Читать книгу Steintränen - Manja Gautschi - Страница 8
6 - Entscheidung - Isara
Оглавление„Vorsicht!“ ermahnte Phil aufgeregt die Soldaten, als diese den schwarzen Leichensack auf den Behandlungstisch hieften. Simone grauste es, es waren dieselben Typen, die ihr schon öfters auf der Anlage begegnet waren. Und die waren es gewesen, die Jeff gefoltert hatten.
„Was is? Das is ne verdammte Leiche, Kleiner. Ein verflucht schwerer Haufen Fleisch und Knochen noch dazu. Also“ „Also haltet eure Klappen und tut was er sagt!“ zischte William energisch dazwischen. Sah die drei Männer böse an und die verstummten, zuckten etwas zusammen, fand Simone. Noch grausliger, dieser William. Sie mochte ihn nicht.
„Idioten!“ schrie William die Typen an, die sodann den Sack ganz sachte auflegten. Nervös beobachtet von Phil, der in seinem weissen Kittel danebenstand.
Der Laborraum vor Greg und Jeffs Zellen war noch nie so voller Leute gewesen wie heute. Aufgeregt hatten Dr. Kitel, Phil und zwei weitere in weisse Kittel gekleidete Personen eine Krankenbahre mit einem schwarzen Leichensack darauf in den Raum gestossen und ihn neben den leeren Behandlungstisch aus glänzendem Edelstahl gestellt. Begleitet wurden die vier von drei dieser schrecklichen Wachen, die nebst dem Foltern auch zuständig waren für die Aufsicht. Dann erschienen Simone, eine Frau mit verbundenem Bauch, ein älterer Mann mit einer geschwollenen Kopfwunde und ein asiatisch aussehender Typ mit einer heftigen Schnittwunde an der Wange.
Die junge Frau mit dem verbundenen Bauch erschreckte ob Jeff und Gregs Anblick. Nicht weil die beiden etwa hässlich waren, sondern weil sie eingesperrt waren. Und gegenüber noch weitere drei! Sie stutzte und blieb gleich neben der Tür stehen. Was war das hier?!
„Hatte ich nicht ‚lebend’ gesagt?“ fragte Kitel den asiatisch aussehenden Mann mit der Schnittwunde im Gesicht. „Was soll ich mit einer Leiche?“
Genervt stiess William einen der beiden schwarz gekleideten grossen Wachen, die eben den Sack auf den Tisch gehieft hatten zur Seite. Öffnete den Sack, hob das Augenlid der Leiche „Grün! Bitte sehr. Aber wenn ihr noch lange rumquängelt...“ er sah wütend in Dr. Kitels Augen „Also, ich krieg mein Geld so oder so!“ Kitel begutachtete das Auge, das weder Pupille noch Iris aufwies. Der Augapfel war einfach nur sehr hellgrün und milchig. Kitel öffnete den gesamten Sack und überflog den restlichen Körper, liess ihn anheben um auch die Rückseite zu sichten, schüttelte den Kopf, schnaufte „Nur wenn er überlebt! Und es sieht wirklich nicht so aus.“
Er wendete sich zu den drei Typen „Ihr könnt gehen, danke.“ die drei verliessen den Raum, nicht aber ohne Simone zuzuzwinkern. Simone zeigte ihnen den Vogel, William amüsierte sich kurz darüber, sah dann wieder ernst Dr. Kitel an.
