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Auf dem Weg von der Küche ins Esszimmer blieb Ga- mache kurz stehen und betrachtete die Markierungen am Türstock.

Er beugte sich vor und entdeckte verblasste Namen neben den Strichen.

Anthony mit drei, vier, fünf und so weiter, den Türstock hoch.

Caroline mit drei, vier, fünf …

Und dann war da noch Hugo, drei, vier, fünf und so weiter. Aber diese Striche lagen dichter beieinander. Wie die Jahresringe eines alten Eichenbaums, der nicht sehr schnell wuchs. Und nicht sehr hoch.

Hugo hinkte weit hinter seinen Geschwistern her. Aber neben seinem Namen klebte bei jedem Strich ein Aufkleber. Ein Pferd. Ein Hund. Ein Teddybär. Sodass der kleine Hugo trotzdem hervorstach.

Armand sah zurück in die ausgeräumte Küche. Dann in das leere Esszimmer mit der stockfleckigen Tapete.

Was ist hier passiert?, fragte er sich.

Was in Madame Baumgartners Leben hatte dazu geführt, dass sie Fremde zu Testamentsvollstreckern ernannte? Wo waren Anthony, Caroline und Hugo?

»Das Dach leckt«, sagte Benedict und breitete seine große Hand über einen Wasserfleck an der Esszimmerwand. »Die Feuchtigkeit dringt in die Wände. Und die modern. Schöner Mist. Sehen Sie sich nur die Böden an.«

Sie sahen sich die Böden an. Altes Kiefernholz. Das sich aufwarf.

Er öffnete den Reißverschluss seiner Winterjacke, und zum Vorschein kam ein selbstgestrickter Pullover, der abwechselnd flauschig und glatt war, und ein Teil sah aus, als bestünde er aus Stahlwolle.

Myrna konnte sich nicht vorstellen, dass er angenehm zu tragen war, aber wahrscheinlich hatte ihn seine Freundin gestrickt.

Er muss sie lieben, dachte sie. Sehr. Und sie ihn. Alles, was sie macht, ist für ihn. Dass die Sachen scheußlich waren, schmälerte die Geste nicht. Es sei denn natürlich, sie machte sie absichtlich scheußlich. Um ihn wie einen Idioten aussehen zu lassen und um ihn zu quälen mit der auf der jungen Haut kratzenden und reibenden Stahlwolle.

Entweder liebte sie Benedict sehr oder sie verabscheute ihn. Sehr.

Und entweder bemerkte er das nicht, oder er genoss es, gequält und schlecht behandelt zu werden, was ja manchmal vorkam.

»Also«, sagte Myrna. »Wollen Sie Testamentsvollstrecker sein?«

»Was würde das heißen?«, fragte Benedict. »Was müssten wir tun?«

»Wenn das Testament unkompliziert ist, nicht viel«, sagte Armand. »Dann müssen wir nur dafür sorgen, dass die Steuern und anfallenden Kosten bezahlt werden und die richtigen Leute die Vermächtnisse erhalten. Die Bestimmungen erfüllt werden. Dabei hilft einem der Notar. Testamentsvollstrecker sind normalerweise Verwandte oder Freunde. Leute, denen der Verstorbene vertraut hat.«

Sie sahen sich an. Sie waren weder Freunde noch Verwandte von Bertha Baumgartner. Und doch waren sie hier.

Armand sah sich um, ob ein Foto an einer der feuchten Wände hing oder auf den Boden gefallen war. Etwas, das ihm sagen könnte, wer diese Bertha Baumgartner gewesen war. Aber da war nichts. Nur die verwischten Striche am Türstock. Und das Pferdchen, das Hundchen, der Teddybär.

»Das hört sich nicht besonders schlimm an«, sagte Benedict.

»Wenn das Testament unkompliziert ist«, sagte Armand. »Wenn nicht, kann es viel Zeit verschlingen. Über einen langen Zeitraum.«

»Tage?«, fragte Benedict. Als er keine Antwort erhielt, fügte er hinzu: »Wochen? Monate?«

»Jahre«, sagte Armand. »Manche Testamente erfordern Jahre, besonders wenn die Erben miteinander streiten.«

»Und das tun sie oft«, sagte Myrna. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. »Weil sie gierig sind. Aber es sieht so aus, als hätten sie sich hier schon bedient. Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch viel übrig ist, was man teilen müsste.«

Armand neben ihr gab eine Art Grollen von sich.

