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8 - Absichten - William & Torns

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Das Leben war schön!

Frisch frisiert, geduscht, rasiert, frische Kleidung und schönes Wetter. William streckte die Arme in die Höhe. Herrlich! fand er. Zwar etwas kühl, schliesslich war Herbst, der Winter fühlbar im Anmarsch, doch die Sonne genügte noch um nicht zu frieren. Sein Pferd trottete trittsicher in gleichmässigem Takt den Weg in Richtung rupianische Grenze entlang. Neben ihm Captain Markus Sol, der es nicht ganz so geniessen konnte, er machte ein grimmiges Gesicht. Grüsste aber jeden sehr freundlich, der ihnen begegnete. Allerdings freute sich niemand, überhaupt niemand, die beiden Terra Sonnensystem Soldaten zu sehen, denn die beiden trugen Uniform. Diesmal nicht zivil, sondern Uniform, da sie offiziell unterwegs waren um den Regenten und den Admiral in Empfang zu nehmen und nach Rotsand zu begleiten. Dafür waren sie schon vor Sonnenaufgang aufgebrochen.

Die beiden hatten mit einem Linienflug nach Rotsand reisen müssen, da auf rotsander Gebiet keine Gleiter des Terra Sonnensystems mehr eine Landeerlaubnis erhielten, logischerweise. Auf rupianischem Boden konnte kein Gleiter mehr landen, weil sämtliche elektrischen Bewegungen ausfielen, sobald ein Gleiter in die Atmosphäre über rupianischem Boden eintrat. Bachschaum und Torns hätten also erst eine Tagesreise bis ins Verlorene Tal auf sich nehmen müssen um dort einen Gleiter zu nehmen, was nichts genutzt hätte, weil er in Rotsand nicht hätte landen dürfen. Also waren alle zu Pferd unterwegs.

Wie kannst du nur so gut gelaunt sein?“ meckerte Sol. “Warum nicht?“ grinste William zurück. Rubbelte sich den Kopf, wischte sich mit beiden Händen das Gesicht. „Du wolltest Johns Platz. Hast ihn bekommen. Alles super. Was meckerst DU?“ Sol schüttelte den Kopf „Pah! Du vergisst, dass wir erst vor ein paar Tagen gute Freunde verloren haben und es so aussieht, als ob sie nicht die Letzten gewesen wären. Das kannst du nicht einfach so runterschlucken. So gefühlskalt kannst auch du nicht sein.“ William betrachtete Sol von oben bis unten, lächelte immer noch dabei „Wenn du Zeit zum Trauern brauchst“ er zuckte mit den Schultern „Bitte, tu dir keinen Zwang an. Aber erwarte es nicht von mir. Ich gebe zu, es ist immer tragisch, wenn Menschen sterben. Ein schrecklicher Verlust. Nur gehört es nicht ein wenig zu unserem Beruf? Und ich habe mir geschworen, mich davon nicht mehr aus der Bahn bringen zu lassen.“ „’Nicht mehr’? Ein Funke Hoffnung für deine Seele am Horizont?“

William ignorierte Sols Antwort, deutete stattdessen nach vorne „Da sind sie ja.“ er hatte keine Lust sich auf diese Diskussion einzulassen. Seit dem Verlust seines Bruders bei Zylins Festnahme, hatte er sich mehr denn je von anderen abgekapselt. Hatte seither auf Rache geschworen und fühlte eine solche Genugtuung, seit er Zylin das Messer hineingestossen hatte und wusste, dass dieser Mistkerl leiden würde. William freute sich wieder so richtig über sein Leben. Gerechtigkeit, fand er. Dieses Hochgefühl liess er sich bestimmt nicht von Sol verkleinern.

Die Pferde hielten an. Bachschaum, Torns, William und Sol stiegen ab um sich zu begrüssen. William stieg sportlich und elegant ab, während Sol und Torns gemächlich einfach abstiegen. Anschliessend beobachteten alle, wie sich der dicke Bachschaum vom Pferd quälte, mühsam herunterquälte, dann sich aber lächelnd zu ihnen gesellte. William begutachtete den Dicken. Unsportlich, dick, aber elegant angezogen. Keine Uniform, dafür ein edles Hemd, bequeme, dunkle Hosen, schwarze Schuhe und einen dunkelblauen, schönen Mantel aus teurem Material. Was für eine Erscheinung, wäre da nicht sein Umfang und das Schwitzen.

