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10 - Ende der Reise - Ralph & Janus

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Der Stuhl lag bereits in seinen Einzelteilen auf dem Boden als Janus ins Zimmer kam. „Warte besser draussen.“ wies er Isara an, während er sie sanft aber gezielt aus dem Zimmer schob. „Es tut mir schrecklich leid.“ seufzte Isara währenddessen „Ist nicht deine Schuld. Keine Sorge.“ beruhigte sie Janus.

Petrak kauerte am Boden und hielt sich seine heftig blutende Kopfwunde. Ralph hatte sein rechtes Auge erwischt, Petrak konnte nichts mehr damit sehen, es war voller Blut.

„Isara? Wärst du so nett?“ ganz ruhig half der grosse kräftige blonde Wärter seinem Kollegen zur Tür, wo sich Isara Petraks Kopfwunde sofort fürsorglich annahm. Der Notfallkasten befand sich ja gleich neben der Tür an der Wand im Gang.

Während Janus noch etwas unschlüssig seinem Schützling zusah, wie er sich am Bett zu schaffen machte. Der riss die Decke herunter, griff das Kissen, schlug es gegen Janus, der mit beiden Händen abwehrte. „He, he! Beruhig dich. Ja?!“

Wütend schlug Ralph mit dem Kopfkissen auf Janus ein. Solange bis es zerriss, weil es Janus festhielt, während Ralph es wegzog um erneut auszuholen.

Umgehend liess er vom nun nutzlosen Kopfkissen ab und griff sich erneut das Stuhlbein, dass er vorhin auf die Matratze geworfen hatte. Petraks Blut klebte noch daran, er hatte unerwartet und sehr heftig auf Petraks Kopf geschlagen.

Das Überraschungsmoment ausnutzend riss Janus das Stuhlbein sofort aus Ralphs Hand, bevor dieser sich ganz umgedreht hatte und schlug stattdessen Ralph selbst.

Erschrocken über Janus Schlag hielt Isara den Atem an. Mit einem Auge hatte sie stets das Tun im Gästezimmer beobachtet. Janus würde Ralph umbringen! „Keine Sorge“ versuchte Petrak zu beruhigen.

Aber noch überraschter war sie dann, als sie sah, dass es Ralph gar nicht so viel ausgemacht hatte. Er schlug Janus nun schlicht die Faust ins Gesicht und schrie „Diese verdammten Hurensöhne!!“ Ganz offensichtlich war Ralph rasend vor Wut.

Von Ralphs Schlag einen Schritt zur Seite getorkelt, fing Janus sein Gleichgewicht und schlug nochmals zu. So heftig er konnte, bevor Ralph zu einem weiteren Schlag ausholen oder sich ein neues Utensil schnappen konnte.

Ralphs Kopf war bereits übelst blutverschmiert und der zweite Schlag schleuderte ihn nun wenigstens aufs weiche Bett, sodass sich Janus sofort mit seinem gesamten Gewicht auf ihn stürzen konnte. Warf schnell das Stuhlbein weg und drückte mit aller Kraft gegen Ralphs Brustkorb. „Schluss jetzt! Verflucht! Beruhig dich!“ schrie ihn Janus an.

Alle vier verharrten. Alle schwiegen. Es war plötzlich still geworden. Draussen auf dem Gang hörte man Schritte von weiteren Wachleuten, die zur Hilfe kamen. Petrak winkte bereits ab „Alles im Griff. Danke Leute.“ Achselzuckend drehten die Wachleute wieder um, einer fragte noch „Sicher?“ „Ja, ja. Danke.“ Kopfschüttelnd verschwanden sie wieder. Isara war erleichtert. Das Sicherheitspersonal der Anlage selbst war ihr unheimlich. Sie mochte diese Typen überhaupt nicht. Zum Glück hatte sie Petrak gleich weggeschickt.

Besser?“ fragte Janus. „Ja“ keuchte Ralph beleidigt „Du zerdrückst mir dir Rippen.“ keuchte er weiter. Er bekam unter Janus Gewicht tatsächlich kaum Luft. Janus drückte ihn fast gänzlich in die Matratze hinein.

Unterdessen hatte Isara Petraks Gesicht vom Blut gereinigt. Das Auge war unverletzt. Aber zugeschwollen. Eine Platzwunde zog sich von der Schläfe zur Braue. Immerhin sah er mit dem anderen wieder. „Du hattest Glück, hätte es das Auge getroffen, wärst du darauf blind. Ich hol dir Eis zum Kühlen.“ meinte Isara. Petrak nickte „Danke dir.“ und dann ging er zum Bett, wo er kommentarlos Ralphs Fussfesseln am Bett ankettete. Janus tat dasselbe mit Ralphs Händen. Ralph liess es widerstandslos geschehen „Das muss nicht sein. Ich hab mich beruhigt. Alles wieder gut.“ Janus blickte böse auf Ralph „Kein Ton! Ich hol die Leine. Das war’s mein Freund. Ende der Reise.