Neben Kitel der erschrockene Phil „Was soll ich tun? Der ist tot?“ „Nein, er hat Recht. Solange die Augen nicht ganz weiss sind, ist er nicht tot. Sie werden immer erst dunkelgrün und bleichen langsam aus. Erst wenn sie rein weiss sind, ist es zu spät. Aber“ er schüttelte den Kopf, nahm den Infusionssack von der Brust des Körpers vor ihnen „ich weiss nicht. Das sind Schusswunden!“ „Kiteli, ich bin noch nicht beeindruckt. Sieht ein Blinder, dass das Schusswunden sind.“ warf William schnippisch ein, Kitel glühte ihn an „Ich hatte dich für klüger gehalten! Sechs Einschüsse sind mindestens vier zuviel. Und dann diese drei Stichwunden! Kann nur ein Vollidiot gewesen sein so viele Male auf jemanden zu schiessen und einzustechen, den wir lebend benötigen. Und jetzt hilfst du entweder ihn zu verarzten oder verschwindest hier und betest, dass er überlebt. Sonst ist alles umsonst und ihr könnt eure Pläne vergessen.“
Während Phil und seine beiden Kollegen anfingen die Kleidung zu entfernen, die Wunden zu reinigen und das Operationsbesteck bereitlegten, standen sich Dr. Kitel und William gegenüber. William verschränkte die Arme. „Bitte, lasst Euch nicht aufhalten.“ er trat demonstrativ einen Schritt vom Tisch zurück. Sol trat neben ihn „Wir gehen. Wir müssen die anderen toten Teamkameraden nach Hause bringen. Hier können wir nichts mehr tun.“ „Du hast mir nichts zu befehlen, ich dachte, wir hätten das geklärt?“ sagte William. Sol sah ihn ernst an „Solange wir uns nicht zurückmelden, gehörst du offiziell noch in mein Team, bist mir unterstellt und tust was ich sage. Wir gehen!“ zu Kitel ein kurzes Nicken, Kitel nickte zurück, deutlich darüber erleichtert, dass sich Sol eingeschaltet hatte. Ohne weitere Worte, aber mit eindeutig missmutigem Gesicht, wendete sich William und machte sich ebenfalls auf zu gehen. Blickte dabei erst zu Jeff und dann zu Greg in die Zelle.
„Was ist eigentlich mit denen? Ich werde neue Leute benötigen.“ „Finger weg, das sind Probanden!“ sagte Kitel vehement. William zuckte mit den Schultern „Na und? Sollte das Serum funktionieren...“ „Vergiss es! Die beiden werden sich dir nicht anschliessen.“ „He!“ klopfte nun Greg heftig gegen die Scheibe „Ich bin dabei, wenn ich nur hier rauskomme.“ er strahlte übers ganze Gesicht „Greg! Sei still! Bist du verrückt!“ rief ihm Jeff zu. William verfolgte erstaunt das Gespräch. „Das ist es, was ich immer wollte, Jeff! Und wenn ich nun endlich die Chance dazu erhalte, werde ich sie wahrnehmen.“ erklärte sich Greg. Der ehemals zu dicke, unförmige Greg, der immer schon ein ‚Supersoldat’ hatte sein wollen. Sah jetzt seine Chance, sich diesen Traum endlich zu erfüllen. Koste es, was es wolle. Jeff schüttelte verständnislos den Kopf und wendete sich von der Scheibe ab, setzte sich auf seine Britsche.
William blickte nun wieder fröhlich in Gregs aufgeregte Augen, zwinkerte ihm zu. Würde das Serum funktionieren, würde er sich die Mitarbeit dieses eifrigen Soldaten sichern, warum nicht. Er folgte Sol zum Ausgang, gefolgt von den begeisterten Blicken Gregs hinter der Scheibe.
„Isara“ forderte William, die immer noch neben dem Ausgang stehende Teamkollegin, auf mitzukommen. Isara schüttelte den Kopf „Nein, ich bleib hier.“ „He, Markus!“ rief William seinem ‚Noch-Captain’ zu „Wieso muss ich mit, aber sie kann bleiben?!“ „Weil sie nicht mir, sondern Dr. Kitel unterstellt ist. Dek hatte sie nur ‚ausgeliehen’. Weißt du verdammt genau und jetzt komm endlich!“ William lächelte Isara an. Inständig hoffte sie, dass sie dieses kalte Lächeln zum letzten Mal zu sehen bekam. Sie hielt sich den Bauch und schauderte beim Gedanken daran, dass er ihn ihr verarztet hatte. Er zwinkerte „Na dann“ sagte er „Pass auf dich auf. Ich denke, wir werden uns wiedersehen.“ „Das hoffe ich nicht.“ antwortete sie und wendete ihren Blick demonstrativ ab, sah an ihm vorbei zu Phil. Überrascht bemerkte William diesen Blick, der mehr war, als ein einfacher Blick zur Seite. Er drehte sich, sah wem Isaras Sehnsucht in den Augen galt. „Oh, alles klar.“ wieder zu Isara „Jetzt verstehe ich dein Problem. Sowas“ William schüttelte lächelnd den Kopf und verliess den Raum. Und ein grosser Teil der Anspannung in der Luft ging mit ihm. Ein Glück.