Sie sah ihn an und nickte. »Ich weiß. Es mag in unseren Augen nicht viel sein, aber für Leute, die kaum etwas besitzen, kann ein bisschen mehr schon ein Vermögen sein.«

Er schwieg weiter.

Er war anderer Ansicht. Bei einem Testament, einem Nachlass ging es oft um mehr als Geld, Grund und andere Besitztümer. Derjenige, dem am meisten hinterlassen wurde, konnte als derjenige gelten, der am meisten geliebt wurde. Es gab verschiedene Arten von Gier. Und Bedürftigkeit.

Und Testamente wurden manchmal als letzter Affront benutzt, als letzte, von einem Toten ausgesprochene Beleidigung.

»Kriegt man Geld dafür?«, fragte Benedict.

»Ein bisschen vielleicht. Normalerweise ist es aber eine Gefälligkeit«, sagte Armand.

Benedict nickte. »Und woher wissen wir, ob es ein unkompliziertes Testament ist?«

»Das wissen wir erst, wenn wir es lesen«, sagte Myrna.

»Aber wir können es erst lesen, wenn wir uns dafür entschieden haben«, ergänzte Benedict.

»Eine Interdependenz«, sagte Gamache zu dem verständnislos dreinblickenden jungen Mann. »Ich denke, wir sollten vom Schlimmsten ausgehen, wenn wir überlegen, ob wir es machen.«

»Und wenn wir’s nicht machen?«, fragte Myrna.

»Dann wird das Gericht andere Testamentsvollstrecker bestellen.«

»Aber sie wollte uns«, sagte Benedict. »Ich frage mich nur, warum.« Nachdenklich hielt er inne. Sie meinten fast, ihn denken zu hören. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nee. Mir fällt kein Grund ein. Sie beide kennen sich, oder?«

»Wir sind Nachbarn«, sagte Myrna. »Wir wohnen in demselben Dorf ungefähr zwanzig Minuten von hier.«

»Ich lebe mit meiner Freundin in Montréal. Ich war noch nie in dieser Gegend. Vielleicht meinte sie ja einen anderen Benedict Pouliot.«

»Wohnen Sie in der Rue Taillon in Montréal?«, fragte Armand, und als der junge Mann nickte, fuhr er fort: »Dann hat sie Sie gemeint.«

Benedict warf Armand einen Blick zu, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Er hob eine Hand an die Schläfe, legte einen Finger darauf. »Das sieht ja schlimm aus. Was ist da passiert? Ein Unfall?«

Armand hob die Hand und fuhr über die erhabene Narbe. »Nein. Da hat mich jemand verletzt.«

Mehr als einmal, dachte Myrna, sagte aber nichts.

»Ist schon eine Weile her«, versicherte Armand dem jungen Mann. »Es ist alles verheilt.«

»Muss ziemlich weh getan haben.«

»Ja. Aber ich denke, andere hat es schlimmer erwischt.«

Er hat offenbar keine Ahnung, wer Armand ist, dachte Myrna. Und, dass Armand nicht vorhatte, es ihm zu sagen.

»Wie dem auch sei, wir sollten zu einer Entscheidung kommen«, sagte sie und ging zum Fenster. »Der Schnee fällt immer dichter.«

»Du hast recht«, sagte Armand. »Wir müssen bald aufbrechen. Also, machen wir’s oder nicht?«

»Was meinst du?«, fragte Myrna.

Er hatte sich bereits entschieden. Er hatte sich in dem Moment entschieden, als der Notar erklärte, warum er sie hergebeten hatte.

»Ich habe keine Ahnung, warum Madame Baumgartner uns ausgewählt hat, aber sie hat es getan. Ich sehe keinen Grund, warum ich ablehnen sollte. Ich bin dabei. Außerdem –«, er lächelte Myrna an, »– bin ich neugierig.«

»Und wie du das bist«, sagte sie, dann sah sie Benedict an. »Und Sie?«

»Jahre, haben Sie gesagt?«, fragte er.