Sie reichten sich die Hände, sagten ‚Guten Tag.’ und Torns begann „Darf ich vorstellen: Captain Markus Sol, William Cullen und Regent Peter Bachschaum“ „Sehr erfreut“ entgegnete Bachschaum mit seiner gewohnt freundlichen Art, noch leicht schnaufend vom Pferdabsteigen „Sie sind also der Mann mit den vielen Talenten und Namen“ „Wenn Sie es sagen“ lächelte William zurück. Er sagte es in einem überheblichen Tonfall. „Wenn wir uns den Sarkasmus für später aufheben könnten, wäre ich Ihnen dankbar.“ antwortete Bachschaum prompt zurück. Er hatte, wie so oft, bemerkt, dass seine Erscheinung sein Gegenüber dazu veranlasst, ihn nicht ganz ernst zu nehmen, also gab er gleich das Mass an. Ganz freundlich, natürlich.

„Hoppla“ erkannte William schnell seine Fehleinschätzung. Bachschaums Tonfall war klar gewesen. Denn, William verschloss sich zwar anderen, aber selbst war er ein ausgezeichneter Menschenkenner. Bachschaum hätte seine Bemerkung ignorieren können. Entweder weil es ihm egal war, oder weil er erst sehen wollte, wie’s weiterging. Stattdessen, gab er sofort eine im Tonfall klare und wohlformulierte Ansage zurück. Im Gegensatz zu seinen sportlichen Fähigkeiten.

„Ein Wolf im Schafspelz also“ schlussfolgerte William, lächelte kalt wie immer. Bachschaum lächelte ebenfalls, dachte aber: ‚Nanu? Kein gewöhnlicher Soldat.’ Was hatte er erwartet? Es war auch keiner. Er war einer dieser intelligenten Menschen, die sich zwischen den Grenzen bewegten. Zwischen Geheimdienst und Armee. Zwischen Politik und Guerilla. Zwischen Freund und Feind? Ein unberechenbares Chamäleon? Auf so jemanden konnte man sich nicht verlassen, ausser man kannte seine Hintergründe oder noch besser: seine Schwachstelle. Dadurch würde er berechenbar. Aber so? So war er eine gefährliche Waffe, die ihre eigenen Wege verfolgte. So jemand konnte nützlich sein, sehr nützlich. Richard hielt grosse Stücke auf ihn, also würde er sich vorerst auf diesen William einlassen. Wozu das Lächeln diente, wusste er ja selbst am besten, es irritierte ihn nicht. War eigentlich eine Abwechslung zu den sonst mürrischen Gesichtern der Soldaten wie Torns und Sol.

Schön, wir werden uns also gut verstehen.“ antwortete er zurück und sah Captain Markus Sol an „Und Sie nehmen Captain John Deks Platz ein? Wie ich höre auf eigenen Wunsch?“ Sol nickte und ärgerte sich ein klein wenig darüber, dass da noch so ein lächelndes Gesicht war. William reichte ihm eigentlich. „Ich drücke Ihnen mein Bedauern aus. John Dek war Ihr Freund und ist auch für uns ein grosser Verlust. Genauso wie die anderen Teammitglieder, die durch diesen ärgerlichen Zwischenfall ihr Leben lassen mussten.“ Bachschaum lächelte für einen Moment nicht, hatte wieder einmal auf Knopfdruck seine Mimik verändert.

„Ich denke, wir besprechen das während wir weiterreiten. Bitte.“ unterbrach Torns und deutete auf die Pferde. Man war gleicher Meinung und sass auf. Und nachdem es auch Bachschaum wieder aufs Pferd geschafft hatte, setzte sich Torns mit Sol zusammen an die Spitze, während sich Bachschaum neben William dahinter einreihte.

Sie ritten den Weg zurück nach Rotsand, woher William und Sol eben gekommen waren. In guten drei Stunden würden Sie also wieder zurück in Rotsand sein. Der Handelsweg war ziemlich belebt, sie kreuzten viele Reisende, die sie allesamt mürrisch ansahen.

Die Vegetation war flach und herbstlich. Sträucher, Felder so weit das Auge reichte. Zur Rechten konnte man in der Ferne den See erkennen, ab und an. Hinter ihnen sah man den Wald, dahinter erste Hügel und noch viel weiter weg, die hohen, schneebedeckten Steinberge. Es roch merkwürdig, wie William fand. Wie konnte man nur hier leben?

