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Blue

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Als ich erwachte, war ich nicht wirklich überrascht, allein zu sein. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein. Dennoch war ich enttäuscht. Nein, das war ein zu schwaches Wort dafür. Niedergeschlagen. Ja, das war passender. Ich war verdammt niedergeschlagen. In den Armen eines wunderbaren, nackten Mannes war ich eingeschlafen, dessen bloße Stimme tausend kleine Glocken in mir zum Klingen brachte. Aber aufgewacht war ich allein. Ohne Arme um mich herum und ohne die kleinen Glöckchen in meinem Inneren. Gott, ich konnte mich nicht leiden.

Ich musste unbedingt damit aufhören. Verwandelte ich mich wirklich in einen jämmerlichen, liebeskranken Teenager? Fuck.

Als ich mich unter die heiße Dusche stellte, fühlte ich mich erbärmlicher als zu dem Zeitpunkt, als ich Tristan noch nicht getroffen hatte. Und schon da hatte ich gedacht, nicht erbärmlicher werden zu können … haha.

Ich drückte etwas Shampoo in meine Hand und erinnerte mich an den Song, den ich einmal in einem alten Film gehört hatte. Irgendwas darüber, dass man sich den Kerl direkt aus den Haaren waschen sollte. Ja, genau das. Das werde ich tun. Wenn ich aus der Dusche trete, werde ich über ihn hinweg sein.

Als ich mich umdrehte, um meinen Kopf abzubrausen, sah ich durch die Glastür und bemerkte etwas.

Augenblick. War das eine Notiz?

Eilig beendete ich die Dusche und trocknete mich gerade genug ab, um das Papier zu greifen, ohne es nass zu machen. Ich hatte Filme gesehen. Ich wusste, dass es das Ende bedeutete, wenn das Papier nass wurde, bevor man es gelesen hatte. Die Tinte würde verlaufen, bis sie unlesbar war, das Geheimnis würde zehnmal schwerer zu lüften sein und jemand würde erschossen in einer russischen Schneewehe enden. Nein, danke.

Die Notiz war in einer starken, maskulinen Handschrift geschrieben.

Blue,

du hast keine Ahnung, wie hart es für mich ist, dich hier zu lassen. Nackt, verschlafen und verdammt heiß. Aber ich muss arbeiten und wollte dich nicht wecken. Unten steht meine Handynummer. Ich bin in der Nähe, also schreib mir, wenn wir uns treffen sollen oder du etwas brauchst. Ich würde mich freuen, dich wiederzusehen. Und falls du mich jemals als deine Begleitung willst – sei es wegen Jeremy oder deiner Familie –, sag es nur. Ich wäre stolz, dich als mein einzufordern.

- T

Oh, zur Hölle, nein. Nun war ich in großen Schwierigkeiten. So viel dazu, dass ich es abschütteln würde. Diese Notiz hatte dafür gesorgt, dass ich nun etwas ganz anderes schütteln wollte. Ich griff nach der Miniflasche Lotion, die auf der Badezimmertheke stand, und lud sie ein, mich zu einem intimen Intermezzo aufs Bett zu begleiten. Sie sagte nicht Nein.

Als ich damit fertig war, darüber zu fantasieren, wie sich Tristans dicker Schwanz in meinem engen Arsch anfühlen würde, konnte ich mit einem schlaffen Schwanz prahlen, der wunderbar nach Heckenkirsche roch. Ich steckte ihn in frische Unterwäsche und die Jeans vom Vortag, bevor ich ein weiches, schwarzes T-Shirt anzog. Nachdem ich Tristans Nummer eingespeichert hatte, schlüpfte ich in meine Flipflops und verließ mein Zimmer auf der Suche nach Frühstück.

Es gab ein Frühstücksbuffet an der Rückseite der Hauptlobby des Landhauses. Am Abend zuvor hatte ich in der Dunkelheit nicht so viel gesehen, aber das Gebäude war wunderschön.

Die hüttenartige Aufmachung ließ die Besucher glauben, dass es im Inneren dunkel und einfach aussehen würde. Stattdessen war die Lobby gewölbt und luftig mit einem großen Fenster, das über die gesamte Rückwand ging und einen Blick über den grünen Rasen, den kleinen See und die Reihen von Wein gewährte.

Ich hielt inne, um diesen wunderschönen Blick in mich aufzunehmen. Das Grundstück war sensationell. Die Morgensonne reflektierte auf dem Wasser des Sees und der Tau auf dem Gras glitzerte hier und da im Licht. Das Blau des Himmels war klar und nur unterbrochen durch ein paar wenige Wolken.

