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Stadtwerdung

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Die Theorie der Stadtwerdung wendet sich gegen einen einheitlichen Gründungsakt, wie ihn Livius (1,6,3 f. 8,4) schildert. Gemäß diesem hätte Romulus auf dem Palatin den Bau einer Stadt vorgenommen, der entsprechenden Gründungsriten folgte und von einer sakralen Stadtgrenze begleitet wurde (1,44,4). Dabei handelte es sich um ein etruskisches Gründungsritual, bei dem eine Ackerfurche um die Stadt gezogen wurde, die in Rom die urbs von dem ager Romanus trennte (Plut. Rom. 11). Für die Stadt wurde die Trennung in den zivilen städtischen Bereich (domi) und den militärischen außerstädtischen Bereich (militiae) konstitutiv. Der Bereich des pomerium wurde schon in der Antike von post murum (»außerhalb der Mauer«) oder ponere murum (»Mauer bauen«) abgeleitet, war aber nicht mit dem Verlauf einer Stadtmauer identisch.19 Diese wurde in Rom erst dem König Servius Tullius (Mitte 6. Jh. v. Chr.) zugeschrieben (Liv. 1,44,3), der nach Romulus generell als eine Art zweite Gründerfigur fungierte.

Siedlungsspuren gibt es in Rom schon in der Bronzezeit bzw. seit dem 2. Jt. v. Chr., in erster Linie auf dem Esquilin und Kapitol. Im 10./9. Jh. v. Chr. existierten eisenzeitliche Gräber auf dem Forum und Palatin sowie Hütten auf dem Palatin und Quirinal. Ab der Mitte des 8. Jhs. v. Chr. wurden Gräberfelder auf dem Esquilin und Quirinal angelegt.20 Bestattungen innerhalb des Stadtgebietes hörten am Ende des 8. Jhs. v. Chr. auf. Im späteren 7. Jh. v. Chr. schlossen sich demnach entweder verschiedene Siedlungen auf einzelnen Hügeln am Tiber zusammen (sog. Synoikismos) oder die Siedlung auf dem Palatin dehnte sich unter den Etruskern aus. Einerseits wurde mit einer ursprünglichen Zweiteilung gerechnet, bei der sich die Römer als Latiner (auf dem Palatin) und die Sabiner (auf dem Quirinal) vereinigt haben sollen (Varr. l.l. 5,51); andererseits wurde auch schon an eine Dreiteilung gedacht, die sich an den drei Tribus Ramnes (auf dem Palatin) als Römer, Tities (auf dem Quirinal) als Sabiner (eine oskisch-umbrische Volksgruppe) und Luceres (auf dem Caelius) als Etrusker orientiert.21 Demgegenüber muss die Tribusordnung aber eher als einheitliche Neuformation im werdenden Gemeinwesen gesehen werden.22

Die geografische Lage Roms zeichnete sich durch die Küstennähe im Zentrum Italiens aus. Die Grenzlage zwischen dem etruskischen und dem latinischen Bereich barg zwar gewisse Gefahren, bot aber auch besondere Chancen. Der Ort war insofern verkehrsgünstig, als die Salzstraße (Via Salaria) von der Küste ins Landesinnere über Rom führte und sich hier eine Tiberfurt befand, durch welche die Straße zwischen Etrurien und Kampanien verlief (Plin. nat. 31,89). Mit dem Forum Boarium (Rindermarkt) besaß die Stadt einen geeigneten Handelsplatz am Tiber. Auf diesem wurden sowohl lokale Keramik als auch griechische Scherben aus dem 8. Jh. v. Chr. gefunden. Im 6. Jh. v. Chr. kam eine Kultstätte mit einem Tempel (Mater Matuta) hinzu, die heute unter der Kirche Sant’Omobono liegt.23


Abb. 6: Forum Boarium; Hercules Victor-Tempel, um 120 v. Chr.

Dieses Forum bildete zunächst einen Umschlagsplatz für Vieh und Salz, aber kein eigentliches Wirtschaftszentrum, da der gewerbsmäßige Handel erst in späterer Zeit an Bedeutung gewann. Der Bau der ersten Tiberbrücke (Pons Sublicius) sowie die Gründung von Ostia an der Tibermündung wird König Ancus Marcius in der zweiten Hälfte des 7. Jhs. v. Chr zugeschrieben (Liv. 1,33,6. 9). Die Stadtanlage von Ostia ist in dieser Zeit aber archäologisch noch nicht fassbar. Der Ort besaß zunächst nur einen Flusshafen und wurde erst im 1. Jh. n. Chr. unter Kaiser Claudius mit einem Hafenbecken ausgestattet.24

