Читать книгу Ein Fohlen für Doria - Lise Gast - Страница 6

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Habt ihr Pferde?“ Die Frage schoss aus Dori heraus, noch ehe sie und Peter einander begrüßt hatten. Peter war von Mutter zum Bahnhof geschickt worden um den Gast abzuholen und hatte missmutig und gelangweilt auf dem Bahnsteig herumgestanden.

„Pferde, wieso?“, fragte er mürrisch.

„Na, ihr wohnt doch auf einem Bauernhof, auf dem Schlosshof, hat Mutter gesagt.“ Dori ließ nicht locker. „Bauernhöfe haben doch Pferde – oder Schlosshöfe vielleicht nicht?“

„Es ist kein Bauernhof mehr, Vater ist Maler“, entgegnete Peter verärgert. „Früher gab es welche bei uns, das heißt, als wir noch nicht da wohnten. Jetzt ist der Pferdestall Vaters Atelier.“

„Schade!“ Doris Enttäuschung war groß. „Auch keine Ponys? Ich hab bestimmt geglaubt, ihr habt welche. Mutter sagte, jetzt gibts überall auf dem Lande Ponys.“

„Das kann sie ja nicht wissen.“

Dori hatte ihr Fahrrad aus dem Gepäckwagen des Zuges in Empfang genommen und machte sich nun daran, ihr Gepäck darauf zu verstauen. Der Rucksack kam auf den Gepäckträger, eine Tasche an die Lenkstange, die andere ...

„Gib her“, sagte Peter nicht gerade freundlich, aber schließlich mussten sie ja weiter. „Ich hänge sie bei mir dran. Wir müssen sowieso die meiste Zeit schieben.“

„Gehts bergauf?“, fragte Dori. Peter nickte.

„Klar. Wir wohnen auf dem Schlossberg.“

„Zu schade, dass ihr keine Pferde habt“, wiederholte Dori, während sie die Fahrräder nebeneinanderher aus dem Bahnhofsgelände schoben. „Bei uns ist ein Reitverein gleich nebenan, da bin ich jeden Tag zum Helfen. Zum Ausmisten und Stallgasse-Kehren, na, zu allem, was gemacht werden muss. Manchmal darf ich auch trockenreiten.“

„Trockenreiten?“

„Na ja doch. Wenn die Pferde nass geschwitzt sind, in der Abteilung oder beim Ausreiten, müssen sie zehn Minuten geführt oder im Schritt geritten werden, bis sie trocken sind. Ich führe natürlich nicht, sondern reite.“

„Hm. Einen Reitverein gibts hier auch. Nicht in Neuenstein, aber in Oeffingen. Das ist das Nachbardorf. Wir können ja mal hinradeln.“

„Mal? Jetzt gleich. Wir bringen nur das Gepäck weg, zu euch – oder können wir es woanders lassen, damit wir nicht erst den Berg rauf müssen?“

„Nee, das müssen wir erst raufbringen. Mutter wartet. Sonst denkt sie, du bist gar nicht gekommen.“

Peter sprang vom Rad, sie waren am Fuß des Schlossbergs angelangt. Während sie ihre Räder den steilen Fußweg hinaufschoben, wobei Dori immerzu der Rucksack vom Gepäckträger rutschen wollte, betrachtete Peter sie unauffällig. Sie war etwas größer als er, was ihn ärgerte, trug eine kurze Hose und ein T-Shirt und hatte ziemlich kurz geschnittenes Haar, braun mit einem rötlichen Schimmer darüber. Ein rundes Gesicht mit lustigen Sommersprossen, muntere Augen und einen Mund, der nicht stillstand, auch hier nicht, wo man die Luft doch eigentlich zum Steigen brauchte, vor allem, wenn man ein beladenes Fahrrad schob. Dori scherte sich nicht darum, sondern fragte und fragte, wollte alles wissen, vor allem vom Reitverein. Schließlich fand Peter, der nicht allzu viel vom Reitverein wusste, nun könnte er ja auch mal was fragen.

„Wie heißt du eigentlich? Doria?“, setzte er also an. Es klang nicht sehr liebenswürdig.

„Eigentlich Dorothea“, antwortete sie, „das heißt ‚Gottesgeschenk‘. Meine Eltern haben sich eine Tochter gewünscht und mich deshalb so genannt.“

„Na, wie ein Gottesgeschenk siehst du nicht aus“, meinte Peter. „Aber keiner kann für den Geschmack seiner Eltern. ‚Peter‘ mag ich ja auch nicht.“

„Peter heißt bei uns ein Rappe, ziemlich schwer, aber gutmütig“, sagte Dori. „Damit es schneller geht, sagen sie Doria oder Dori oder Dor zu mir. Ich hieße gern anders. Es gibt aber viel mehr hübsche Jungenals Mädchennamen. Petra würde ich gern heißen.“

„Ausgerechnet Petra?“, fragte Peter erstaunt. Sie lachte.

„Noch lieber richtig Peter. Es gibt Mädchen, die Peter heißen. Oder Hansi. Ich aber leider nicht.“

„Gefällt dir denn ‚Peter‘?“, fragte er erstaunt.

„Und wie! Ich nenne mein erstes Kind bestimmt mal so, ob Junge oder Mädchen.“ Sie sagte das so selbstverständlich, wie ein anderer vielleicht gesagt hätte: Mein Rucksack rutscht schon wieder. Eine Schmeichelei war es also auf keinen Fall.

Peter schwieg. Dann waren sie oben.

Ein Fohlen für Doria

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