Offene Glastüren führten nach draußen auf eine Steinterrasse und ich fühlte mich von der frischen Morgenluft dort angezogen. Es war gar nicht typisch für mich, von dem Geruch von Kaffee in die genau entgegengesetzte Richtung zu laufen, aber das war es, was ich tat. Ich sank auf die breiten, steinernen Stufen, die hinunter ins Gras zum Garten führten.

Kein Wunder, dass Simone diesen Ort für ihre Hochzeit ausgewählt hatte.

An beiden Seiten des Rasens standen Gruppen von Bäumen mit Teppichen von Kiefernnadeln darunter. Alles, abgesehen von dem gemähten Rasen, war in einem natürlichen, aber ordentlichen Zustand belassen worden. Jenseits des Sees waren die Reben an den Weinstöcken in endlosen Reihen aufgereiht. Der Anblick erinnerte mich etwas an eine Kampfszene aus Herr der Ringe.

Da war Leben und Energie in diesen Reben. Alles, was das Weingut brauchte, um erfolgreich zu sein, kam aus dem, was das Land aus diesen Reben machte. Wie gegensätzlich dieses Leben doch zu meinem war, das ich in der Stadt lebte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt draußen gewesen war, nur um die frische Luft oder den Sonnenschein zu genießen. Abgesehen von Sonnenbaden am Pool oder am Strand im Urlaub.

Es war merkwürdig, sich das vor Augen zu führen. In der Highschool war ich oft draußen gewesen, aber nachdem ich begonnen hatte, Vollzeit zu arbeiten, war das weniger geworden. Und als ich mit Jeremy zusammengekommen war, war meine Zeit draußen so gut wie verschwunden. Er mochte es nicht, draußen zu sein, also hatten wir viel in der Stadt unternommen. Ich hatte vergessen, was ich vermisst hatte.

Nach einer Weile konnte ich meinen knurrenden Magen nicht länger ignorieren. Ich ging zurück nach drinnen zu den Frühstückstischen und nahm mir eine Tasse Kaffee, einen Muffin, einen Apfel und eine Banane. Dann jonglierte ich all das wieder nach draußen auf meine Stufe auf der Veranda.

Nachdem ich die Banane und den halben Kürbismuffin gegessen hatte, hörte ich, wie jemand in einem aufgeregten Quietschen meinen Namen rief.

»Bluuuuuueeeee!«, rief Simone. »Du bist hiiiiieeeer!«

Ich drehte mich um, bevor sie sich auf mich schmiss. Ihre Arme schlangen sich um meinen Nacken und ich wusste, ihre Beine hätten sich ebenso um meine Hüfte geschlungen, wenn sie kein Kleid getragen hätte. Ich hielt sie fest und roch den Duft von der Vanillebodylotion, die sie seit Jahren benutzte. Ich liebte diese Frau. Sie war sechs Jahre jünger als ich und das jüngste von uns sechs biologischen Geschwistern. Nach ihr waren noch drei adoptierte Brüder gekommen. Wenn man bedachte, dass sie in einer Familie mit neun Kindern das einzige Mädchen war, würde diese Hochzeit vermutlich ein wenig überspannt werden.

Meine Mutter hatte immer eine Tochter gewollt. Nicht, dass sie ihre Jungs nicht geliebt hätte, aber sie schwärmte für Simone. Das machte uns nichts aus, denn wir schwärmten ebenso für sie. Sie war knapp eins fünfzig klein und hatte genau wie all meine Brüder braune Locken und braune Augen. Abgesehen davon, dass sie einfach umwerfend war, war Simone außerdem freundlich und warmherzig. Wir alle waren nach einem der Apostel benannt, aber ich war immer der Meinung gewesen, dass der heilige Franz von Assisi eine bessere Namenswahl für sie gewesen wäre. Meine Schwester war einfühlsam, kümmerte sich um jeden und war mit dem Wunsch aufgewachsen, einmal Tierärztin zu werden. Genau das war sie geworden.

»Hey, kleine Schwester«, sagte ich in ihre Locken. »Ich hab dich so vermisst.«

»Gott, Blue, wo zur Hölle warst du die ganze Zeit?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort vermutlich schon wusste.

»Ich hab die weltweit lahmste Mitleidsparty geschmissen, aber mach dir keine Sorgen. Ich hab den Laden geschlossen und finde schon wieder auf meinen Weg«, versicherte ich ihr.

»Gut. Denn Jeremy wird auch hier sein, das weißt du.« Sie machte einen Schritt zurück, um mich besorgt anzusehen.