»Im schlimmsten Fall«, erwiderte Gamache. »Ja.«

»Es könnte also Jahre dauern, ohne dass wir Geld dafür kriegen«, fasste Benedict zusammen. »Ach, scheiß drauf. Ich bin auch dabei. So schlimm wird’s schon nicht werden.«

Myrna betrachtete den hübschen jungen Mann mit dem fürchterlichen Haarschnitt und dem Stahlwollepullover. Wenn er das ertrug, dachte sie, dann ertrug er auch nervende Fremde, die sich über Kleinkram stritten.

»Und du?«, fragte Armand Myrna.

»Ich? Ich war von vornherein dabei«, sagte sie lächelnd. Und dann bebte es und die Fenster klapperten im Wind, der um die Ecken pfiff. Das Haus knarrte, dann knirschte es laut.

Myrna spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Und immer größer wurde. Sie waren in dem Haus nicht sicher. Aber draußen waren sie es auch nicht.

Und sie mussten noch zurück nach Three Pines fahren.

»Wir müssen los.«

Schnell ging sie wieder in die Küche und sah zum Fenster hinaus. Sie konnte kaum noch ihr Auto erkennen, das unter dem wehenden, treibenden, wirbelnden Schnee verschwunden war.

»Wir machen es«, sagte sie zu Mercier. »Aber jetzt brechen wir auf.«

»Was?«, sagte Mercier und erhob sich.

»Wir brechen auf«, sagte Armand. »Und das sollten Sie auch. Wo ist Ihre Kanzlei?«

»Sherbrooke.«

Das war mindestens eine Stunde Autofahrt entfernt.

Da sie ihre Mäntel und Stiefel nicht abgelegt hatten, mussten sie nur ihre Handschuhe und Mützen zusammensuchen, dann gingen sie zur Hintertür.

»Einen Moment«, sagte Mercier und setzte sich wieder. »Wir müssen das Testament verlesen. Madame Baumgartner hat festgelegt, dass das hier zu geschehen hat.«

»Madame Baumgartner ist tot«, sagte Myrna. »Und ich will diesen Tag überleben.«

Sie zog sich ihre Strickmütze über den Kopf und folgte Benedict aus dem Haus.

»Nun, Monsieur«, sagte Armand. »Wir gehen. Und Sie auch.«

Benedict und Myrna wateten durch den stellenweise schon knietiefen Schnee zu ihrem Auto. Der junge Mann hatte eine Schaufel aus einem Schneehaufen gezogen und machte sich daran, Myrnas Auto auszugraben.

Mercier lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

»Los«, sagte Armand, und als der Notar sich nicht rührte, packte er ihn am Arm und zog ihn hoch.

»Holen Sie Ihre Sachen«, befahl er, und nachdem Mercier ihn kurz verdutzt angesehen hatte, folgte er ihm.

Armand sah auf sein iPhone. Es hatte kein Signal. Der Sturm hatte alles zum Erliegen gebracht.

Er sah zum Fenster hinaus, dann ließ er seinen Blick durch das knarrende, knirschende, krumme Haus wandern.

Sie mussten schleunigst los.

Er stopfte die Papiere in den Aktenkoffer und reichte ihn dem Notar. »Kommen Sie.«

Als Gamache die Tür öffnete, peitschte ihm der Schnee ins Gesicht und raubte ihm die Luft zum Atmen. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte, um etwas zu sehen.

Der Lärm war ohrenbetäubend.

Ein wildes Heulen und Jaulen. Von allen Seiten drang es auf sie ein, zerrte an ihnen. Die Welt zerstob. Und sie mittendrin.

Schnee sammelte sich auf seinem Gesicht. Gamache drehte den Kopf weg und sah Benedict verzweifelt schaufeln, um Myrnas Auto aus den Schneemassen zu befreien. Kaum hatte der junge Mann einen Teil freigeräumt, fuhr der Wind in den Schnee und trieb ihn zurück.

Das Einzige, was in dieser Umgebung nicht weiß war, war Benedicts Mütze, der lange rotgestreifte Zipfel sah auf dem Schnee aus wie ein blutiger Peitschenstriemen.

Myrna schob Schnee von der Windschutzscheibe.

Benedicts mitten auf dem Hof abgestellter Pick-up war von einer dicken Schneeschicht bedeckt, und vom Auto des Notars war nichts mehr zu sehen.

Als Armand die anderen erreichte, spürte er bereits den Schnee in seinen Stiefeln, unter seinem Kragen, in seinen Ärmeln und unter seiner Mütze.