„Hattet ihr Probleme mit der Anreise?“ fragte Torns. Sol schüttelte den Kopf „Nein, wir mussten nur wie erwartet ohne Waffen einreisen, aber ansonsten... Mensch Richard!“ sagte Sol „Warum hast du mich nicht von Anfang an eingeweiht? Du hättest mir sagen können wer William ist und was er soll! Ich hätte meine Leute besser schützen können.“ „Markus, ich wusste es selbst nicht. Erst als es nicht mehr zu ändern war. Die arbeiten meistens so. Wenn du hier dabei sein willst, musst du damit leben. Vor allem was William angeht, er befolgt seine eigenen Regeln, aber er erledigt immer, was er soll. Zu 100%, also lass ich ihm seine Freiheit.“ „Blödsinn! John wusste Bescheid.“ „John wusste noch Vieles, was ich nicht weiss. Darum erwarte ich von dir, dass du besser mit mir zusammenarbeitest.“ „Verdammt nochmal! Wo sind nur die ‚Guten alten Zeiten’ geblieben, als man seinen Feind noch sehen konnte. Ihm Eine reinhauen und Schluss. Das ist doch ein Theater sondergleichen.“ „Markus, reiss dich zusammen. Wir spielen alle im selben Team. Ein wenig mehr Vertrauen. Du bist doch jetzt hier, oder nicht? Captain.“ „Ja, schon gut. Meinetwegen, Herr Admiral.“

„Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf.“ begann William das Gespräch mit Bachschaum, der ihn darauf ansah und wartete „Ihr seid zu früh.“ „Zu früh? Hatten wir nicht heute abgemacht?“ „Nein, das meine ich nicht. Ich meine, euer Auftauchen auf Steinwelten.“ „Tatsächlich?“ „Ihr habt Rupes und Rotsand aufgescheucht, bevor unsere neuen Einheiten bereit sind. Nun beobachten die mit Argusaugen alle unsere Bewegungen und kennen unsere Absichten. Das Überraschungsmoment ist verloren. Der Stadtmeister im Amt.“ „Naja, ihr habt uns keine andere Wahl gelassen.“ „Wir?“ „Ja, natürlich.“ „Ich bin ja ein helles Kerlchen, aber da bitte ich um Erklärung. Wir hatten einen Auftrag, und der wurde erfolgreich ausgeführt. Mehr oder weniger. Das Serum kann produziert werden. Ihr hättet warten können.“

„Das ist richtig.“ „Aber?“ „Ihr hattet Sa verloren. Wir mussten reagieren, bevor er zur Gefahr werden konnte. Ihr wisst, wozu er im Stande ist. Er wusste bestimmt schon, was geplant war. Hätte er gewollt, hätte er unter anderem alle entsprechenden Verantwortungspersonen ausfindig und ausschalten können. Solange nicht ‚angerichtet’ war, bestand die Möglichkeit alle ‚Zutaten’ zu verlieren. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Jetzt ist angerichtet. Ich meine, der bereits durch ihn verursachte Schaden ist schon gross genug. Rupes und Rotsand hätten entzweit werden sollen“ Bachschaum seufzte „Jetzt wird das noch schwerer. Und den Stadtmeister auszuschalten hattet ihr ebenfalls schon die Möglichkeit.“ sofort entgegnete William „Seine Flucht war nur möglich, weil diese beiden Verräter“ Bachschaum hob die Hand „Ich weiss schon. Admiral Torns hat mir darüber berichtet. SIE ist tot und ER leistet einen ‚wertvollen’ Beitrag zur Gewinnung des Serums.“ „Richtig“ bestätigte William und Bachschaum fuhr fort „Wir brauchen dieses Serum. Es wird unsere Armee aufstocken, die sonst zu klein wäre und vorallem!“ Bachschaum hob seinen rechten Zeigefinger „Es wird uns kleine, unauffällige Einsatzteams bringen, die vom Stadtmeister nicht als Bedrohung wahrgenommen werden. Das wissen Sie, denn soviel ich weiss, kommen die Informationen über Rupes, den Stadtmeister und Rotsand von Ihrer hiesigen Quelle.“ William nickte.