Wichtige Schritte der Stadtwerdung erfolgten in Rom unter den etruskischen Königen. Das Kapitol diente zusammen mit der Arx (Burg) sowohl als Festung als auch als Königssitz und religiöses Zentrum. Tarquinius Priscus (Ende 7./Anfang 6. Jh. v. Chr.) errichtete am südlichen Fuß des Palatins den sog. Circus Maximus für öffentliche Veranstaltungen (Liv. 1,35,8). Das Forum war nach der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. entwässert, aufgeschüttet und gepflastert worden.25 Somit bildete es einen öffentlichen Platz und wurde allmählich zum städtischen Zentrum. Gegen 600 v. Chr. wurde an der Stelle der späteren Regia an der Ostseite des Forums ein erster Baukomplex errichtet, der als sakraler Sitz des Königs gedient haben dürfte.26 Kurz darauf folgte ein Gebäude mit Dachziegeln im Bereich des Comitiums, möglicherweise die Curia Hostilia als Senatsgebäude, das dem dritten König, Tullus Hostilius (Mitte 7. Jh. v. Chr.), zugeschrieben wird.27 Am Anfang des 6. Jhs. v. Chr. fügte sich eine Vulkankultstätte beim sog. Lapis Niger an, wo auch das königliche Sakralrecht festgehalten wurde.28 Im Comitium sind zudem bald Ansätze eines Stufenbaus zu erkennen, auf dem später die Rednerbühne (sog. Rostra) zu liegen kam.29


Abb. 7: Circus Maximus, am Fuße des Palatin (links).

Servius Tullius wird für das mittlere 6. Jh. v. Chr. die Neukonzeption der Stadt (urbs) – nach Gegenden und Hügeln – in vier Teile zugeschrieben (Liv. 1,43,13; Varr. l.l. 5,45–54). Diese Vierregionenstadt hatte aber nichts mit einer Einteilung nach einem rechtwinkligen Raster oder den Himmelsrichtungen zu tun, da die Stadt allmählich gewachsen war. Vielmehr diente die Vierteilung der Administration, die sich auf vier neue, städtische Tribus stützte (Palatina, Collina, Esquilina, Suburana). Eigentliche Gründungsriten, zu denen das Ziehen einer sakralen Stadtgrenze (pomerium) gehörte, wurden möglicherweise erst jetzt durchgeführt.30

Unklar ist, inwieweit bereits eine Stadtmauer bestand, da die sog. Servianische Stadtmauer erst aus dem 4. Jh. v. Chr. stammt und im Fundament auch einige Steinblöcke aus dem 6. Jh. v. Chr. enthält. Die teilweise noch erhaltene Mauer wurde nach der Gallierkatastrophe, also dem Einfall der Kelten nach Rom, errichtet und umfasste ein ungewöhnlich großes Gebiet von 426 Hektar, was auf mindestens 20 000–30 000 Einwohner schließen lassen könnte.31 Für das 6. Jh. v. Chr. erscheint diese Zahl allerdings als zu hoch oder nur für das gesamte römische Gebiet zutreffend, auch wenn gerne immer wieder mit »La Grande Roma dei Tarquini« gerechnet wird.32 Tarquinius Priscus soll in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. schließlich mit dem Bau der Cloaca Maxima begonnen haben (Liv. 1,56,2), deren monumentale, überwölbte Gestaltung aber wiederum erst ab dem 4. Jh. v. Chr. erfolgt sein dürfte.33

Insgesamt lässt sich im 7./6. Jh. v. Chr. verfolgen, wie aus einzelnen Hüttensiedlungen eine beachtliche Stadt entstand. Im 6. Jh. v. Chr. gab es für die Oberschicht Atriumhäuser auf dem Palatin.34 Am Anfang des 5. Jhs. v. Chr. wurden etliche Tempel errichtet, darunter diejenigen für Saturn und für die Dioskuren auf dem Forum sowie derjenige für Ceres auf dem Aventin.35 Rom erhielt eine Zentrumsfunktion und bildete neue soziale Gruppen, die sich eine eigene Identität verliehen. Für das siebenhügelige Rom gab es am 11. Dezember das Septimontium als städtisches Fest der montani, die Varro (l.l. 6,24) mit denen gleichsetzt, die auf den sieben Hügeln innerhalb der Servianischen Mauer wohnten. Bei Festus (p. 458–459L s. v. Septimontium) figurieren allerdings auch andere Teilnehmer und insgesamt acht Namen, darunter die Subura, die von der Plebs bewohnte Senke zwischen den Hügeln. Das Septimontium ist daher nicht zwingend auf septem montes (»sieben Hügel«) zurückzuführen, sondern könnte auch saepti montes (»umfriedete Hügel«) innerhalb des pomerium bezeichnet haben.36

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