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Kapitel 3 - David

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Dunkles Grün der Tannen und frühlingshaftes Lindgrün der Laubbäume.

Die Wärme der Sonne wurde mit jedem Tag stärker und bald würde auch diesen abgelegenen Wald die sommerliche Hitze erreichen.

Ich stand auf und lief durch den Wald zu meiner Lieblingsstelle.

Hier reichte der Wald bis an den Rand einer Meeresklippe, die weiter östlich dann in eine steinige Bucht überging.

Unter mir, am Rand der Klippen, brach das Meer mit seiner ganzen Kraft gegen den unnachgiebigen Stein, rauschend und donnernd.

Ich ließ die letzten Bäume hinter mir und blickte hinaus auf das Meer. Mein Blick glitt über die dunkle, fast schwarze Masse. Die Strahlen der aufgehenden Sonne hinter mir spielten auf dem Wasser, das immer in Bewegung war, und tauchten die Wellen in einen schönen, goldenen Ton, untermalt vom Marineblau des Meeres.

In dem Moment wusste ich genau, was ich machen würde, was ich machen musste und ich rannte los.

Als ich in die Stadt kam, war ich mir nicht sicher, wie ich vorgehen sollte.

Wie suchte man jemanden, dessen Namen man nicht kannte, den man nur zufällig in einem Krankenhaus getroffen hatte.

Sehr wenige Anhaltspunkte.

Also kaufte ich mir erst einmal einen Kaffee, um wach zu werden.

Unsere Gemeinschaft lebte vom Zusammenhalt aller.

Einige arbeiteten unter den Menschen, um für die anderen den Lebensunterhalt zu verdienen, Erfahrungen zu sammeln oder einfach nur, weil sie schon so viele Lichter vergeben hatten, dass sie eine Abwechslung wollten. Während andere Wächter des Lichts wie ich unserer Aufgabe nachgingen und Lichter gaben.

Ich entschied mich das Krankenhaus von gestern aufzusuchen. Das war mein einziger Anhaltspunkt und vielleicht würde ich hier etwas über sie herausfinden.

Als ich durch die Straßen der Stadt ging, machten mich die vielen Eindrücke, denen ich ausgesetzt war, weit weniger aus, als noch vor ein paar Jahren.

Besonders in den Städten litten die Menschen unter einer ständigen Imbalance.

Ihre Auren waren oft schwach oder zu stark ausgeprägt.

Sie waren gestresst, angespannt oder ängstlich.

Natürlich gab es auch Ausgeglichene, aber selbst sie waren in der morgendlichen Rush-Hour unruhig.

Ich machte einen kleinen Umweg, um durch einen Park zu schlendern, statt an der befahrenen Straße zu gehen.

Dort blieb ich kurz am Wegrand stehen, schloss die Augen und versuchte die Last, die Eindrücke abzuladen.

Es gelang mir immer besser.

Und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich sie.

Ein Wunder, dass ich sie noch nicht gespürt hatte.

Sie stand ungefähr fünfzig Meter von mir entfernt am Rand eines Brunnens aus grauem Stein.

Und im nächsten Moment stockte mir der Atem, denn sie schaute mich an.

Sie blickte mir direkt in die Augen, nicht an mir vorbei.

Sie ließ sich auch nicht von anderen Passanten ablenken.

Ihr Blick war auf mich gerichtet, definitiv.

So etwas war mir noch nie passiert. Noch nie hatte mich jemand bemerkt, zumindest kein Mensch.

Wir waren die Unsichtbaren, die Menschen übersahen uns einfach.

Doch sie starrte mich weiterhin an und ich starrte fasziniert zurück.

Dann blickte sie weg und Enttäuschung erfüllte jede Faser meines Körpers. Noch nie hatte es so weh getan übersehen worden zu sein.

Sie machte zwei Schritte am Brunnenrand entlang und dann warf sie mir einen schnellen Blick zu.

Ihre helle Haut färbte sich sanft mit einem rosa Ton, als schämte sie sich.

Und nun schlug mein Herz schneller. Das war eine ganz natürliche, menschliche Reaktion, schließlich hatte ich sie dabei entdeckt wie sie mich anstarrte.

