Читать книгу Ein Fohlen für Doria - Lise Gast - Страница 13

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In der Sparkasse waren die Leute sehr freundlich. Der erste Herr, den Dori ansprach, verwies sie an einen jungen, der sogleich sagte:

„Aufmachen? Wartet, ich helfe euch.“

„Aber nicht kaputt machen!“, bat Dori.

Er lachte.

„Werd ich schon nicht. Das könntet ihr auch selbst, nicht wahr? Also kommt, wir versuchen es.“

Er nahm ein Kästchen aus einer Schublade und öffnete es. Dori stellte sich auf die Zehenspitzen um hineinsehen zu können. Das Kästchen war voller kleiner Blechschlüssel. Der Bankbeamte schüttete sie auf den Schalter und Peter und Dori griffen hinein.

„Schmal muss er sein, nein, nicht so einer ... Du weißt ja gar nicht ... Lass mich probieren ... Warte, der hier passt vielleicht ...“

Der junge Mann auf der anderen Seite des Schalters suchte genauso eifrig wie die beiden. Schließlich ging zwar ein Schlüssel hinein, ließ sich aber nicht drehen und heraus bekam man ihn auch nicht wieder. Der Beamte ruckte und ruckte, schüttelte – und auf einmal bewegte sich der Schlüssel. Das kleine Viereck am Bauch des Tonpferdes ging auf und nun kollerte und fiel es aus dem Bauch heraus: kupferne Pfennige, Groschen und silberne Markstücke – dann auf einmal nichts mehr. Ein Geldschein hatte sich quer gelegt. Vorsichtig bohrte der Beamte mit dem Zeigefinger und schon klirrte es wieder auf den Tisch.

„Na, so was! Hast du das alles selbst gespart?“, fragte der Beamte verblüfft.

„Nicht ich alleine. Manchmal hat auch Mutter etwas hineingesteckt, oder eine Tante, die zu Besuch gekommen ist und mich eigentlich zu einem Eis einladen wollte.“

Es kamen noch viele Scheine, braune, blaue, grüne. Der Beamte ordnete sie, zählte ...

„Donner und Doria, du bist ja eine reiche Frau“, rief er anerkennend, als er fertig gezählt hatte. Dori klopfte das Herz. Donner und Doria – dass er gerade das sagte!

„Ich wechsle es dir in größere Scheine um“, fuhr der Beamte fort, „lauter so kleines Geklirr, das ist schlecht zu tragen. Komm zur Kasse.“

Er zählte ihr ein paar große blaue Scheine hin, dann einen braunen und schließlich noch eine Hand voll Münzen.

„Weißt du, am besten gebe ich dir ein Portmonnee mit. Oder hast du schon eins?“, fragte er. Dori schüttelte den Kopf. Da zog er eine andere Schublade auf, suchte und reichte ihr ein wunderschönes dunkelrotes Geldtäschchen aus Leder durch das Schalterfenster. „Wer so spart wie du, muss auch ein gutes Portmonnee haben.“ Er hatte die Scheine sorgfältig geordnet und steckte sie hinein.

„Danke“, sagte Dori überwältigt. „Danke!“ Und als er ihr das gefüllte Geldtäschchen reichte, machte sie es schnell noch einmal auf und steckte eine dicke silberne Münze in einen viereckigen Glaskasten, der neben dem Schalterfenster stand.

„Für die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“, stand darauf. Der Beamte sah sie gerührt an.

„Danke im Namen der Gesellschaft“, sagte er halblaut.

Dori sah zu ihm auf.

„Wissen Sie, mein Vater –“

„Gehört er zu dieser Gesellschaft?“, fragte der junge Mann.

„Nein. Aber er ist bei einem Schiffsunglück umgekommen. Es ist schon lange her.“ Sie schwieg.

Der junge Mann verließ den Kassenschalter und ging vor den Kindern zur Tür um sie ihnen zu öffnen.

„Danke“, sagte er noch mal leise.

Dori und Peter gingen hinaus. Sie schwiegen. Endlich sagte Peter:

„Aber dein Vater ... das hilft ihm doch nicht mehr.“ Er sprach leise und es klang wie eine Frage. Dori sah ihn kurz an.

„Aber vielleicht anderen Vätern. Und anderen Frauen, die warten, und anderen Kindern, die ihren Vater auch gern behalten möchten. Du hast einen, wenn er auch nicht immer da ist. Aber ich ... Kennst du das Gedicht ‚Nis Randers?‘“

„Nein, wie geht das?“

„Lernt ihr in der Schule keine Gedichte? Wir hatten dort, wo ich zur Schule ging, einen ganz tollen Lehrer. Der las uns Gedichte vor und wir durften sie lernen, wenn sie uns gefielen. Durften, nicht mussten.“

„Habt ihr da –“

„Ich ja. Und andere auch, nicht alle, aber viele. Und das eine Gedicht ist so schön ... Ich will dir’s nicht aufsagen, ich muss immer heulen am Schluss. Aber den Inhalt kann ich dir erzählen:

Da ist ein fürchterlicher Sturm. Die Leute stehen am Ufer und sehen ein Schiff auf einer Sandbank hängen. Gleich wird es sinken. Fast alle Mitglieder der Besatzung sind gerettet. Da sieht einer der Helfer noch einen Mann im Mast hängen und sagt: Wir müssen ihn holen. Seine Mutter aber fasst ihn am Arm, hält ihn fest und bettelt: Du nicht, bitte, bitte bleib! Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn, drei Jahre verschollen ist Uwe schon. Mein Uwe, mein Uwe! Aber der Sohn lässt sich nicht zurückhalten. Er sagt nur: Und seine Mutter? Dann fahren sie los mit dem Boot, sechs starke Männer. Das Boot tanzt auf den Wellen, geht unter, taucht wieder auf – es sind drei Unwetter, die da zusammenkrachen. Alle Leute denken, das Boot ist verloren. Doch dann sehen sie es doch wieder hochkommen und landeinwärts halten. Sie sind es, sie kommen. Und da ruft Nis durch den Sturm und die Brandung und den ganzen höllischen Tanz – und alle können es hören: Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“

Dori hatte das alles halblaut, fast flüsternd erzählt. Peter sah, dass ihr wirklich die Tränen kommen wollten. Er blickte rasch weg.

„Ach so“, sagte er leise. Und plötzlich machte er kehrt, rief: „Komme gleich nach!“ und rannte zur Sparkasse zurück, während er mit einer Hand in der Hosentasche wühlte. Außer Atem kam er zurück. Dori sah ihn einen Augenblick lang an. Sie wusste, was er getan hatte.

„Fein“, sagte sie ganz leise. Dann sprachen sie nie mehr davon.

Ein Fohlen für Doria

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