„Dass der Stadtmeister im Amt ist, ist ärgerlich. Für unsere Strategie allerdings nicht weiter dramatisch. Wir können hier nicht einfach mit Gewalt einfallen und die Macht übernehmen, war nie geplant. Sie kennen ‚Code 9’. Die Menschen würden sich gegen das Regime auflehnen, wir müssten Soldaten stationieren, die wir nicht haben. Nein, nein. Effiziente Schattenteams, Diplomatie, ein wenig Gewalt, sowenig als mögliche Verluste, der Steintränenhandel ist sichergestellt und ‚Code 9’ einen Schritt weiter. Da der Stadtmeister im Amt ist, können wir mit der aktuellen Situation arbeiten. Wäre ein herber Rückschlag gewesen, hätten wir uns installiert und der Stadtmeister wäre erst dann ausgerufen worden. Das mit der Elektrizität ist....“ Bachschaum suchte nach einem passenden Wort „ein Hindernis?“ ergänzte William „...ich hätte jetzt ‚eine Herausforderung’ gesagt, aber ‚Hindernis’ trifft es wohl auch.“

„Was schwafelt dieser Grünschnabel?“ ärgerte sich Sol, der sich unterdessen im Sattel gedreht hatte und der Diskussion gefolgt war. Sol wandte sich an Torns, der ihn gelassen und ernst, wie immer, ansah. „Ich dachte, die würden den Feldherrn von Aquawald schicken. Wieso kommt der ‚Lehrling’ um uns Befehle zu erteilen? Das gibt sonst eine blutige Sauerei!“

Wie Torns damals gesagt hatte, war Bachschaum auf ihn als ‚Ansprech- und Respektsperson’ gegenüber dem ‚Fussvolk’ angewiesen. Ihre Zusammenarbeit funktionierte seit Aquawald, so wusste Bachschaum, dass sich Torns um seinen ihm unterstellten Captains selbst kümmern würde und sagte erst einmal nichts, ignorierte Sols Bemerkung.

Torns indess winkte Sol mit dem Zeigefinger zu sich hin. „Markus“ flüsterte er eindringlich „Ich respektiere deine Verärgerung. Ich schätze deine Arbeit und deine Meinung. Du bist ein guter Soldat und Captain, es braucht Leute wie dich.“ „Aber?“ „Du bist nicht auf dem Kampffeld. Wir sind nicht ‚deine’ Leute.“ „Weiss ich“ „Nein, offenbar nicht. Sonst würdest du deine Ausdrucksweise anpassen. Denn das IST, der ‚Feldherr von Aquawald’, auch wenn er nicht so aussieht, zugegeben.“ „Hein?!“ Sol wollte sich aufrichten und Bachschaum ansehen, aber Torns packte ihn am Kragen „Also! Das war das letzte Mal, dass du dich in dieser Gesellschaft so herablassend über einen deinen Vorgesetzten äusserst. Das hier ist keine Diskussionsrunde. Verstanden?!“ „Natürlich. Ich bitte um Entschuldigung, Admiral.“ Torns liess Sol los.

„Du wirst dich nach unserem Aufenthalt in Rotsand mit Commander Marcel Ragor treffen. Er leitet im Lager der Berge die Erstbetreuung der Einheimischen. Du wirst mit ihm zusammen die Zusammenstellung und Koordination der Erkundungsteams übernehmen. Später werden die Schattenteams hinzukommen, wovon Ragor eines übernehmen wird. William wird diese koordinieren, sobald das Serum soweit ist. Er wird dir nicht mehr unterstellt sein. Er wird für uns anfallende Aufgaben übernehmen und zusammen mit uns den Einsatz des Serums koordinieren. Damit nicht jeder gleich merkt, dass er bei diesem Zwischenfall im Wald mit von der Partie war und seine Bewegungsfreiheit nicht von Vorgeschichten eingeschränkt wird, nennt er sich ab sofort... äh..“ Torns studierte einen Moment ehe er sagte „Ach verflucht, sag es selbst“ William lächelte „Djorak Ikrov, mein bester Wurf bisher.“

„Wie kommt man den auf sowas?“ entgegnete Sol. Torns ignorierte Sol, sah Bachschaum an, der ihm bestätigend zunickte „Dann war’s das soweit. Alles verstanden?“ William, bzw. Djorak salutierte salopp und lächelnd, Sol nickte ganz ernst „Ja, Admiral, habe verstanden.“

„Wunderbar!“ freute sich Bachschaum. Seine Reaktion war irgendwie völlig daneben, er sass freudig auf seinem Pferd und fand „Dann können wir jetzt unseren Ausflug nach Rotsand und dieses herrliche Wetter geniessen.“ „Siehst du, Markus! Meine Rede! Gefällt mir, der Mann.“ Djorak lächelte Bachschaum an, Torns reagierte gar nicht und Sol schüttelte den Kopf. Das durfte alles nicht wahr sein!

