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Kapitel 9
ОглавлениеVincent bricht erneut im Hotel weinend zusammen. Preston und Howard nehmen in sofort beruhigend in den Arm. Ian telefoniert unauffällig nach dem Tourarzt. Er wird das Gefühl nicht los, dass Vincent bald mehr als nur freundschaftliche Betreuung braucht. Kommissar Svenson wendet sich direkt an die Technik, das Gespräch haben alle über einen Lautsprecher mitgehört:
„Irgendwelche brauchbaren Ergebnisse?“
Phil, der Techniker, schüttelt bedauernd mit dem Kopf.
„Wieder nur ein Prepaidhandy. Ein anderes. Der Täter ist nicht dumm. Das Gespräch war einfach zu kurz. Wir konnten nur grob den Bereich Hafen festlegen.“
„Der ist ja Gott sei Dank nicht so groß“, knurrt Svenson ironisch. „Schicken sie alle verfügbaren Kräfte in den Hafen. Die sollen ihn auf den Kopf stellen. In Zivil!“
„Schon so gut wie erledigt Chef!“ antwortet Phil diensteifrig und macht sich sofort ans Werk.
Svenson dreht sich wieder zur Band um.
„Wir konnten leider nur ein relativ großes Gebiet abstecken, in dem Mr. Mitchell sich befindet. Die schlechte Nachricht ist, der Hamburger Hafen ist einer der größten in ganz Europa und es wird auch mit dieser Absteckung eine Weile dauern, bis wir alles durchkämmt haben.“
„Es ist immerhin ein Anfang!“ stellt Ian fest und versucht, Vincent zuliebe, optimistisch zu sein.
„Richtig. Ansonsten konzentrieren wir uns jetzt auf die Lösegeldübergabe. Natürlich werden wir versuchen, den Täter auf frischer Tat zu schnappen.“
Vincent blickt entsetzt auf.
„Das dürfen sie nicht! Matthew überlebt nicht, wenn dort auch nur ein Polizist ist!“
„Keine Angst Mr. Mitchell. Wir sind selbstverständlich undercover unterwegs. Ich verspreche ihnen, dass sich um 14 Uhr niemand in Uniform am Bahnhof aufhalten wird.“
Vincent scheint das nicht zu beruhigen. „Vielleicht sollten wir doch Clarissa anrufen“, meint er bedrückt.
„Das ist seine Ehefrau?“ fragt Svenson nach.
Vincent nickt.
„Sie war die letzten Tage nicht erreichbar. Matthew war ganz down deshalb. Er hatte Heimweh. Wir nennen das Tourblues. Deshalb war er auch allein im Hotelzimmer. Normalerweise ist er der Erste, der auf einer Aftershowparty dabei ist.“
„Hat Mr. Mitchell eigentlich Kinder?“ fragt Svenson und hofft auf ein Nein.
„Zwei Söhne. David und Noah.“
„Shit!“ flucht der Kommissar. „Ich muss dennoch fragen: Hätte seine Familie etwas davon, wenn ihm etwas geschähe?“
Bei dieser Frage läuft Ian rot an. Er springt auf und brüllt:
„Clarissa hat nichts damit zu tun! Sie liebt Matthew über alles auf der Welt!“
Preston zieht Ian vorsichtig zurück.
„Sicher Mr. Johnson. Aber bitte verstehen sie, dass ich in alle Richtungen denken muss.“
„Er versteht das!“ sagt Preston bestimmt und sieht Ian dabei fest in die Augen.
„Ja. Ja. Entschuldigung“, murmelt Ian.
„Schon vergessen.“
Howard mischt sich ein:
„Ich würde Clarissa noch nicht anrufen. Wir machen nur die Pferde scheu. Das bringt Unglück.“
„Würdest du es nicht wissen wollen, wenn deine Frau entführt worden wäre?“ gibt Vincent zurück.
„Doch! Aber ich bin mir sicher, dass Matthew nicht wollen würde, dass wir Clarissa anrufen. Ihr wisst doch, wie besorgt er immer ist.“
„Hmpf“, macht Vincent. „Ist schon richtig. Dann warten wir noch.“
Der Kommissar nickt kurz.
