Читать книгу Ein Fohlen für Doria - Lise Gast - Страница 8

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Dori und Peter radelten nebeneinanderher. Es war heiß, aber schön.

Sie erreichten das Dorf und gleich darauf den Reitverein. Ein großer alter Stall mit einem Walmdach, daneben ein riesiger Misthaufen, zu dem eine kleine Brücke hinüberführte. Dahinter die Halle.

Die beiden lehnten ihre Fahrräder an die Stallwand. Im Nu war Dori in der offenen Stalltür verschwunden. Zu ihrer größten Verblüffung fand sie sich aber schon im nächsten Augenblick draußen wieder, und zwar recht unsanft gelandet auf ihrem Allerwertesten.

„Puh, wer war das. Wer hat mich ...“

Peter krümmte sich vor Lachen.

„Das war Mephisto, der kleine Teufel!“

Dori stand auf, putzte ein wenig an sich herum und ging dann vorsichtig wieder auf die Stalltür zu.

„Mephisto? Wer ist denn das?“

„Der Ziegenbock. Im Verein halten sie sich einen Zwergziegenbock, der soll Glück bringen. Und der mag Fremde nicht.“ Peter hatte sich vorsichtshalber hinter einen der beiden Torpfosten gestellt. Dori kam näher.

Ja, jetzt sah sie das kleine Biest. So klein, dass sein Kopf, mit Hörnern bestückt, ihr nur bis an die Knie reichte. Der hatte sie so freundlich begrüßt.

„Geh ja nicht wieder ran“, warnte Peter, aber Dori war schon dabei. Sie hatte entdeckt, dass an der Stallmauer entlang Löwenzahn wuchs, beinahe aus den Steinen heraus, denn der Hof war gepflastert. Sie pflückte ein paar und näherte sich mit diesem Friedenspfand in der Hand erneut dem kleinen Ungeheuer.

„Mephisto, mein Guter, ich hab dir was mitgebracht“, schmeichelte sie, „komm, komm, schöner Löwenzahn, den mögen kleine Ziegenböcke gern!“

Der winzige Teufel kam näher, schnupperte an den Blättern und fraß sie ihr dann aus der Hand. Peter stand daneben und staunte. Sie streichelten Mephisto und lobten ihn und er tat ganz vertraut.

Dann führte Peter Dori an den Ständen entlang. Die Namen der Pferde standen auf kleinen Tafeln über den Krippen. Es waren komische dabei: Astnichte und Damenweg und Garibaldi, und dann wieder ganz einfache wie Hansi oder Moritz oder Liebchen. Auch ein Mumpitz war dabei.

„So würde ich mein Pferd aber nie nennen“, sagte Dori empört. „Und Garibaldi, das klingt wie der Name von einem Schnellkochtopf. Werde bald gar, so ungefähr.“ Peter sah sie von der Seite an.

„Weißt du nicht, dass Garibaldi ein berühmter Mann war?“

„Ja, und es ruft sich auch gut, jedenfalls besser als Astnichte“, meinte Dori. Gerade kam der Pferdepfleger. Er sah die beiden an.

„Was wollt ihr denn hier?“

„Helfen!“, rief Dori sofort. Der Mann lachte behaglich. Er war alt und freundlich; über Hemd und Hose trug er eine grüne Schürze.

„So eine Schürze hab ich mir immer gewünscht!“, sagte Dori.

„Vielleicht bringt sie der Osterhase“, erwiderte der Alte, „aber es geht auch ohne ganz gut. Ihr könnt die Stallgasse fegen, dort stehen Besen. Dich kenne ich ja, Junge.“

Peter wurde rot vor Stolz. Er war schon ein paar Mal hier gewesen.

„Der Osterhase?“, fragte Dori und lachte.

„Ja, du meinst, das dauert eine Weile, bis der wieder kommt? Dahinten steht er.“ Er wies zum Ende des Stalles hin, wo ein Pferd nicht in einem Stand wie die anderen, sondern in einer ringsum geschlossenen Box stand. Wirklich, auf dem Schild stand „Osterhase“. Dori guckte über die Bretterwand und lachte.

