Читать книгу Späte Rache - Lydia Jablonski - Страница 14
Kapitel 2
ОглавлениеNach dem Soundcheck halten sich alle Bandmitglieder hinter der Bühne auf. Sie chillen bis zur Show, machen das Meet & Greet mit den Fans, essen etwas und blödeln herum. Eine Stunde vor der Show gehen sie in ihre Garderobe und beginnen, sich zu stylen. Dazu gehört die Verkabelung und das Vocal Warm up. Fünf Minuten vor der Show ist die Stimmung in der Arena so aufgeheizt, dass man die kreischenden Fans durch die halbe Stadt hören kann. Die Männer stellen sich im Kreis zusammen und sprechen ein kleines Gebet. Sie gehen für einen Augenblick in sich, dann klatschen sie sich ab, feuern sich an und stürmen die Bühne.
Zweieinhalb Stunden lang geben sie alles. Sie wirbeln, tanzen, hüpfen, singen und flirten was das Zeug hält. Ian hat nicht zu viel versprochen. Die Show ist ein absoluter Knaller. Die Fans machen aus dem Konzert eine Party – jeder Song, jede Zeile, jedes Wort wird mitgesungen. Besonders Matthew gibt heute sein Bestes. Er ist ein Perfektionist auf der Bühne, aber heute ist er nahezu besessen. Er kompensiert seinen Tourblues, in dem er in den Schreien der Fans badet. Als er seinen Song „We two“ singt, muss er dennoch ein paar Tränen wegdrücken. Zu groß ist die Sehnsucht nach Zuhause.
Zwei Zugaben und ungefähr achttausend völlig erschöpfte, aber glückliche Fans später gehen die Fünf von der Bühne. Sie sind aufgedreht, das Adrenalin schießt noch durch ihre Adern.
„Oh yes, das war eine geile Show!“ schreit Ian, zieht sein verschwitztes T-Shirt aus und wirft es in irgendeine Ecke. „Wer kommt mit und macht noch einen drauf?“
„Ich!“ schreit Howard sofort und auch Preston stimmt begeistert ein.
„Ich komme auch mit“, sagt Vincent und hebt dabei automatisch Ians Shirt mit spitzen Fingern auf. „Mann, wirst du es je lernen?“ fragt er mit halb gespielter Empörung und wirft Ian das Shirt an den Kopf.
„Warum sollte ich? Ich hab doch dich!“ grinst Ian frech, lässt das Shirt einfach fallen, wo er gerade steht und geht schnell unter der Dusche in Deckung. Vincent tut es ihm kopfschüttelnd nach.
Nachdem sich alle frisch gemacht haben, werfen sie sich für die Aftershowparty in Schale. Alle bis auf Matthew.
„Matt, was ist los?“ grinst Howard. „Mach dich fertig, wir machen einen drauf!“
„Heute ohne mich.“
„Was?“ ruft Ian erstaunt. „Der Partyking persönlich kommt nicht mit? Alles okay bei dir?“
„Ja. Alles klar. Ich brauch einfach mal einen Abend für mich.“
„Ok, aber wenn du uns brauchst, sag Bescheid“, sagt Preston und legt Matthew einen Arm um die Schulter.
„Na logisch“, erwidert Matthew und ringt sich ein Lächeln ab. Preston, Ian und Howard gehen raus zum Shuttlebus. Vincent bleibt noch kurz bei seinem Bruder.
„Immer noch der Tourblues?“ fragt er und drückt Matt an sich. „Willst du nicht doch mitkommen? Ablenkung hilft, das weißt du doch.“
„Nein, lass mal. Ich möchte heute wirklich einfach nur allein sein.“
„Wie du willst. Du weißt ja, wie du uns erreichst.“
Matthew nickt. Vincent drückt ihn noch einmal kurz, dann folgt er den anderen nach draußen.
Matthew geht ebenfalls einen Augenblick später, nimmt aber einen anderen Shuttlebus und lässt sich ins Hotel fahren.
***
Stunden später wirft Matt sich zum wiederholten Male frustriert auf sein Hotelbett. Er hat es auf alle erdenklichen Weisen versucht, aber er erreicht seine Familie nicht. Langsam beginnt er sich doch Sorgen zu machen. Es ist ein Ritual, dass er einmal am Tag mit ihnen spricht. Doch andererseits – wenn etwas passiert wäre, hätte ihm sicher jemand Bescheid gegeben.
„Vielleicht sollte ich doch noch abtanzen gehen“, überlegt er. Dann greift er doch zur Fernbedienung und zappt sich durch die Kanäle, bis er CNN gefunden hat. Er ist müde, die letzten Tage auf Tour waren ein Schlauch. „Pizza wäre nicht schlecht“, denkt er. „Ob die Hotelküche noch liefert?“
Plötzlich wird die Tür geöffnet. Matthew sieht automatisch hoch und blickt in ein mit Skimaske verhülltes Gesicht. Das Adrenalin schießt ihm sofort in die Adern, er wird bleich und hat Angst, die sich schnell in Todesangst steigert, als er die gezogene Pistole in der Hand der Gestalt sieht.
Er will gerade um Hilfe schreien, als der mit der Pistole scharf sagt: „Schnauze!“. Matthew macht den Mund sofort wieder zu.
„Wenn du auch nur einen Mucks von dir gibst, bist du schneller tot als du atmen kannst! Verstanden?“
Matthew nickt stumm. Er ist vor Entsetzen wie gelähmt. Der Maskierte zieht eine Spritze aus der Jackentasche.
„Zieh das Hemd aus!“
Matthew braucht ein paar Sekunden bis er die Anweisung verstanden hat. Dann macht er vorsichtig die Knöpfe auf.
„Wird’s bald?“
Er beeilt sich und sitzt schließlich im T-Shirt auf dem Hotelbett.
„Gib mir den Arm, dalli!“ Matthew hat totale Panik. Was zur Hölle ist in der Spritze drin? Ein Virus? Gift? Er hat sowieso Angst vor Nadeln, aber in dieser Situation ist sie ungefähr verzehnfacht. Dennoch traut er sich nicht, auch nur einen Ton zu sagen. Er schließt die Augen und hält dem Täter seinen rechten Arm hin. Wenn er nicht tut, was der Andere verlangt, wird er erschossen. Auf jeden Fall maximiert es seine Überlebenschance, wenn er dem Befehl Folge leistet. Wo zur Hölle nochmal ist sein Bodyguard? Der Täter geht professionell vor. Er desinfiziert Matthews Arm und bindet ihn ab, bevor er die Kanüle in die Vene jagt. Nur Sekunden später gehen bei Matthew die Lichter aus.