Leiter der Stadtwachen, so konnte Joret seinen Sohn im Auge behalten. Das war zumindest der Plan. Nach der Sache im Wald wollte er Tom gerade jetzt nicht mehr diesen Gefahren aussetzen. Joret überliess seinem Sohn Tom die Leitung der Stadtwachen Rotsands. Bernd Dorint, vorheriger Leiter der Stadtwachen hatte es vorgezogen, die Leitung der Flughafenwachen zu übernehmen. Das Flughafencorps wurde wegen der verschärften Einreisebedingungen aufgestockt und Joret hatte Bernd dafür vorgeschlagen. Froh über Bernds Entscheid, denn Bernd war ein hervorragender Mann, hatte Joret anschliessend beschlossen, Tom endlich zu befördern und ihm die Leitung der Stadtwachen zu übertragen. Nach den Vorkommnissen der letzten Tage und Wochen hielt sich Toms Freude allerdings in Grenzen. Joret begrüsste Toms Zurückhaltung, zeugte es doch von etwas mehr Besonnenheit als es Tom bisher gekannt hatte. Meinte zumindes Joret.

Die Stadtwachen waren für Recht, Ordnung und Schutz der Einwohner und Einwohnerinnen Rotsands verantwortlich. So hatte Tom entschieden, den Besuch der Delegation des Terra Sonnensystems zu beaufsichtigen. Nachdem Djorak und Sol sich bei ihrer Ankunft hatten anmelden müssen, hatte Tom eine Wache abgestellt, die die Gruppe am Stadteingang in Empfang nehmen soll.

So wurde die Gruppe also von einer Stadtwache angehalten und begrüsst. Tom per Funk informiert.

Willkommen in Rotsand.“ „Guten Tag, gibt’s Probleme?“ wollte Torns gleich wissen. „Nein. Kein Problem.“ Bachschaum drückte sich mit seinem Pferd neben Torns und Sol durch. „Einen wunderschönen guten Tag. Wie nett, dass wir persönlich empfangen werden.“

Man sah der Stadtwache, ein junger Mann mit Solarwagen, an, dass er von Bachschaums überschwinglich freundlicher Begrüssung etwas irritiert war. Torns abweisende Art hatte er erwartet, aber nicht das. ‚Merkwürdig’ fand er.

„Mein Name ist Steinse, ich bin von der Stadtwache von Rotsand. Sie haben sich im grossen Gästehaus beim Flughafen Zimmer reserviert. Ich begleite Sie dahin. Bitte folgen Sie mir.“ damit stieg er in seinen Solarwagen und fuhr im Schritttempo den Reitern voraus.

„Das ist eine Frechheit.“ beschwerte sich Torns. Bachschaum zuckte mit den Schultern „Wieso? Solange wir nicht festgenommen werden.“ Torns sah zu Sol „Wusstet ihr davon?“ Sol schüttelte den Kopf „Nein.“ Torns blickte zu Djorak „Was siehst du mich an.“ Djorak hob die Schultern „Ich wusste nichts davon. Ein Kindermädchen. Ist doch nett?“

In gemächlichem Tempo ritten sie hinter dem kleinen Solarwagen in die Stadt Rotsand hinein. Der Handelsweg von und zu Rupes bildete bis zum ersten Vorort Rotsands die Hauptstrasse. Ab da gab es vermehrt Abzweigungen und nun in Rotsand selbst, verlief sich der Handelsweg, verzweigte sich in viele verschiedene Richtungen. Plötzlich gab es Verkehr: Solarwagen, Kutschen, Reiter. Es wurde gedrängter. Fussgänger, auf die Strasse gestuhlte Restaurants, ab und an Marktstände. Ein buntes, lebendiges Treiben, wie an jedem Werktag. Die Strassen und Wege waren gepresst. Auf Steinwelten gab es keinen Teer. Dafür war es möglich, den sandig, steinigen Untergrund unter Zugabe eines chemischen Bindemittels so zu pressen, dass er sich im Regen nicht mehr aufweichte. Von Zeit zu Zeit musste nachbehandelt werden und zwischendurch schafften es ein paar hartnäckige Gräser sich anzusiedeln. Alles in allem aber ein sehr angenehmer und pflegeleichter Untergrund, der sich, wenn nicht nachbehandelt wurde, einfach wieder zu gewöhnlichem Boden wurde. Bachschaum war fasziniert.