Damit stand Janus auf und verliess den Raum. Petrak blieb. Isara kam mit dem Eis, blieb in der Tür stehen, fragte vorsichtig „Darf ich?“ sie deutete auf Ralph, wollte auch seine blutenden Wunden versorgen. Petrak nickte. Sie betrat das Zimmer, reichte Petrak das Eis und setzte sich auf den Bettrand, betrachtete diesen ‚anderen’ Ralph, vor dem sie sich ständig ein wenig gefürchtet hatte. Er wandte seinen Blick ab, zur Wand hin. Zog an den Handfesseln „Das ist nicht nötig.“ meinte er missmutig. Er wollte das nicht. Es war ihm unangenehm.

In den letzten Tagen war Isara öfters für Gespräche zu ihm gekommen. Sie sprachen über alles Mögliche. Über die Arbeit als Arzt, über Erlebnisse. Gemütlich. Und er hatte so eine beruhigende Wirkung, fand Isara. Sie hielt ihn auf dem Laufenden über Zylins Zustand, was nicht viel war ausser, dass die Temperatur täglich leicht anstieg. Und er berichtete ihr über seine Zusammentreffen mit Wakanern. Zum Teil witzige Anekdoten. Als er dann erwähnte, dass er wirklich gespannt war auf ein Gespräch mit Zylin, erklärte ihm Isara, dass es nicht dazu kommen werde, weil Kitel Zylin nicht aufwachen lassen würde. Er würde ihn sofort unter Ethanol setzten, sobald es möglich sei.

Daraufhin war Ralph unvermittelt ausgerastet. Hatte erst auf den Tisch geschlagen, geschrien „Was für ein krankes Arschloch ist das denn?!“ aufgestanden „Dieser miese Vixer!“ er fing an zu toben. Nicht weil er enttäuscht war, nicht mit dem Wakaner sprechen zu können, nein, sondern weil er wirklich wütend war. Wieder einmal mehr wütend über dieses Dreckspack, das für das Terra Sonnensytem arbeitete. Dieselben Vollidioten und Kleingeister denen er schon seinen Aufenthalt im Gefängnis verdankte. „Er ist doch keine Melchmaschine verflucht!“ „Was denken die sich?!“ „Was hat er Ihnen denn getan?!“ „Das können die nicht tun!!“ „Nicht einmal Tiere behandelt man so!!“

Während Isara überrascht gewesen war, hatte sich Janus schon lange gefragt, wann es denn passieren würde. Ralphs Intelligenz, ruhiges Benehmen und sein Anstand täuschten immer wieder darüber hinweg, dass da auch so eine Art wildes, gefährliches Tier ihn ihm steckte.

Und nun lag Ralph gefesselt auf dem Bett. Ärgerte sich über sich selbst. Es war ihm unangenehm, bereute seinen Ausraster.

„Tut mir leid“ hörte er Isaras Stimme in der Ferne. Er wollte sie nicht ansehen. Blickte weiterhin zur Wand. „Vorsicht“ warnte sie, bevor sie anfing das Blut auf seinem Gesicht zu reinigen, sie sass auf dem Bettrand neben Ralphs Kopf „Ich hatte dich nicht verärgern wollen.“ „Hast du nicht - autsch“ „Tschuldige. Janus hat heftig zugeschlagen. Das muss genäht werden.“ „Nein, nicht nötig.“ Isara schüttelte den Kopf. „Nicht nötig? So ein Quatsch.“ Sie betrachtete das Wundreinigungstuch in ihrer Hand. Stockte.

„Das ist merkwürdig.“ sie runzelte die Stirn „Das ist nicht normal.“ sie dachte nach. Dann fiel es ihr ein „Wakanisch?“ sie sah Petrak an, der zuckte gleichgültig mit den Schultern. Drückte sich das Eis auf sein geschwollenes Auge. Genoss es sichtlich.

Ralph schloss die Augen. ‚Selbst schuld’ dachte er. Damit hatte er rechnen müssen, wenn er sich so daneben benimmt hatte er keine Kontrolle mehr über die Situation, musste mit Unerwünschtem rechnen.

Das machte Sinn, fand Isara. Das erklärte, dass Ralphs Schläge heftiger waren, als man erwartete. Und dass ihn Janus erster Schlag nicht gleich umgehauen hatte. Und...bei ihrer ersten Begegnung hatte er seinen Rücken verborgen! Nur... er war nicht grün?