Phil stand verzweifelnd vor den Überwachungsmonitoren. Keiner der Monitore zeigte auch nur irgendeine Bewegung, als ob die Geräte gar nicht eingeschaltet wären. Phils weisser Kittel sah wie ein Metzgerkittel aus, voller Flecken aus grün-rot marmoriertem Blut. „Tot. Dr. Kitel, da ist nichts zu machen. Er ist tot.“ „Sind die Kugeln entfernt?“ wollte Kitel wissen, Phil nickte „Ja. Die Wunden müssen noch genäht werden, aber alles blutet dermassen, dass es schwierig ist zu arbeiten.“ „Da hast du’s.“ „Was?“ „Solange es blutet, muss das Herz noch arbeiten.“ Phil stutzte, sah zum Behandlungstisch „Richtig. Aber was sollen wir tun? Die Geräte? Ich begreif’s nicht.“ Kitel schwieg, dachte nach und betrachtete ihren Patienten.
Nach einem Moment hob er den Blick, beobachtete einen Moment lang Jeff, der immer noch auf seiner Britsche sass. „Geh und bitte ihn nochmals um Hilfe“ Phil lächelte verlegen „Ich denke nicht, dass er uns helfen wird. Sie reisen morgen ab. Er wird seine Meinung nicht ändern.“ „Dann bring ihn her. Die Situation liegt etwas anders als bisher. Fragen kostet nichts. Und jetzt geh! Die Zeit läuft uns davon. Hör auf mit mir zu diskutieren!“
Phil tat wie ihm gesagt wurde, verliess den Raum, nicht aber ohne vorher im Gehen kurz Isaras Hand zu greifen „Alles in Ordnung?“ flüsterte er, sie nickte, lächelte, es tat gut, wieder einen vertrauten geliebten Menschen um sich zu spüren.
Das Zimmer hatte zwar keine Fenster. Doch mit seinen gut 20m2 war es angenehm gross. Die Einrichtung wie in einem Hotelzimmer: Tisch, Stuhl, Bett mit Nachttisch, ein bequemer Sessel, kleines Bücherregal mit Büchern, separate Dusche mit Toilette und sogar eine Art Minibar. Gemütlich und sehr wohnlich. Nicht so wie seine sonstige Zelle.
Vor der verschlossenen Tür wachten zwei grossgewachsene, starke Männer in fremder Uniform. Plauderten in der Regel in gedämpften Tonfall miteinander. Keine Terra Sonnensystem Soldaten, keine Wachen, die zu dieser Einrichtung gehörten. Die beiden standen meistens, manchmal sassen sie, manchmal war nur einer da, damit sich der andere ausruhen konnte. Aber einer der beiden war immer dort, niemand sonst. Und im Gegensatz zu den in schwarz gekleideten Soldaten der Einrichtung, waren sie immer höflich, freundlich und wussten sich zu benehmen, hatten richtigen Anstand, waren sympathisch.
„Ah, Phil. Was gibt’s?“ begrüsste einer der beiden den jungen Doktor. „Es soll sich was ansehen, hat Kitel gemeint. Würdet ihr ihn zum grossen Arbeitsraum bringen? Bitte.“ „Könnten wir. Was soll’s bringen? Der ändert seine Meinung nicht, glaub mir. Aber du kannst ihn fragen. Ohne seine Zustimmung hat es ohnehin keinen Sinn.“ nach einem kurzen Kontrollblick auf den kleinen Monitor öffnete der Wächter die Tür. „Ist gut, du kannst rein. Bitte.“
Auf dem bequemen Sessel sass mit verschränkten Beinen und einem Buch in der Hand ein schlanker Mann, mittleren Alters. Kurzes, dunkles Haar, einen sehr gepflegten Van Dyke Bart und eine Lesebrille auf der Nase. Über die Brille hinweg blickte er zu Phil, der unter dem Türrahmen stehen geblieben war. Er musterte Phils Kittel. Kniff deutlich die Augen zusammen, als er die Flecken erkannte. Bewegte sich aber ansonsten nicht.