Auf dem Marktplatz traf die Gruppe auf Tom und ein paar seiner Leute. Sie hielten an. Steinse salutierte.

Willkommen in Rotsand.“ begann Tom das Gespräch in ziemlich unfreundlichem Tonfall und bevor jemand etwas sagen konnte „Ich bin Leiter der Stadtwachen, Oberleutnant Laertens. Sollten Sie während Ihres Aufenthaltes hier in Rotsand Fragen oder Probleme haben, wenden Sie sich an mich.“ während er sprach, begutachtete er die eingetroffenen Gäste. Zwei hatten sich bereits angemeldet: Captain Markus Sol und ein Commander Djorak Ikrov. Sol erkannte er, Ikrov nicht. Dafür William Cullen. Dann waren noch die beiden rupianischen Begleitsoldaten und 4 Terra Sonnensystemsoldaten. Ein wenig neidisch begutachtete Tom die Uniformen. Insgeheim bewunderte er die Soldaten des Terra Sonnensystems. Er mochte ihre Stärke. Nur der eine Typ mit dem Pferdeschwanz irritierte ihn, der passte so gar nicht in die Gruppe. Offensichtlich war das Terra Sonnensystem toleranter als man ihm nachsagte.

Bachschaum nutzte die kleine Pause, stieg ab und reichte Tom seine Hand „Sehr erfreut. Peter Bachschaum. Regent des Terra Sonnensystems.“ Tom erwiderte den Händedruck und während sie Hände schüttelten sagte er „Meine Männer werden sich um ihre Pferde kümmern. Sie werden Sie bei Ihrer Abreise wohl auf zurückerhalten. Ist eine reine Vorsichtsmassnahme.“ ‚Oje’ dachte Bachschaum ‚Richard wird ausrasten’.

„Das ist eine bodenlose Frechheit. Bestimmt nicht! Ihr legt es wohl darauf an. Wie stellt ihr euch das vor?! Sollen wir zu Fuss gehen?!“ Torns Gesicht glühte, er hatte so etwas von genug. Schon dieses Theater überhaupt sich die Mühe zu machen um hierher zu reiten um eine eventuell ‚friedliche’ Lösung zu finden, die es nicht geben wird, so stur wie die sind.

Bachschaum sah Torns an, hob beruhigend die Hand, deutete Torns ihm das Wort zu lassen. Gleichzeitig gesellte sich Djorak neben Torns, legte seine Hand auf dessen Schulter, lächelte „Einfach zu uncharmant.“ er zwinkerte „Uncharmant. Ts..ts..ts“ heftig wischte Torns Djoraks Hand weg „Was erlaubst du dir?!“ musste dabei aber ebenfalls leicht schmunzeln und beruhigte sich. Djorak war der unverschämteste Kerl, den er je getroffen hatte, aber er mochte ihn irgendwie. Es konnte auch sehr erfrischend sein.

„Das ist kein Problem. Ich denke, wir sind alle noch gut zu Fuss. Aber wenn ich vorstellen darf“ Bachschaum drehte sich um, deutete allen abzusteigen und stellte einen nach dem anderen vor. Dass Bachschaum William als Djorak Ikrov vorstellte irritierte Tom, er sagte aber nichts. Nickte nur allen zu und deutete seinerseits seinen Männern, sich den Pferden anzunehmen.

Die beiden Begleitwachen aus Rupes überliessen die Gäste den Rotsander und folgten den Pferden. Sie würden sich bis zur Abreise um sich selbst und die Pferde kümmern, in Rotsand hatten sie ohnehin keine Befugnisse.

Eine angespannte Stimmung herrschte während der Fahrt zum grossen Gästehaus. Tom hatte natürlich nicht vorgehabt ‚zu Fuss’ bis zum Gästehaus zu gehen und deshalb genügend Solarwagen vorbereitet. Es wurde geschwiegen.

