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Blue

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Ich hatte mich nicht an die Bar gesetzt, um einem völlig Fremden meine erbärmliche Trennungsgeschichte zu erzählen, und ganz sicher hatte ich nicht erwartet, ebenjenen Fremden noch in der gleichen Nacht mit der Zunge zu ficken. Aber als mein Ex den Laden turtelnd mit einem verdammten Twink betrat, konnte ich nicht anders. Mit den drei Bier, die ich bereits intus hatte, fühlte ich mich irgendwie sentimental. Da saß Jeremy, hielt Händchen mit einem jungen Mann, der nur als Gap-Model bezeichnet werden konnte – er schien einer dieser exotischen Rothaarigen mit Sommersprossen zu sein, die darauf bestanden, in schwarz-weiß aufgenommen zu werden. Jeremy selbst war attraktiv wie immer und hatte für diesen Knirps, der praktisch auf seinem Schoß saß, dieses spezielle Funkeln in den Augen.

Ach, scheiß drauf. Wie auch immer.

Ich war gerade erst wegen der Hochzeit meiner Schwester am Alexander-Weingut angekommen. Eine Woche voller Aktivitäten, die perfekt dafür gemacht schienen, mein noch immer wundes Herz mit romantischem Scheiß zu quälen. Nachdem ich meine Schlüssel bekommen hatte, nahm ich den kürzesten Weg zur Bar. Es war kein Geheimnis gewesen, dass Jeremy hier sein würde, denn er war seit langem mit meiner Familie befreundet. Schon bevor wir begonnen hatten, uns zu treffen. Ich war nur nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er jemanden mitbringen würde. Als er soeben reingekommen war, hatte er mich eiskalt erwischt.

Kurz nachdem ich mein erstes Bier leer getrunken hatte, setzte sich ein Mann neben mich und bestellte ein Glas Wein. Von meinem Selbstmitleid eingenommen, bemerkte ich ihn erst gar nicht. Erst, als er den Barkeeper beim Vornamen nannte, sah ich neugierig auf. Wer kannte hier draußen, irgendwo in der Mitte von Kalifornien, denn bitteschön einen Barkeeper, wo das Einzige in der Nähe das Weingut und die dazugehörige Hütte waren?

Der Mann war atemberaubend. Vermutlich in seinen frühen Dreißigern, so wie ich, vielleicht ein paar Jahre älter. Er hatte dunkles Haar und einen dunklen Bartschatten. Seine mandelförmigen Augen waren auffallend hell, völlig konträr zu seiner sonstigen dunklen Erscheinung. Die Kombination ließ ihn aussehen, als wäre er nicht von dieser Welt. Mein Herz machte einen Sprung, als er diese Augen mir zuwendete und eine Augenbraue hob.

Als er den Mund zum Sprechen öffnete, klang er rau. »Amüsierst du dich?«, fragte er.

Es war so merkwürdig, diese hellgrauen Strahler auf mir zu spüren, dass ich mich beinahe, nur für einen kurzen Moment, umdrehen wollte, um zu sehen, ob er mit jemandem hinter mir sprach.

»Nicht wirklich«, antwortete ich und überraschte ihn mit meiner rüden Ehrlichkeit.

Der Mann brach in Gelächter aus. Der rauchige Klang umhüllte mich, rupfte an all meinen wunden Stellen und ließ sie auf eine Art vibrieren, die ich nicht wirklich beschreiben konnte. Ich sah mein Bierglas an, als ob es irgendeine stimulierende Flüssigkeit enthielt statt des Alkohols, den ich bestellt hatte.

»Wenn du weiterhin so finster schaust, läuft dir gleich das Bier aus dem Mund. Willst du drüber reden?«, fragte der Fremde mit tiefer Stimme. Er sah ein bisschen aus wie Stuart Reardon, ein englisches Fitnessmodel, das ich von der Arbeit kannte.