„Ein bisschen sieht es wirklich so aus, jedenfalls die Ohren!“ Die waren länger als bei den meisten Pferden. Der Alte lachte.

„Jaja. Da war der Vater ein Esel. Aber lasst mal, Esel sind gar nicht dumm. Das heißt es nur immer. Esel sind weder dumm noch störrisch. Und dieser hat viel von der Mutter. Ihr wisst ja, wenn der Vater ein Esel ist und die Mutter eine Pferdestute, dann wird das Kind ein Maultier. Und umgekehrt, ist die Mutter eine Eselin, der Vater ein Pferd, so gibt das einen Maulesel. Dieser kam an einem Ostersonntag zur Welt, deshalb heißt er Osterhase.“

„Und man kann ihn richtig reiten wie ein Pferd?“

„Man kann. Die Leute, denen er gehört, haben noch andere Pferde. Aber der Junge bestand darauf, dass sie den Osterhasen behielten. Er reitet ihn.“

„Und dort? Dahinter? Wer steht darin?“, fragte Dori und lief zur nächsten Box. Der Alte schüttelte den Kopf.

„Niemand. Wenn du keines mitbringst, ist die Box leer.“

„Ich hab leider kein Pferd. Aber“, Doris Gesicht leuchtete jetzt vor Eifer, ihre Augen sprühten, „ich spare auf eins. Schon lange. Ich esse kein Eis, wenn mir jemand eins spendieren will, und lass mir lieber das Geld geben. Und wenn wir einen Schulausflug machen und Geld mitbekommen, dann kaufe ich mir nichts unterwegs. Alles spare ich – schon seit Jahren!“

„Das ist recht. So kommt man zum Pferd“, lobte der Pferdepfleger. „Kannst dir ja am Mittwoch eins aussuchen. Da ist Stutenschau in der Kreisstadt. Ihr kommt doch sicher auch hin, ihr beiden. Wir auch.“

Gegen Abend kamen die Reitvereinsleute. Manche sattelten selber, einige ließen sich die Pferde vom Pferdepfleger fertig machen, sogar nachgurten, warfen dann ihren Zigarettenstummel auf die Erde und traten ihn aus. Dori beobachtete es angewidert.

„Ich würde immer selbst satteln“, murrte sie, „man muss doch wissen, ob alles sitzt. Und du?“

Peter zuckte die Achseln. Er hatte sich das noch nie überlegt. Als sie heimradelten, fragte er:

„Du möchtest wohl gern reiten? Erlauben das deine Eltern nicht?“

„Es ist zu teuer“, erklärte Dori. „Voltigieren habe ich gedurft, als ich noch kleiner war. Das war schön. Aber reiten ... Wenn ich erst einmal ein eigenes Pferd hab ...“

„Wissen sie, dass du darauf sparst?“, fragte Peter.

„Hm. Weiß nicht. Doch, ja, sie wird es wohl wissen.“

„Und ein Pferd im Reitverein stehen haben, das ist teuer, ich weiß“, sagte Peter. „Zu mir sagt Vater immer, ich hätte noch zu kurze Beine. So ein Quatsch. Die Prinzessin Anne in England ist auch schon mit fünf Jahren geritten, als ob ich das nicht wüsste. Er sucht bloß eine Ausrede. Und dein Vater? Was meint der?“

„Ich habe bloß eine Mutter. Mein Vater lebt schon lange nicht mehr. Deshalb ist sie ja auch berufstätig.“

„Wo arbeitet sie denn?“, fragte Peter mit mattem Interesse. Aber er meinte, etwas müsste man ja fragen.

„In einer Buchhandlung. Sie ist befreundet mit der Chefin dort. Eigentlich arbeitet sie nur halbtags, aber oft geht sie auch nachmittags hin. Vor Weihnachten zum Beispiel, wenn sehr viel zu tun ist. Und zwischen Weihnachten und Silvester, da machen sie Inventur. Ich bin ja auch kein Baby mehr. Früher, sagt sie, war es oft mühsam, wenn ich krank war oder so.“

„Und dann kochst du dir selber was, wenn du aus der Schule kommst?“

„Manchmal ja, wenn ich Lust dazu habe. Sonst – ach, Essen ist nicht so wichtig.“

„Und Geschwister hast du keine?“

„Nee. Aber du ja auch nicht. Jedenfalls keine, die noch zu Hause sind und mit denen du spielen kannst.“

„Und wenn sie da sind, kümmern sie sich nicht um mich.“ Er sagte das um ihr zu zeigen, dass Geschwister auch nicht immer die reine Freude sind.