Den Soldaten, ob Rotsand oder Terra Sonnensystem, war’s egal. Torns blieb grimmig, ebenso Sol. Die beiden vertraten dieselbe Meinung: Handeln ist besser denn Reden. Während Djorak aufmerksam beobachtete, seine nächsten Schritte plante und es grundsätzliche genoss, denn aus seiner Perspektive lief’s gut, grandios sogar. Er genoss jede Sekunde seiner Genugtuung, seines Erfolges.

Ähnlich wie Djorak beobachtete Bachschaum die Rotsander, nur, dass er es weniger wie ein Raubtier tat, sondern mehr wie ein neugieriges Kind, dass den idealen Moment für einen Streich sucht.

So funktionierte Bachschaums Vorgehensweise. Wenn er etwas war, dann bestimmt kein Kind, auch wenn er manchmal so wirkte. Das wusste Peter Bachschaum sehr wohl. War seine Absicht. ‚Ein Wolf im Schafspelz’ hatte Djorak geschlussfolgert und Bachschaum musste ihm Recht geben, dieses Sprichwort traf es genau auf den Punkt. Also, er wollte vor allem nach Rotsand reisen um sich ein Bild der Region und seiner Bewohner zu machen. Sich unter ihnen aufhalten und sie kennenlernen. Ihre Denkweisen, ihre Gepflogenheiten, ihre Vorlieben, ihre Schwächen. Torns tat dasselbe, nur eben in Bezug auf strategische Kampfhandlungen: wo sind die Wachen, wo Häuser, wo welche Hindernisse, und so weiter.

Nein, Bachschaum konzentrierte sich auf die ‚weichen’ Faktoren. Wenn er einen Wunsch frei gehabt hätte, hätte er sich gewünscht, Gedanken lesen zu können.

Im Gegensatz zu der Aquawaldischen Hauptstadt empfand Bachschaum Rotsand als ‚sehr friedlich’. Die Leute wirkten erschreckend zufrieden, auch wenn der Stadtbetrieb hektisch war. Schon auf dem Weg hierher hatte er bemerkt, dass die Leute zwar Fremden gegenüber skeptisch waren, aber sie waren zufrieden. Es war friedlich. Leider, dachte er. Leider, leider. Zufriedene Menschen waren deutlich schwieriger zu handhaben als unzufriedene, aus diplomatischer Sicht. Er sah keine armen Obdachlose auf den Strassen. Die Häuser befanden sich in gepflegtem Zustand. Eindeutig: der Stadt Rotsand ging’s gut. Der einzige Vorteil, der ihm für das Terra Sonnensystem soweit einfiel, war: Wenn alles tatsächlich so friedlich und zufrieden war, wie es aussah, dann gab es kein kampf- und gewalterprobtes Soldatenheer. Schon gar nicht eines mit Erfahrung. Da nützten auch die modernsten Waffen nicht viel, wenn es Skrupel gab auf den ‚bewussten Kopf’ zu drücken.

‚Naja’ dachte sich Bachschaum ‚Wir werden sehen, möglicherweise kommt doch noch das Eine oder Andere Brauchbare während ihres Aufenthaltes zum Vorschein. Nichts ist perfekt!’

Nicht jetzt! Und schon gar nicht HIER!“ flüsterte Djorak gereizt in Toms Ohr. Tom hatte Djorak im Empfang des grossen Gästehauses angesprochen. Die anderen waren alle schon weg auf ihren Zimmern und er hatte wissen wollen, was das mit dem neuen Namen für ein Blödsinn sein sollte und warum er es ihm nicht gesagt hatte. Aber Djorak machte keine Anstalten ihm eine Antwort darauf zu geben, im Gegenteil, er wurde wütend und wies Tom sofort und unmissverständlich in die Schranken. Der kleine Mistkerl, hatte ihm schon genug Unheil angerichtet, ihn beinahe seinen Triumph gekostet.

Djorak riss seinen Arm aus Toms Griff „Und wag es nie wieder mich so anzufassen. Was denkst du, wer du bist?!“ „Jemand der dich auf der Stelle verhaften kann. Also droh mir nicht!“

Sofort lächelte Djorak, reichte Tom die Hand und meinte „Nein, nein. Besten Dank, wir brauchen nichts weiter. Dann sehen wir uns also morgen. Guten Abend.“ Tom sah ihn verwirrt an.