Sie ging zwei weitere Schritte am Rand des Brunnens entlang, entfernte sich damit von mir.

Ich gab mir einen Ruck und ging auf sie zu.

Diese dreiundvierzig Schritte waren so schwer. Mein Herz raste und ich hatte solche Angst, dass ich mir das nur eingebildet hatte und sie mich überhaupt nicht sah. So wie alle anderen.

Als ich nur noch einen Schritt von ihr entfernt war, blieb ich stehen, denn sie bewegte sich.

Tatsächlich drehte sie sich zu mir um. Ihr Licht blendete mich, genauso wie gestern.

Einfach unglaublich! So viel Wärme, so viel Kraft.

Ich war überwältigt, unbewegt.

„Tut mir leid. Ich wollte dich vorhin nicht anstarren.“, erklärte sie plötzlich, blickte mir direkt ins Gesicht, direkt in die Augen.

Ein weiterer Schock, der mir den Atem raubte.

Mein Herz schlug schneller.

„Habe ich dich erschreckt?“, fragte sie vorsichtig.

Es kostete mich all meine Kraft mich von diesem wunderbaren Licht loszureißen und mich auf ihre Worte zu konzentrieren.

„Nein, ich habe mich nur gewundert? Kennen wir uns?“, fragte ich, versuchte die Situation für sie irgendwie erklärbar zu machen.

„Ich denke nicht. Ich war nur … fasziniert. Du hast so tiefenentspannt zwischen den Bäumen gestand.“, versuchte sie zu erklären.

Ich lächelte ihr aufmunternd zu.

„Kein Problem. Ich war nur verwundert. Normalerweise beachtet mich hier niemand.“

Und auch sonst beachtet mich niemand, dachte ich. Nur du.

Das musste etwas bedeuten. Ich wollte, dass es etwas bedeutet.

„Wie heißt du?“, fragte ich sie.

So begann man doch üblicherweise ein Gespräch.

Aber sie starrte mich nur an, direkt in meine Augen.

Ich wusste, was sie sah. Ich war noch nicht so weit leuchtend weiße Augen wie Talon zu haben. Meine Iris war stahlgrau und mein Haar hellblond.

Nach Sekunden riss sie ihren Blick von mir, ihre Wangen färbten sich wieder zu diesem sanften Rosa.

Damit und mit den wellig goldenen Locken, die ihr über die Schulter fielen, sah sie so schön aus.

„Du bist so hell.“, flüsterte sie und ich musste grinsen.

Gleichzeitig war ich über alle Maße erstaunt.

War sie einfach nur aufmerksamer als andere Menschen, oder war sie anders.

In den ersten Minuten, die sie mich bis jetzt gesehen hatte, hatte sie weit mehr von mir erkannt als jeder andere Mensch.

Zunächst hatte sie mich überhaupt wahrgenommen und sie hatte gesehen, dass ich anders war. ´Hell` traf es da sogar sehr gut.

„Entschuldigung! Ich mache bestimmt einen ziemlich seltsamen Eindruck.“, meinte sie beschämt.

„Wenn du mir deinen Namen verrätst, wird es vielleicht besser.“, ermutigte ich sie.

Ein Lächeln stahl sich auf ihre vollen Lippen, ich konnte den Blick gar nicht davon losreißen.

Das Verlangen sie küssen zu wollen, traf mich völlig unvorbereitet und ich wich automatisch ein bisschen von ihr.

So etwas hatte ich noch nie empfunden. Sie zog mich an.

„Ich heiße Mayrose. Und du bist?“, fragte sie.

„Ich bin David.“

Mayrose lächelte und streckte mir ihre Hand entgegen. Ich nahm sie sofort und spürte zum ersten Mal ihre Aura direkt an meiner Haut.

Es war als würde das Gold meinen Körper einnehmen. Die Wärme, die davon ausging schoss kribbelnd durch meinen Körper, wärmte jede Faser.

Ich spürte die Wärme und die Stärke, die in diesem Licht lag.

Viel zu schnell ließ sie mich wieder los und wandte sich etwas ab.

„Ich muss weiter, aber vielleicht haben wir ja einen ähnlichen Weg? Musst du auch durch den Park?“

Sie lächelte mir schüchtern zu.