»Weiß ich schon, Schwesterchen. Ich hab ihn und seine neue Braut gestern Abend gesehen, um genau zu sein. War scheiße.«

Ihre Augen weiteten sich bei der Information. »Was zur Hölle? Jeremy hat eine Frau geheiratet? Jeremy ist verheiratet?«

»Ja, ich denke, er ist verheiratet, aber nein, es ist keine Frau. Nur der hübscheste kleine Twink, den du je gesehen hast. Entweder das oder er hat einen armen Jungen gekidnappt und zeigt ihn nun als seinen Ehemann herum. Such dir was aus. Du wirst ihn vermutlich sehen.« Ich versuchte, leichtfertig zu wirken, aber ich wusste, dass, wenn jemand merken würde, wie es mir wirklich ging, es Simone sein würde.

»Scheiße, Blue. Wusstest du das?«, fragte sie.

»Nope. Nicht, bis er in die Hotelbar kam und ich diesen Jungen mit dem Ring gesehen habe«, gab ich mit einem gequälten Grinsen zu.

»Hatte Jeremy auch einen Ring?«, fragte sie.

»Nein, aber er ist eben ein Arschloch. Ich bin sicher, er würde sowieso keinen tragen.«

»Verdammt«, murmelte sie. »Das tut mir so leid.«

Sie sah mich mit einem mitleidigen Blick an, der meine Haut jucken ließ. Wenn Simone mich so ansah, bedeutete das, dass mich jeder so ansehen würde, der auf diese verdammte Hochzeit kam. Ugh, wie ich das hasste.

Ihr Gesicht hellte sich plötzlich auf. »Oooh! Mein Kollege Zane kommt auch. Er ist schwul und single. Süß außerdem. Ich werde euch sowas von miteinander verkuppeln.«

»Oh, auf keinen Fall, Schwesterchen. Das kannst du vergessen. Ich brauch kein Mitleid. Mir geht’s gut.«

»Das sagt zumindest dein Mund, aber die Linien auf deiner Stirn sagen etwas anderes«, sagte sie.

»Genug von meinem traurigen Ich. Erzähl mir lieber von unserem neuen Bruder. Ich hab gehört, dass er einen biblischen Namen hat, also passen wir gut zusammen«, scherzte ich. Es war deswegen witzig, weil unsere Eltern Atheisten waren.

Meine Eltern waren beide in streng christlichen Familien erzogen worden und als sie begonnen hatten, selbst Kinder zu bekommen, war der Druck, ihnen vollwertige Namen zu geben, von beiden Seiten gekommen. Ihr Kompromiss war, die Namen der Apostel zu wählen, aber sie so abzukürzen, dass sie moderner klangen. Letztlich wurden es Pete, Jamie, ich, Thad, Jude und Simone. Und obwohl ich nicht mal im Ansatz religiös war, dankte ein Teil von mir Gott jeden Tag dafür, dass mir der Spitzname Bart erspart geblieben war.

»John ist hier irgendwo. Er wollte seinen Bruder Alex suchen. Ihre Eltern kommen bald an. Ist dein Zimmer okay?«, fragte sie.

»Jepp, alles gut. Ein wunderbares Fleckchen hier. Wem, sagtest du, gehört es? Jemandem aus Johns Familie?«

»Alex. Er hat es vor ein paar Jahren von seinem Großonkel gekauft, glaub ich. John hat sich nicht daran erinnert, aber Alex erinnert sich daran, dass er als kleiner Junge hier gewesen ist. Damals war es noch nicht so groß. Aber Alex hat hart daran gearbeitet, um etwas daraus zu machen. Kleine Weingüter wie dieses werden als einzigartig und besonders geschätzt. Ähnlich wie bestimmte Bierbrauereien. Er wird in vielen Weinmagazinen angepriesen. Ich weiß nicht viel darüber, aber ich hab schon ein paar Mal mit ihm darüber gesprochen. Ein netter Kerl. Du wirst ihn treffen. Ist es nicht einfach schön hier?«

»Ja, und wie. Und so friedlich. Erinnert mich daran, wie lange ich keine Pause mehr von der Stadt hatte.« Ich schlang meinen Arm um Simones. »Wo sind Mom und Dad und die Jungs?«

Sie lachte. »Drinnen. Du bist schon zweimal an uns vorbeigelaufen. Wir haben gewunken und gerufen, aber du hast nichts davon mitbekommen. Ich dachte, dass du nur einen Moment gebraucht hast, bis der Kaffee endlich wirkt.«

»So wahr. Es ist schon hart genug, die Marian-Familie voll koffeiniert zu ertragen, und noch schwerer wird’s mit einem leeren Tank. Geh vor, Brautzilla«, neckte ich sie.

Borrowing Blue

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