Gleichzeitig betrachtete Phil den Gast. Wieder einmal. Er war immer noch so fasziniert von diesem Menschen, wie am ersten Tag, als er herkam. Es sah so widersprüchlich und unrealistisch aus. Dieser Mann, der ein intelligenter Mediziner war, trug so eine Art kurzärmeliges Pyjama, sandfarben, dazu passende Socken und Turnschuhe, die er allerdings gerade nicht trug. Er sass mit Vorliebe nur in den Socken da. Neben dem Pyjama wirkten die Hand- und Fussfesseln aus Metall irgendwie überflüssig. Das passende Halsband dazu noch blöder. Unwirklich.
„Phil“ sprach der Mann freundlich als erster, nachdem er Phil einen Moment Zeit gelassen hatte, sein Zögern zu überwinden, was offensichtlich nicht geschah. „Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“ fragte der Mann.
Phil nahm einen grossen Atemzug. Er hielt die Anfrage ja für überflüssig, denn sie hatten in den letzten Tagen mehrmals vergeblich versucht, ihren Gast, den Kitel extra hatte herbringen lassen, zur Mitarbeit zu überreden. Deutlich hatte ihr Gast seine Abneigung geäussert. Immer wieder. ‚Dafür sei er nicht Arzt geworden. Unter keinen Umständen.’ usw. hatte er immer wieder betont, konsequent seine Mitarbeit verweigert.
Aber eben, Kitel hat’s befohlen. „Du sollst dir etwas ansehen. Mich bitte begleiten.“ „Phil“ antwortete der Mann „Was soll das? Ihr kennt meine Meinung.“ Draussen auf dem Gang grinsten die beiden Wachen. Ein wenig Schadenfreude über die vorausgesagte Antwort.
Phil hob die Arme „Ralph, ich weiss. Tu mir einfach den Gefallen und komm mit. Bitte. Mehr musst du nicht tun. Einverstanden? Oder hast du was anderes vor?“ Ralph sah seinen jungen Besucher einen Moment lang an. Dann lächelte er, schüttelte den Kopf, legte das Buch zur Seite und stand auf. „Weil du’s bist und ich gerade wirklich nichts Anderes zu tun habe.“ willigte Ralph ironisch ein. Zog sich die Turnschuhe an und trat zur Tür. Phil machte Platz, ging zur Seite. Vor der Tür, beide Wachen. Zwei riesen Klötze, fand Phil einmal mehr.
Einer davon stellte sich direkt vor die Tür und wartete darauf, dass sich Ralph umdrehte. Was Ralph auch tat, streckte ihm bereitwillig die Hände hin.
Die Hand- und Fussfesseln, auch das Halsband, gehörten zur Standardausstattung des privat geführten Hochsicherheitsgefängnisses ‚Sonne’ auf der Erde, von wo Ralph Auersson ‚ausgeliehen’ worden war.
In die Fesseln integriert waren ausziehbare Verbindungsseile aus einer reissfesten flexiblen Metalllegierung. So brauchte man nur das Seil aus der einen Fessel herauszuziehen und in der anderen einzuklinken, schon war der Gefangene mit zwei Seilen gefesselt. Passend dazu gab es einen Gurt, den die eine Wache Ralph umlegte und von dort zwei weitere Seile herauszog: eines zu den Handfesseln, eines zu den Füssen. Fertig. Alles nur bedienbar per Fingerabdruck der Wachen.
Die Wache packte Ralph am rechten Oberarm. Ralph zog den Arm weg „Janus, lass! Ich geh selbst!“ Gefesselt zu sein war alleine schon Scheisse. Dann auch noch gehalten zu werden wie ein Behinderter, konnte Ralph nicht ausstehen und wehrte sich jedes Mal. Und wie jedes Mal, packte ihn ziemlich gleichzeitig der zweite Wärter am linken Oberarm. „Bleib ruhig! Mensch Ralph, muss das immer sein?“ „Ah! Leck mich!“
Auf dem Weg zum Arbeitsraum passierten Sie mehrere Gänge, mussten noch eine Etage weiter nach unten. Dabei trafen sie auf den wartenden William. Sol liess sich im kleinen Behandlungsraum seine Kopfverletzung verarzten. Lässig mit verschränkten Armen lehnte sich William gegen die Wand. Wartete. Öffnete erst die Augen, als die Gruppe schon fast an ihm vorbei war und erschreckte.