„Bist du etwa ein Wakaner?!“ fragte Isara im Flüsterton. Ralph öffnete die Augen, drehte nun langsam den Kopf, sah sie an und verneinte „Nein, bin ich nicht.“ „Hein? Aber dein Blut?“ „Halbwakaner“ „Hein? Wie ist das möglich? Ich verstehe nicht.“ „Ist eine hässliche Geschichte, die ich nicht erzählen werde.“ „Ich weiss nicht, was ich sagen soll.“ „Wenn möglich, gar nichts und niemandem. Dafür wäre ich dir dankbar. Das verstehst du bestimmt.“ Isara nickte. Sie verstand. Sie flüsterte „Wenn das Kitel wüsste?!“ theatralisch schloss Ralph erneut die Augen „Ja, ich weiss“ Isara biss sich auf die Lippen „Ich werde nichts verraten. Niemandem. Versprochen. Du weißt ich kann ein Geheimnis behalten. Aber wie kannst du das nur verstecken? Sowas fällt doch auf? Vorallem in einem Gefängnis!“ er öffnete wieder die Augen, sie sahen traurig aus „Es hat sich einfach so ergeben. Meine Eltern, Janus, Petrak und der Gefängnisarzt von ‚Sonne’, und jetzt du, sind die einzigen, die es zurzeit wissen. Und sie alle haben kein Interesse daran. ‚Sonne’ ist ein sehr verschwiegener Ort. Und da ich nicht so auffällig ‚grün’ bin, fällt es auch nie jemandem auf. Ausser ich verlier die Beherrschung, wie eben. Dumm.“

Themawechsel „Das muss ich trotzdem nähen. Glaub mir.“ ein verlegenes Lächeln erschien auf Ralphs Gesicht. So wie es weh tat, hatte Isara wohl recht und er hielt still. Froh darüber, dass sie nicht weiter auf dem Thema seiner Herkunft herumritt, obwohl er sich denken konnte, wie viele brennende Fragen sie hatte. Die Stiche fühlten sich ecklig an. Er mochte nicht viele Menschen, nicht mehr seit dem Vorfall, weswegen er verurteilt worden war. Und auch wenn er sie vermutlich nie wiedersehen würde, fand er es schön, Isara kennen gelernt zu haben. Sie hatte ihr Herz am rechten Fleck. Er konnte immer mehr nachvollziehen, warum Zylin sie so nahe an sich herangelassen hatte. Wakaner waren nämlich sehr wählerisch in Bezug auf nähere Bekanntschaften mit Menschen.

Nachdem Isara Ralphs Wunden verarztet hatte, legte ihn Janus tatsächlich an die Leine. Ein Stahlseil von der Wand hinter dem Bett zu seinen hinter dem Rücken gefesselten Händen. Gerade lange genug, sodass es aufs Bett und zur Toilette reichte.

Janus hatte zwar nur eine Regel, aber die hielt er ein. Immer. Er tolerierte Einiges. Nur, krümmt man einer Wache auch nur ein Haar, war Schluss. So seine Regel. Endgültig und indiskutabel. Und Petraks Auge sah hässlich aus. Janus trug die Verantwortung und hatte das letzte Wort, wenn er sagte, es ist Schluss, war es so. Sie würden mit dem nächsten Transporter abreisen. Da konnte selbst Dr. Kitel nichts mehr ausrichten. Das war eine Frage der Sicherheit.

Ralph war’s egal. Mit hinter dem Rücken gefesselten Händen, wie ein Hund an einer Kette an der Wand angebunden, sass er auf der Bettkante. Petrak machte sich auf zu gehen.

„Petrak“ sprach Ralph den grossen Mann mit braunem Haar und geschwollenem Auge an. „Ralph“ Petrak blieb stehen, sah Ralph an „Bitte entschuldige. Das mit deinem Auge tut mir Leid.“ „Entschuldigung angenommen. Ist halb so schlimm. Richtig leidtun wird es dir Zuhause noch genug. Janus wird das nicht vergessen und ein paar Tage an der Wand wirst du wohl dafür einkassieren.“ „Schon klar. Wollte nur, dass du es weißt.“ Petrak lächelte „Ich weiss doch“, nickte und ging. Janus wartete an der Tür.

„Isara? Kommst du?“ Isara stand neben dem Tisch. Wollte gerade Janus Aufforderung nachkommen, als sie Ralphs Brille auf dem Boden unter dem Sessel sah. Sie hob sie auf, zeigte sie Janus, der nickte, was so viel hiess, wie dass sie die Brille ihrem Eigentümer zurückbringen durfte. Ralph konnte sich die Brille ja selbst nicht mehr holen.

Ach, wie sie ihn vermissen wird, dachte Isara.