Myrna versuchte, die Fahrertür aufzuziehen, aber der Schnee, der sich davor angehäuft hatte, blockierte sie.

»Er liegt zu hoch«, rief Armand Myrna ins Ohr. »Lass es bleiben.« Dann stapfte er zum Heck des Autos und packte Benedicts Arm, um ihn vom Weiterschaufeln abzuhalten. »Selbst wenn wir alle Autos ausgraben könnten, sind die Straßen kaum passierbar. Wir müssen zusammenbleiben. Ihr Pick-up eignet sich wahrscheinlich am ehesten.«

Benedict sah hinüber, dann zurück zu Armand.

»Was ist?«, rief Armand, der den Eindruck hatte, dass es ein »Was« gab.

»Ich hab keine Winterreifen.«

»Sie haben keine –« Er unterbrach sich. Wenn das Haus lichterloh brannte, war das nicht der richtige Zeitpunkt für Schuldzuweisungen. »Gut.« Er drehte sich zu Myrna und Mercier. »Mein Auto steht hinter Myrnas und ist etwas geschützt. Vielleicht können wir es freischaufeln.«

»Aber ich muss zurück nach Sherbrooke«, sagte Mercier und deutete zu seinem Auto, das im Moment nicht mehr als ein großer weißer Hügel auf dem Hof war.

»Das werden Sie auch«, brüllte Myrna. »Nur nicht heute.«

»Aber –«

»Graben Sie«, sagte Myrna und deutete auf Armands Volvo.

»Womit denn?«

Armand deutete auf Merciers Aktenkoffer.

»Nein«, sagte der Notar und umarmte den Aktenkoffer wie ein Schmusetier.

»Okay«, sagte Myrna.

Sie entriss ihm den Aktenkoffer und machte sich daran, damit den Schnee von den Türen wegzuschieben, während Benedict schaufelte und Armand Holzbohlen aus der Eingangstreppe des Hauses riss, sie vor den Hinterrädern platzierte und mit Stiefeltritten unter die Reifen schob.

Mercier stand nur da.

Schließlich schafften sie es, die Türen zu öffnen.

Myrna beförderte den Notar mehr oder weniger unsanft auf die Rückbank und setzte sich neben ihn.

»Sie fahren«, rief Benedict Armand zu und deutete auf den Fahrersitz. »Ich schiebe.«

»Nein. Wenn das Auto sich erst mal in Bewegung gesetzt hat, können wir nicht mehr anhalten. Wir würden nur wieder einsinken. Egal wer anschiebt, er kann nicht mehr eingesammelt werden.«

Benedict hielt inne.

Meine Güte, dachte Armand. Er denkt tatsächlich darüber nach.

»Einsteigen«, befahl er.

Nach wie vor unentschlossen starrte der junge Mann Gamache an.

»Es wird schon klappen«, sagte Gamache, sanftmütig jetzt, während sich der Schnee um sie herum wieder anhäufte und kostbare Zeit verstrich. »Steigen Sie ein.«

Benedict streckte die Hand nach der Fahrertür aus, aber Armand hielt sie fest.

»Dort«, sagte er und deutete lächelnd auf die Beifahrertür.

Myrna rüttelte zur Sicherheit an ihrem Gurt, dann schloss sie die Augen und atmete durch. Atmete und betete.

Das Auto fuhr rückwärts an, und Gamache drückte langsam, ganz langsam und vorsichtig aufs Gaspedal.

Es ruckelte kurz, dann fingen die Reifen an, die Bohlen zu erklimmen.

Mühselig schoben sie sich ein, zwei Zentimeter aus dem Schnee und Eis auf das Holz.

Dann griffen die Reifen, und das Auto bewegte sich. Zehn Zentimeter. Zwanzig Zentimeter. Einen halben Meter.

Benedict atmete auf. Myrna atmete auf. Der Notar keuchte.

Dann legte Armand einen Gang ein und drehte vorsichtig am Lenkrad, um auf der kiefergesäumten Einfahrt zurückzufahren.

»Oh, merde«, rief Benedict.

Myrna beugte sich zwischen den Sitzen vor und sah, was er sah.

Ein Schneewall blockierte den Weg. Er war so hoch, dass die Straße dahinter verschwand.