Sie lachte.

„Kümmern sich wohl! Der eine lässt dich sogar manchmal heimlich ans Steuer, hast du mir erzählt.“

„J-ja, schon. Aber das macht er selten. Mutter war der Meinung, ich sollte auch mal eine Schwester in meinem Alter haben – dich. Möchtest du meine Schwester sein?“ Es klang spöttisch und nicht sehr einladend. Dori sah ihn an.

„Ich weiß nicht. So von heute auf morgen ... Na, mal sehen, wie es weitergeht. Jedenfalls habt ihr es hier schöner als wir in der Stadt. Nur keine Pferde ... das ist schade. Schlosshof – da hatte ich mir vorgestellt, dass es Kutschpferde gäbe und welche zum Reiten ...“

Sie waren am Schlossberg angekommen. Schweigend schoben sie die Räder bergauf.

In der Küche erwartete sie eine leckere Überraschung: Peters Mutter backte Waffeln, dazu gab es Rhabarberkompott.

Das Waffeleisen war ein altes, schwarzeisernes Gerät, das man umdrehen musste; es hing in einem Gelenk und sah aus, als habe man es schon im Dreißigjährigen Krieg benutzt. Mutter war erhitzt, sie hatte rote Backen und die Schürze voller Mehl. Die Waffeln schmeckten noch mal so gut, wenn man sie hantieren sah.

„Was habt ihr denn für morgen vor?“, fragte sie, während sie weiterbackte.

„Noch nichts“, murmelte Peter mit vollem Mund.

„Schön“, sagte Mutter, „ich frage, weil ... Ein Bekannter aus Norddeutschland hat sich für morgen bei uns angesagt. Netter Kerl. Ein Freund von Roland – das ist Peters ältester Bruder, Dori –, der möchte hier ein bisschen die Gegend kennen lernen und ich hab gerade jetzt gar keine Zeit. Könntet ihr mit ihm herumfahren? Ihm den Neckar zeigen? ‚Neckartal ist wunderschön, so was hat man nie gesehen ...‘“, zitierte Mutter. „Oder vielleicht Ludwigsburg und – na, was euch eben einfällt. Einen Tag lang, wenn er will auch zwei. Ich kann wirklich nicht weg, hab für Vater zu tun.“

„Mit dem Auto?“, fragte Peter.

„Klar.“

„Was hat er denn für eins?“

„Da bin ich überfragt. Jedenfalls kriegte auf diese Weise auch Dori die Umgebung zu sehen, wäre das nicht hübsch?“

„Oh ja, das wird schön!“, strahlte Dori. Sie verstand nicht, dass Peter ein so mürrisches Gesicht machte. Wie eine müde Klosettfliege, dachte sie, sagte es aber nicht. Statt vor Freude hochzuspringen, wo er doch Autos so liebte.

„Was passt dir denn daran nicht?“, fragte sie, als sie sich endlich voll gegessen und satt aus der Küche schoben. Peter grinste.

„Du bist blöd. Wenn ich ‚Hurra!‘ und ‚Klasse!‘ schriee, würde mich Mutter nächstens auch mit einem alten Wackelkopp und womöglich zu Fuß losschicken“, brummte er. „Man darf die Erwachsenen nicht verwöhnen. Wer sagt übrigens, dass der nicht auch ein dämlicher Wackelkopp ist und eine alte Rostlaube fährt, die in allen Gelenken knirscht. Ja sagen, wenn man möchte, schön. Aber ja nicht zu begeistert.“

„Blödmann“, brummte Dori, aber es klang nicht ganz so verächtlich wie zuvor. Peter war gar nicht so blöd; was er sagte, konnte stimmen.

Ein Fohlen für Doria

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