Ich seufzte. »Ich hab nur grad meinen Ex gesehen, also bin ich hierhergekommen, um meine Trauer zu ertränken. Das typisch pathetische Ich-weine-in-mein-Bier-Szenario.«

»Ah, verstehe. Tut mir leid, Mann. Das ist scheiße.«

»Ja, na ja, ich bin eigentlich drüber weg, aber ich wünschte, wir müssten nicht unter demselben Dach sein.«

»Das ergibt Sinn. Ich bin seit ein paar Jahren geschieden, aber immer, wenn ich mit meiner Familie auf meine Ex-Frau treffe, fühlt es sich an, als lägen alle Augen auf mir. Selbst wenn man drüber weg ist, gibt’s noch immer so viele gemeinsame Erinnerungen, die einen in der Hand haben. Wie lange wart ihr zusammen?«

»Drei Jahre. Sind seit sechs Monaten auseinander. Ich denke, es wird schon werden, aber wer weiß das wirklich? Wir haben uns seit der Trennung nicht gesehen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Der dumme, unreife Teil von mir wünscht sich, ich hätte jemanden mitgebracht, damit ich mich nicht so lahm fühle. Ich war ab und an aus, aber habe niemanden gefunden, den ich zu einer Familienfeier mitbringen würde.« Und nun bin ich umso deprimierter, weil der sexy Kerl an der Bar straight ist. War ja klar.

»Also willst du, dass er sich etwas windet? Dass er sieht, was er verpasst?«, fragte er.

»Ich will nur, dass er sieht, dass ich auch ohne ihn zurechtkomme. Dass ich nicht dahinwelke und in meine Suppe heule, weißt du? Meine Familie macht sich schon Sorgen, weil ich Single bin. Sie wollen, dass ich glücklich bin. Aber es ist ja nicht so, dass man sich einfach einen Lebenspartner backen kann, damit sie sich besser fühlen. Ich muss diese Woche irgendwie überstehen und dann werd ich erst mal außer Landes sein, mit einem neuen Job.« Ich war vor Kurzem befördert worden und würde für einige Jahre nach London ziehen. Am nächsten Montag schon ging mein Flug von San Francisco aus.

»Ich weiß genau, was du meinst. Nachdem Sheila und ich geschieden wurden, hat meine Familie mich eine Weile lang mit diesem bedauernden Blick bedacht. Ich hasse das. Mein Bruder ist der schlimmste. Er versucht noch immer, mich zu verkuppeln. Als ob ich nicht glücklich oder gar vollständig wäre, solange ich nicht jemanden habe, so wie er.«

Ich sah ihn mit großen Augen an. »Genau das! Gott, dein Bruder und meine Schwester könnten dieselbe Person sein.«

Er lachte dieses rauchige Lachen. »Und meine Mutter versucht noch immer, mich wieder mit meiner Ex-Frau zu versöhnen. Als ob das jemals passieren würde. Egal wie oft ich ihr erkläre, was alles zwischen uns falschgelaufen ist, meine Mutter tsstst nur herum und erzählt mir, dass es so etwas wie die perfekte Frau nicht gibt. Und dann denke ich mir, dass sie wohl glücklich wäre, wenn ich mich mit irgendjemandem zusammentun würde, nur damit sie nicht länger darüber nachdenken muss.«

Wir lächelten uns verstehend an.

Der Fremde streckte die Hand aus und nahm meine. »Ich bin Tristan.«

»Blue. Schön, dich kennenzulernen«, sagte ich und schüttelte seine Hand. Mit der Berührung seiner rauen Handfläche fühlte ich dieses Tsching, das Leute in Romanen beschrieben. War das etwa echt? Nope, ich musste in letzter Zeit zu viel gelesen haben. Es konnte nicht wirklich funktionieren, wenn es mir mit einem Heterokerl passierte.

»Blue? Das ist ein interessanter Name. Darf ich fragen, wie es dazu kam?«, fragte Tristan.