„Ja!“, meinte ich, vielleicht etwas zu schnell, denn ihr Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.

Ich folgte ihr um den Brunnen herum.

„Wo musst du hin?“, fragte ich sie neugierig.

Ich ging neben ihr, so nah, dass ihre Aura mich berührte. Immer wieder spürte ich die Wärme, welche davon ausging.

Die Berührung ließ mich schaudern.

So gerne wäre ich ihr noch nähergekommen. Nur um diese angenehme Wärme noch intensiver zu spüren.

„Ich wollte ins Krankenhaus. Meine ältere Schwester hat gerade ein Kind bekommen.“, erklärte sie.

„Dann bist du Tante geworden. Glückwunsch! Etwas jung, oder?“, fragte ich lächelnd.

Sie grinste.

„Ja, definitiv.“

Ich schätzte sie auf vierundzwanzig, jünger als ich auf jeden Fall.

„Und was machst du hier? Wenn du nicht gerade im Park sinnierst?“, fragte sie.

„Ich arbeite mit Kindern.“, erklärte ich, „Und du?“

Ich versuchte das Gespräch auf sie zu lenken, denn ich wollte sie nicht unnötig anlügen müssen.

„Ich studiere und arbeite nebenbei in einer Firma.“

„Was studierst du?“

„Mein Schwerpunkt liegt auf Business Administration, aber ich belege auch ein paar Kurse in Psychologie und Philosophie.“

Ich war fasziniert.

Diese Studienrichtung hätte ich nicht erwartet. Es passt nicht zu ihrer Aura. Sie strahlte so viel Wärme und so viel Gefühl aus, dass ich mir eher eine künstlerische Studienrichtung vorgestellt hätte.

„Das klingt jetzt bestimmt etwas trocken für jemanden der mit Kindern arbeitet.“

„Nein, überhaupt nicht. Die Kombination klingt ziemlich spannend.“, meinte ich voller Ernst und lächelte aufmunternd.

Wir waren am Ende des Parks angekommen und blickten auf die Straße.

Rauschend fuhren die Autos an uns vorbei.

Von der morgendlichen Frische war kaum mehr etwas zu spüren. Die Sonne strahlte kräftig auf die Häuser und Straßen hinab.

„Ich muss dort entlang. Um die Ecke ist das Krankenhaus.“, erklärte sie und stellte sich an die Ampel.

„Wo musst du hin?“

Ich lächelte zerknirscht, doch ich konnte einfach nicht widerstehen.

„Ich auch. Ich besuche ein paar Kinder.“, erklärte ich.

Und sie lächelte, als würde sie das freuen.

„Wohnst du schon immer hier? Oder bist du nur zum Studieren hierhergekommen?“, fragte ich.

Ich wollte unbedingt mehr über sie erfahren.

Sie schien so viel mehr zu sein als ein normales Mädchen.

„Als ich zehn Jahre alt war, sind wir hierhergezogen. Aber ich wohne schon seit einiger Zeit allein in einer kleinen Wohnung.“

„Verstehst du dich nicht mit deinen Eltern?“, fragte ich.

„Doch. Aber ich habe immer das Gefühl, sie denken ich würde nicht genug aus meinem Leben machen.“, erzählte sie und ich spürte, dass da noch mehr war.

Plötzlich färbten sich ihre Wangen, ein sanfter rosa Ton.

„Was ist?“, fragte ich neugierig.

„Tut mir leid. Normalerweise bin ich nicht gleich so offen…“, sie zögerte.

Ich lächelte, wir kamen um eine Ecke auf den großen Parkplatz des Krankenhauses, ließen den Straßenlärm hinter uns.

„Ich finde es schön.“, stellte ich fest.

Sie lächelte zerknirscht.

„Wie ist es bei dir?“, frage sie, es kam mir so vor, als wollte sie von sich ablenken.

Sie schien nicht gerne im Mittelpunkt zu stehen.

Was bei dieser alles einnehmenden Aura verwunderlich war.

„Wohnst du schon lange hier?“

„Nein, eigentlich komme ich aus der Nähe von Calgary. Doch ich bin schon sehr lange von zu Hause weg. Im Moment wohne ich mit einem Freund zusammen.“

Wir waren am Eingang des großen, weißen Gebäudes angekommen.

