo die meisten schliefen. Wie Glühwürmchen. Und auch die Pflanzen umgab ein weiches, grünes Licht, sanft und schön.

Ich seufzte, schloss die Augen. Manchmal war es anstrengend so viel zu sehen. Und deshalb würde ich nie ankommen, ich würden nie zu Hause sein.

Ich würde immer anders sein und für immer nicht ganz dazu gehören.

Wenigstens hatte ich jetzt einen Ort gefunden, an dem ich eine Familie hatte, eine die mich verstand.

Früher war das anders gewesen.

Licht

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