»Na ja, mein Name ist Bartholomew, aber mein ältester Bruder konnte das nicht aussprechen, als er klein war. Er hat mich dann Blue genannt und das ist hängengeblieben.«

»Ich mag es. Das klingt verrückt, aber es passt irgendwie zu dir. Vielleicht wegen deiner Augen«, sagte er und betrachtete mein Gesicht genau. Er schüttelte den Kopf und lächelte. »Aber egal. Es ist schön, dich kennenzulernen, Blue. Kann ich dir noch ein Bier ausgeben?«

»Sicher. Wobei ich wohl erst etwas essen sollte. Ich bin direkt von einem verrückten Arbeitstag hierher gekommen und hab noch nichts gegessen«, sagte ich.

Tristan drehte sich zum Barkeeper. »Hey, Frank, würdest du meinem Freund hier ein Bier bringen und uns ein paar von diesen Burgern mit diesen selbstgemachten Pommes bestellen, die ich so sehr mag? Danke«, sagte er, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwendete.

»Du arbeitest in San Francisco?«, fragte er.

»Ja, als Grafikdesigner für einige Fitnessmagazine.«

»Das klingt interessant. Magst du es?«, fragte er und wirkte wirklich interessiert.

»Es ist okay. In letzter Zeit fühle ich mich ein bisschen erschöpft, also hat mein Chef mich befördert. Ich werde in einer Woche nach London ziehen. Bin mir nicht sicher, ob das meine Kreativität wieder ankurbelt, aber ich schätze einen Neustart.« Mann, klang das deprimierend. Ich versuchte, das mit einem Lächeln abzuschwächen, aber irgendwie schien das nicht zu funktionieren.

Tristans Augenbrauen zogen sich in offensichtlichem Interesse zusammen. »Was kurbelt deine Kreativität normalerweise an?«

Ich wusste die Antwort sofort, aber hatte die Worte seit Jahren nicht ausgesprochen. Warum sollte ich es diesem Kerl nicht sagen? Er war ein Fremder in einer Bar, verdammt.

»Bildhauerei«, sagte ich. Ein Wort. Ein Wort, das genauso gut »Herz« hätte sein können.

Tristans Augen wurden warm und seine Mundwinkel kräuselten sich nach oben. »Erzähl mir mehr. Welche Art Bildhauerei?«

»Vor allem Metall. Aber ich mag alle Arten. Schnitzereien, Glasbläserei, Steinarbeiten. Ich würde vermutlich auch Eis ausprobieren, wenn ich nicht so eine wahnsinnige Angst vor Kettensägen hätte.«

»Kannst du in der Stadt denn bildhauern?«, fragte er.

»Nicht wirklich. Ich hab es in der Highschool gemacht und am College, aber aufgehört, als Jeremy und ich zusammenkamen. Ich denke darüber nach, wieder damit anzufangen. Aber keine Ahnung, ob ich in London genug Platz haben werde«, gab ich zu.

»Warum hast du es aufgegeben?«

Ich stieß Luft aus. »Ich hab den entmutigenden Worten anderer geglaubt. Leider war ich jung genug, um sie mir zu Herzen zu nehmen.« Es waren nur ein paar Wochen, seit ich das Ganze aus der Sicht eines Erwachsenen betrachte. Warum zur Hölle hab ich mich jemals entmutigen lassen, meine Leidenschaft auszudrücken? Ich schüttelte frustriert den Kopf über den, der ich zehn Jahre früher gewesen war.

»Das machen wir doch alle irgendwann mal, oder?«, meinte Tristan und klang, als hätte er ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich wollte ihn fragen, welche Leidenschaft man ihm auszutreiben versucht hatte. Doch bevor ich die Chance bekam, die Worte zu formen, sah ich Jeremy, der mit diesem Twink am Arm die Bar betrat.

Jeremy lächelte und lehnte sich zu dem jungen Mann, um ihn auf den Mund zu küssen. Danach wischte dieser über Jeremys Lippen und das war der Moment, als ich den Ehering an seinem Finger bemerkte. Mein ganzer Körper wurde kalt.

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