Kurz gereinigt und auf Vollständigkeit kontrolliert, setzte sie Ralph die Brille behutsam auf die Nase. Ganz darauf bedacht, seine Verletzungen nicht zu berühren. Er liess es geschehen. „Darf ich trotzdem eine Frage stellen?“ flüsterte sie. „Sicher. Fragen kannst du immer, wenn du die Antwort nicht scheust.“ sie sah auf ihn herab, er sass immer noch auf der Bettkante. „Die Narben“ fuhr sie fort. Er kniff die Augen zusammen, studierte was sie wohl meinte. Fragte sich, wie sie darauf kam? Woher wusste sie davon? Dann lächelte er, die erste Begegnung, natürlich! Sie hatte ihn ohne Oberteil gesehen.

Beim Reden hob sie die Decke vom Boden auf, legte sie aufs Bett. „Da du kein Soldat bist... warst. Frage ich mich, woher die Narben stammen. Die sind nicht vom Krieg, die sind aus deiner Kindheit. Richtig.“ sie sah ihn an „Weil du vorhin das mit ‚der hässlichen Geschichte’ gesagt hast.“ sie sah ihm weiter ins Gesicht, wartete auf eine Antwort oder Reaktion „Warum lächelst du? Lachst du mich aus?!“

Ralph stand auf, jetzt war’s auch egal. Janus glühte ihn von der Tür aus bereits drohend an, hob mahnend den rechten Zeigefinger, spannte sich an um sofort loslaufen zu können. Ralph liess Janus nicht aus den Augen, während er sich ganz nahe an Isara stellte und ihr ins Ohr flüsterte „Ich lach dich nicht aus, ich lach über mich selbst. Und du hast Recht mit deiner Vermutung.“ „Warum flüsterst du?“ flüsterte sie zärtlich in sein Ohr zurück „Janus braucht das nicht hören. Bitte versprich mir zu bleiben wie du bist. Und wenn du kannst, ihn aufwachen zu lassen, damit er wenigstens weiss, wo er ist. Kannst du das?“

Sie gab Ralph unvermittelt ein Küsschen auf die Wange. Strahlte ihn an „Versprochen. Ich tu was ich kann. Danke fürs Kompliment. Mach’s gut. Wäre schön, wir würden uns wieder einmal treffen. Ich werde unsere Gespräche vermissen.“ „He! Wenn das Phil wüsste!“ rief Janus in ironischem Tonfall von der Tür und gleich hinter Janus „Wenn ich was wüsste?“ Phil hatte vom Tumult gehört und wollte nach Isara sehen. Er streckte neugierig seinen Kopf neben Janus zur Tür herein.

Immer noch strahlend kam Isara auf die beiden zu „Dass ich Ralph zum Abschied ein Küsschen auf die Wange gegeben habe.“ „Zum Abschied?“ wunderte sich Phil „Ja, das war mein letzter Besuch vor seiner Abreise. Darum.“ Sie umarmte Phil „Ich verstehe nicht. Was ist denn passiert? Wieso Abreise?“ dann küsste sie auch Phil auf die Wange „Frag Janus.“

Derweil hatte Janus die Tür verschlossen. Phil sah ihn fragend an. „Clevere Freundin hast du da.“ meinte Janus. Phil stiess Isara weg, hielt sie mit beiden Händen an den Schultern vor sich fest. Sah sie an, dann Janus „Kann mir bitte endlich jemand erzählen, was los ist?! Deine Kleidung ist voller Blut!“ Janus antwortete „Ja. Deswegen werden wir so rasch als möglich abreisen. Der Transport ist schon bestellt. Und ich hab’s zwar noch nicht erwähnt, aber Isara hat’s schon vermutet: Ab sofort keine Besuche mehr. Er hat den Bogen überspannt, ich muss das aus Sicherheitsgründen so anordnen.“ „Das wird Kitel nicht absegnen.“ meinte Phil „Spielt keine Rolle. Petrak ist verletzt. Wir reisen ab. Da kann er nichts tun, ausser ihn später erneut herbestellen, wenn er will, was ich nicht denke.“

Isara drehte sich zu Janus um, sah ihm in die Augen „Warum hast du ihn eigentlich nicht beteubt? Dafür sind doch seine Fesseln.“ Verlegen beugte sich Janus zu Isara hinunter und flüsterte „Weil ich das verdammte Gegenmittel vergessen habe. Ich wüsste nicht, wie ich ihn wieder geweckt hätte. Und die hier um Hilfe bitten“ er stellte sich wieder gerade hin und winkte ab „das wäre ärgerlich und umständlich gewesen. Bis wir nur schon das richtige Mittel gefunden hätten. Ich hatte gehofft, es ginge ohne.“


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