»Keine Sorge«, sagte Gamache. »Es bedeutet nur, dass der Räumdienst schon durchgefahren ist. Das ist gut.«

»Gut?«, fragte Benedict.

»Aber schauen Sie doch«, sagte der Notar, der seine Stimme wiedergefunden hatte. Oder vielmehr eine Stimme. Sie war unnatürlich hoch und kaum mehr als ein Hauchen. »Da kommen wir niemals durch.«

Der Schneepflug hatte den Schnee quer vor die Einmündung zur Straße geschoben. Es ließ sich nicht sagen, wie breit der Wall war oder wie fest und was auf der anderen Seite wartete.

Aber sie hatten keine Wahl. Es blieb ihnen nur eins.

»Festhalten«, sagte Armand und drückte das Gaspedal durch.

»Sind Sie sicher?«, fragte Benedict, als sie frontal auf die Schneemauer zufuhren.

»Oh, Scheiße«, rief Myrna und wappnete sich.

Und dann prallten sie dagegen.

Der Schnee explodierte, krachte auf die Windschutzscheibe und nahm ihnen in dem hin und her schleudernden Auto jede Sicht.

Dann lehnte Armand sich in seinem Sitz zurück. Benedict erstarrte.

»Bremsen Sie!«, schrie er.

Benedict griff nach dem Lenkrad, aber Armand packte sein Handgelenk so fest, dass der junge Mann zusammenzuckte.

Ein Schneebrocken löste sich von der Windschutzscheibe, und sie sahen, wie der Wald – Bäume, Stämme – auf sie zuraste.

Laut keuchend stützte Benedict sich mit den Händen am Armaturenbrett ab, während Armand unverwandt geradeaus blickte und wartete. Und wartete. Und dann, gerade als es zu spät zu sein schien, drückte er ganz, ganz sanft mehrmals nacheinander auf die Bremse.

Das Auto wurde langsamer. Dann hielt es an. Die Kühlerhaube berührte knapp den Schneehaufen auf der anderen Straßenseite.

Im Auto herrschte tiefes Schweigen, dann seufzten alle auf.

Das Auto stand quer auf der Straße und blockierte sie. Schnell sah Armand nach links und rechts, ob sich ein Auto näherte. Aber die Fahrbahn war leer.

Nur Idioten würden sich bei einem solchen Schneesturm herauswagen.

Leises, hysterisches Kichern war zu hören.

»Oh, Scheiße«, keuchte Myrna.

Armand stieß zurück und lenkte das Auto in die richtige Richtung. Dann stellte er die Warnblinkanlage an und stieg aus, um es auf Schäden zu untersuchen.

»Sind Sie verrückt geworden?«, fragte Benedict und marschierte um das Auto herum zu Armand. »Sie haben aufgegeben! Beinahe hätten Sie uns umgebracht.«

Armand deutete mit beiden Händen auf das Auto.

»Klar«, rief Benedict. »Reines Glück.«

»Das ist wahr.« Wäre ein anderes Auto die Straße entlanggefahren oder der Schneepflug zurückgekommen –

»Sie waren total paralysiert«, rief Benedict, während Armand Schnee aus dem Kühlergrill kratzte. »Das habe ich genau gesehen.«

»Was ich getan habe und was Sie gesehen haben, scheinen sehr unterschiedliche Dinge zu sein. Manchmal ist es das Beste, nichts zu tun.«

»Was soll das denn für ein Zen-Scheiß sein?«

Von Schnee gepeitscht, ballte Benedict die Fäuste und starrte Gamache an.

»Sie wollen wissen, warum ich getan habe, was ich getan habe?«

»Weil Sie in Panik geraten sind.«

»Hat Ihnen keiner beigebracht, wie man bei Schnee fährt?«, schrie Gamache gegen den Schneesturm an.

»Besser als Sie kann ich’s auf jeden Fall.«

»Dann können Sie mir ja eine Fahrstunde erteilen. Nur heute vielleicht nicht.«

Sie stiegen wieder ein und Gamache legte einen Gang ein.

»Außerdem«, sagte er und konzentrierte sich auf die Straße, »nur damit Sie es wissen, ich gebe nie auf.«

»Wohin fahren wir?«, fragte Mercier von der Rückbank.

»Heim«, sagte Myrna.

Auf einem einsamen Weg

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