„Sie wissen sicherlich am Besten, was hier richtig ist. Dennoch sollten wir die Option, Mr. Mitchells Familie zu benachrichtigen, nicht aus den Augen verlieren. Vielleicht fällt ihnen noch jemand ein, der mit ihrem Freund eine Rechnung offen hat. Oder einfach jemand, dem sie es zutrauen.“
„Sicher“, meint Howard. „Aber bitte lassen sie uns noch warten.“
„In Ordnung.“
Ian knetet seine Unterlippe. Dann sagt er:
„Wir sollten aber dennoch dafür sorgen, dass Clarissa hierher kommt. Wenn Matthew frei ist, will er sie bestimmt sehen.“
„Ich könnte rüberfliegen und sie holen“, bietet Kolja an. Alle drehen sich zu ihm um. Es ist einer dieser Momente, an denen die Sicherheitskräfte keiner im Kopf hat und so sind sie erstaunt, dass er sich zu Wort meldet.
„Was willst du denn sagen?“ will Howard wissen.
„Ich weiß nicht genau. Ich werde irgendwas von Überraschung oder so murmeln. Die Jungs kann ich gleich mitbringen.“
„Gute Idee!“ sagt Ian und die anderen nicken.
„Okay, dann nehme ich die nächste Maschine. Kann mir bitte jemand ein Taxi zum Flughafen rufen?“
„So gut wie erledigt“, mischt sich Phil, der Techniker ein und greift zum Hörer.
***
Um halb zwei nimmt der Kommissar seine Lederjacke und streift sie sich über. Erst jetzt bewegt sich auch Vincent. Er hat die ganze Zeit wie ein Stein am Tisch gesessen und vor sich hingestarrt. Er greift ebenfalls zu seiner Jacke.
„Wo wollen sie denn hin?“ fragt der Kommissar.
„Ich komme mit!“ erwidert Vincent wie selbstverständlich.
„NEIN!“ bestimmt Svenson. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Sie gefährden die gesamte Aktion!“
„Ich gefährde gar nichts. Es geht um meinen Bruder! Ich habe viel zu lange untätig herumgesessen!“
„Sie gehen nirgendwohin! Und wenn ich sie verhaften lassen muss. Dies ist ein Undercovereinsatz!“
„Aber Matthew hat gesagt, ich soll den Koffer zum Bahnhof bringen!“ argumentiert Vincent stur.
„Und ich sage ihnen, dass sie einen Teufel tun werden. Sie bringen nur sich und ihren Bruder in Gefahr.“
„Mein Bruder ist bereits in Gefahr!“ schreit Vincent. Er sieht aus, als würde er jeden umbringen, der sich ihm in den Weg stellt. Ian winkt den Tourarzt heran. Er hat neben der Tür auf ein Zeichen gewartet. Der Arzt zieht eine Spritze mit Beruhigungsmittel auf. Preston und Howard postieren sich links und rechts von Vincent, sie wissen, was Ian vorhat. Ian bleibt vor Vincent stehen und blickt ihm direkt ins Gesicht.
„Vincent, komm zur Vernunft. Das bringt alles nichts. Der Kommissar hat Recht. Du kannst nichts tun.“
„Geh mir aus dem Weg Ian!“ brüllt Vincent weiter. „Ich will zu Matthew! JETZT!“
„Das tut mir jetzt wirklich, wirklich leid“, sagt Ian und nickt einmal kurz. Daraufhin packen Howard und Preston Vincent kurzerhand an den Oberarmen und schleifen ihn zurück auf eines der Betten. Ian schiebt den Ärmel von Vincents Hemd hoch, und schnell wie der Blitz hat der Arzt den Arm abgebunden, desinfiziert und jagt das Beruhigungsmittel in Vincents Vene. Vincent brüllt wie am Spieß. Er wehrt sich nach Leibeskräften und es ist ein seltsamer Anblick, wie der sonst so friedliche Mann ausrastet. Preston, Howard und Ian lassen erst los, als Vincent in sich zusammensackt. Das Mittel tut seine Wirkung. Vincent sitzt apathisch auf dem Bettrand und atmet in sich hinein. Der Kommissar nickt beruhigt und macht sich dann auf den Weg.