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Gründungslegenden
ОглавлениеFür Rom existierten unterschiedliche Gründungsgeschichten, die einerseits auf den Trojaner Aeneas, andererseits auf Romulus zurückführten. Mit Aeneas wurde der Ursprung Roms an den griechischen Mythos angehängt und in den griechischen Kulturkreis eingebunden. Der Trojaner Aeneas soll nach der Zerstörung von Troja (um 1200 v. Chr.) durch die Griechen über Makedonien und Sizilien nach Latium gelangt sein (Liv. 1,1), wobei er beim augusteischen Dichter Vergil auch in Karthago, der künftigen Gegnerin Roms, Station gemacht hatte (Verg. Aen. 4,1–583). In Latium heiratete er Lavinia, die Tochter des Königs Latinus, und gründete Lavinium, das zu einem zentralen Heiligtum des latinischen Städtebundes wurde.
Aeneas soll auch den Ort Pallantium besucht haben (Verg. Aen. 8,126–369), der vom Arkader Euander auf dem Palatin gegründet worden war (Liv. 1,5; Dion. Hal. 1,31; 2,1,3), sodass von Rom der Eindruck einer griechischen Stadt entstand. Aeneas’ Sohn Ascanius legte dann Alba Longa an, welches den Hauptort des latinischen Stammes bildete und das Heiligtum des Iuppiter Latiaris als Gott des Latinerbundes beherbergte. Ein weiterer Hauptort des Latinerbundes war Aricia mit seinem Dianaheiligtum, das später nach Rom auf den Aventin als neues Zentrum verlegt wurde (Liv. 1,45).
Als zweite Gründungslegende kursierte das urtümliche Geschehen um Romulus, der einen eponymen Gründer verkörpert (Liv. 1,4,1–7). Dieser trägt keinen historischen Namen, sondern erklärt den Stadtnamen Roma, der sich vom etruskischen Namen »Rume/Rumele« ableitet.7 Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Remus soll Romulus als illegitimes Kind der Ilia (= Rhea Silvia), Königin von Alba Longa, die von Mars vergewaltigt worden war, in einem Nachfolgestreit ausgesetzt und am Ufer des Tibers von einer Wölfin gerettet worden sein. Als die Brüder später an dieser Stelle eine Stadt anlegen wollten, gerieten sie in einen Streit, bei dem Remus erschlagen wurde, sodass Romulus zum eigentlichen Gründer Roms wurde. Er befestigte den Palatin und baute die Stadt weiter aus (Liv. 1,7,3. 8,4).
Das Geschehen setzt in dieser Legende zwar deutlich später ein, wurde von griechischen Autoren aber direkt mit der Aeneasgeschichte verknüpft. Sie gestalteten Romulus als entfernten Nachkommen des Aeneas und schoben zwischen Aeneas und der römischen Republik das Königreich von Alba Longa ein. Als Datum für die Stadtgründung wurde von Varro im 1. Jh. v. Chr. schließlich jenes Jahr errechnet, das 753 v. Chr. entspricht, wobei daneben noch weitere Daten geltend gemacht wurden, nämlich 814/3 v. Chr. (Timaios) und 728 v. Chr. (Cincius Alimentus; Dion. Hal. 1,74,1).
Beim Gründungsdatum 753 v. Chr. handelt es sich um eine Konstruktion, die vom Jahre 509/8 v. Chr. als dem Ende der Königszeit und dem Anfang der Republik ausgeht. Die römische Frühzeit wurde mit sieben »Königen« zu durchschnittlich 35 Regierungsjahren ausgestaltet. Diese Herrschaftszeit ist mit 245 Jahren allerdings viel zu lang, sodass die Königszeit wohl mehr Namen umfasst oder erst später eingesetzt haben dürfte. Die Könige sollen alle wesentlichen Einrichtungen geschaffen und den Machtanspruch auf die Herrschaft über Latium erhoben haben. Alba Longa wurde vom dritten römischen König Tullus Hostilius (Mitte 7. Jh. v. Chr.) angeblich zerstört und die Einwohner nach Rom umgesiedelt (Liv. 1,29).8 Dabei ergab sich ein weiteres sagenhaftes Geschehen, nämlich der Kampf zwischen den Horatiern aus Rom und den Curatiern aus Alba Longa – zwei Drillingspaaren, die schworen, den Kampf unter sich auszutragen, um eine Schlacht zu vermeiden. Besonders dramatisch war, dass Horatius als Sieger seine Schwester umbrachte, da sie mit einem Curatier verlobt war und um diesen trauerte (Liv. 1,24).
Schwierig zu bestimmten ist das genaue Alter der zwei Gründungsgeschichten, die möglicherweise beide ins 5. Jh. v. Chr. zurückführen, wobei Remus als Konkurrent des Romulus aber erst in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. auftaucht, als sich in Rom eine doppelte Führung von zwei Konsuln etabliert hatte.9 Die Wölfin stellt einen unsicheren Anhaltspunkt dar, auch wenn sie als heiliges Tier des Mars, des Stammgottes der Römer, galt. Für die bekannte Bronzestatue der »Kapitolinischen Wölfin« mit vollen Zitzen wurde ein Datum aus dem frühen 5. Jh. v. Chr. vermutet, während eine Metallanalyse heute eine mittelalterliche Datierung nahelegt und die beiden Säuglinge erst in der Renaissance dazukamen.10 Zum ersten Mal dargestellt sind die Zwillinge auf römischen Münzen aus dem Jahre 269 v. Chr.
Abb. 4: Römische Wölfin, frühmittelalterliche Bronzefigur mit frühneuzeitlichen Zwillingen, Kapitolinische Museen Rom.
Die Königsreihe von Alba Longa ist erstmals im späten 3. Jh. v. Chr. bei Fabius Pictor zu fassen, der sich wohl auf den vorangegangenen griechischen Schriftsteller Diokles von Peparethos bezog (Plut. Rom. 3).11 Aeneas war zum ersten Mal im 5. Jh. v. Chr. bei Hellanikos von Lesbos und Damastes von Sigeion als Gründer von Rom erwähnt worden und hat sich dann bei Vergil (Aen. 1,278 f.) endgültig als Begründer der Weltherrschaft etabliert. Auf dem Palatin wurden schon in republikanischer Zeit die Hütte des Romulus und auf dem Forum dessen Grab verehrt, während mit dem Lupercal (Wolfshöhle) und dem Ficus Ruminalis (Feigenbaum) an den Ort der Ankunft und Aufzucht der Zwillinge erinnert wurde.12