Die Türen gingen automatisch auf. Fast sofort traf mich der Geruch nach Desinfektionsmittel und abgestandener Luft, der so typisch für jedes Krankenhaus war.

Einerseits ein unangenehmer Geruch, doch für mich bedeutete er Heilung und Zuversicht. Hier konnte ich meiner wahren Bestimmung nachgehen. Eigentlich eine ziemliche Diskrepanz.

„Ich muss in den zweiten Stock zu den Neugeborenen.“, erklärte sie, während wir zu den Fahrstühlen gingen.

Im Fahrstuhl drückte ich auf den zweiten und dritten Stock.

Im dritten Stock waren die älteren Kinder und die Intensivstation der Neugeborenen.

Also eine plausible Wahl, nachdem was ich ihr erzählt hatte.

Als die Tür des Fahrstuhls zuging hörte ich sie tief einatmen.

Verwundert blickte ich zu ihr hinunter. Mir fiel erst jetzt auf, dass sie einen Kopf kleiner als ich war.

Da blickte sie zu mir, direkt in meine Augen.

„Ich würde dich gerne wiedersehen?“, ihre Stimme war leise, unsicher.

Dieser Satz schlug Wellen durch meinen Körper und ein Lächeln breitete sich unwillkürlich auf meinen Lippen aus.

„Das würde ich auch sehr gerne. Kannst du mir vielleicht deine Nummer aufschreiben. Ich habe im Moment mein Smartphone nicht dabei.“

Ich verfluchte mich innerlich dafür. Es lag säuberlich in meinem Regal neben den Büchern. Ich hatte nicht daran gedacht, dass ich es brauchen könnte.

„Gerne.“ , ihre Stimme war jetzt hell und sie kramte in ihrer Tasche, fand sofort einen Stift und einen Zettel.

Sehr organisiert, dachte ich, freute mich über diese kleine Gemeinsamkeit.

Die Tür ging auf.

Mayrose schrieb ihre Nummer auf und reichte mir den Zettel, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen.

Ich strahlte sie an, so viel Freude bereitete mir diese kleine Geste.

„Ich ruf dich an.“, meinte ich ernst, „Es hat mich gefreut, dich kennen zu lernen.“

Sie lächelte, ging an mir vorbei durch die Tür. Ihre Aura berührte meine und ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken.

Ihre Aura war so warm, so strahlend.

„Ich freue mich!“, meinte sie noch. Dann ging die Aufzugstür zu und ihre Aura war wieder weg, unerreichbar.

Einen kurzen Moment fühlte es sich für mich dunkel an, weil sie ihr Licht mitgenommen hatte.

Eigentlich hätte ich gleich wieder gehen können, aber ich entschied mich nach einigen der Kinder zu sehen.

Ich spürte eine andere Aura ganz in der Nähe, ich kannte sie.

Und als ich auf der Station zu den Neugeborenen ging, sah ich Chris.

Niemand sonst bemerkte ihn.

Chris ging durch die Reihen der Neugeborenen, schenkte ihnen Licht.

Gerade stand er an einem Bettchen mit einem winzigen Kind darin, es sah so zerbrechlich aus.

Überall hatte es Schläuche am Körper.

Chris bemerkte mich und grinste mir zu, dann ging er weiter durch die Reihen.

Chris war etwas ganz Besonderes.

Denn er liebte Bunt und er verteilte bunte Auren.

Üblicherweise hatte jeder Mensch eine Aura in einem bestimmten Ton.

Ich gab Blau in verschiedensten Varianten, Kiki liebte Gelbtöne.

Doch Chris Auren waren bunt. Im Moment schuf er eine neongelbe Aura und darin leuchteten kleine grüne Punkte, grasgrün.

Die Farben harmonisierten miteinander und es wirkte so als würden die Farben miteinander spielen.

Es war schön.

Wenn man diese Aufgabe hatte, konnte man einfach nicht anders als Farben zu lieben. Jede einzelne Farbe, jede Nuance.

Es gehörte zu einem wie Atmen.

Licht

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