Was Tom nicht hatte sehen können war, dass Bachschaum hinter ihm erschienen war. Djorak hatte es gesehen und sofort reagiert. Niemand brauchte zu wissen, dass er und Tom sich schon kannten.

Bachschaum registrierte die Situation: Der Empfang war nicht gross. Die Rezeption gerade unbesetzt, dafür standen vor der Tür zwei Rotsandwachen. Die beiden waren durch die Glastür gut zu sehen, sie standen unter dem Vordach auf dem grünen Teppich und beobachteten die vorbeigehenden Leute. Grüssten alle. Neben dem kleinen Tischchen mit den Prospekten, welches vor der Rezeption stand, sah er Djorak und Oberleutnant Tom Laertens. Tom stand mit dem Rücken zu ihm, also sah er nur Djoraks lächelndes Gesicht. Die Situation barg irgendetwas Merkwürdiges in sich, fand Bachschaum. Darüber würde er noch nachdenken. Für jetzt, wollte er sich allerdings jemanden als Begleitung suchen, für einen kleinen Spaziergang durch diese für ihn neue Stadt. Wenn er schon mal hier war.

Sein Zimmer hatte er bezogen, war klein und nett. Aber jetzt war er hungrig. Wollte die Stadt sehen und etwas essen. Mit dem Fahrstuhl war er deshalb nach unten gefahren. Alleine, denn Torns wollte sich hinlegen, nachdem er noch das eine oder andere Gespräch über seinen Kommunikator geführt hatte.

In Djoraks Tasche vibrierte es. „Was?“ brummelte Djorak und nahm den Funkknopf heraus, steckte ihn ins Ohr und antwortete „Ja! Was ist denn?“

Unterdessen hatte Tom die Situation begriffen und machte sich auf zu gehen. „Wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich. Für Ausflüge in die Stadt wird sie eine der beiden Rotsandwachen dort begleiten. Ansonsten bis morgen.“ er nickte Djorak und Bachschaum zu, dann ging er. Er versuchte so wenig beleidigt als möglich zu wirken, damit Bachschaum keinen Verdacht schöpfte. Drehte sich nicht mehr um und verschwand, gefolgt von Bachschaums lächelndem Blick.

„Bin ich denn ein Kindermädchen?!“ fluchte neben ihm Djorak. Bachschaum sah ihn an, hob die Brauen. Was er wohl für ein Gespräch führte? Er würde warten. Musste er ohnehin, denn Torns hatte ihn angewiesen, nicht alleine die Stadt zu besichtigen, er würde ihm jemanden schicken. „Ahhh!“ lächelte Bachschaum, der Groschen war gefallen, jetzt wusste er, was Djorak für einen Gesprächspartner im Ohr hatte.

Und mit „Ist ja schon gut! Musst nicht gleich persönlich werden. Beruhige dich. Ich tu’s ja. Ende“ schloss Djorak das Gespräch, nahm sich den Knopf wieder aus dem Ohr und schüttelte den Kopf. ‚Mist!‘ Torns hatte ihn gerade in einem schlechten Moment erwischt, zu dumm! Er hatte gereizt geantworte und Torns darauf gleich losgedonnert, unmissverständlich sofort seine Stellung klar gemacht.

Dann lächelte er Bachschaum an, der bereits ebenfalls lächelnd die Hände hob „Keine Erklärung. Hihi...“ amüsierte er sich „Ich kenne Richard und kann mir sein Donnerwetter vorstellen. Hihi...“ er schob sich die Brille zurecht „Tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände mache. Aber ich bin froh, nicht alleine spazieren gehen zu müssen und sogar noch einen adäquaten Gesprächspartner zu haben. Mit einem einfachen Soldaten, nichts gegen die braven Männer, aber es ergeben sich halt nicht dieselben Gespräche. Sie sind auch herzlich zum Abendessen eingeladen.“

Neue Freundschaften zu knüpfen war eigentlich immer gut, und wenn es sich sogar um einen Regenten! handelte, den Feldherren, dann umso besser. Man wusste nie, wenn man so jemanden gebrauchen konnte. Und wer weiss, vielleicht ergeben sich tatsächlich interessante Gespräche. „Nein, nein“ begann Djorak „Keine Sorge, Sie machen mir keine Umstände. Ich hatte nur gerade was anderes im Kopf. Tut mir leid.“ „Na dann“ freute sich Bachschaum und marschierte los, auf in die Stadt!

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