„Ralph!“ rief er aus in einer Mischung aus Freude, Schock und Überraschung. Die Gruppe blieb stehen, nicht zuletzt, weil Ralph stehen blieb. „Xao?“ er schaute den wartenden Mann mit dem Schnitt im Gesicht an. Beide starrten einen Moment ihr Gegenüber an.
William begutachtete Ralph und sprach als Erster „Hat dich dein Sturkopf schlussendlich doch die Freiheit gekostet? Ich hatte schon Gerüchte gehört, aber mich noch nicht informiert.“ „Witzig und so scharfsinnig beobachtet.“ „Nein, ernsthaft. Wie geht dir? Was tust du hier?“ „Es geht mir gut und ich hab keine Ahnung. Etwas von verlorenen Unterlagen, sagten sie. Ich solle helfen, den Verlust auszugleichen. Was interessiert es dich?“ „Hmmm... ich verstehe“ „Und was tust du hier? Was hast du hier zu tun? Jedesmal wenn ich die sehe, geschehen schreckliche Dinge. Du hättest wirklich beim Arzt bleiben sollen.“ William lachte „Das denke ich nicht. Du siehst ja, wohin es mich geführt hätte. Mensch Ralph, hab ich dich vermisst. Wirst du hierbleiben?“ ungeduldig mischte sich Phil ein „Nein, er wird morgen wieder nach ‚Sonne’ überstellt und jetzt müssen wir weiter. Herr.. äh, ich weiss gar nicht wie Sie heissen.“ William sah Phil an „Cullen, mein Junge, William Cullen.“ zu Ralph „Also dann, ‚Sonne’? Hmm... gut gewählt. Pass auf dich auf, Ralph. Wir sehen uns!“ „Witzig, witzig. Du mich auch.“ und damit ging der kleine Trupp weiter, vorbei am lächelnden William, der ihnen erfreut hinterherschaute.
Phil hatte sich vorgenommen, sich nicht weiter Gedanken zu diesem merkwürdigen Treffen zu machen. Wieso hatte Ralph ‚Xao’ gesagt, wenn er William heisst? Woher kennen die sich? Ahhh! er hatte andere Sorgen.
Natürlich waren Ralph die hässlichen Blutflecken auf Phils Kittel aufgefallen. Und selbstverständlich erwartete er irgendeine ‚ungewöhnliche’ unappetitliche Situation zu Gesicht zu bekommen, denn solche Flecken kommen nicht von der Arbeit im Labor. Nein, diese Flecken glichen mehr den Flecken auf Arztkitteln in einem Lazarett. Wenn das einer wissen musste, dann er, denn bevor man ihn wegen mehrfacher vorsätzlicher Befehlsverweigerung und fahrlässiger Tötung lebenslänglich weggesperrt hatte, hatte er unter anderem als Arzt für das Terra Sonnensystem in den Lazaretten auf Aquawald gedient. Er war einer der Wenigen, wenn nicht der Einzige gewesen, der erfolgreich Wakaner hatte behandeln können. Keiner wusste mehr über diese nicht-menschliche Lebensform. Und er hatte schon viele üble Situationen miterlebt.
Aber was er jetzt zu Gesicht bekam, überraschte ihn nun doch. Wirkte sehr sureal und unwirklich. Der Behandlungstisch war voller Blut. Die beiden Kollegen in ehemals weissen Kitteln von Phil bemühten sich, die Blutungen zu stoppen, reinigten immer wieder die Wunden, Kitel versuchte zu nähen. Es hörte nicht auf zu bluten. Die sich selbst auflösenden Fäden lösten sich sehr schnell immer wieder auf, das Blut zu aggressiv.
Der nackte leblose Körper eines grossen kräftigen wakanischen Mannes lag bereits mit Blasen- und Anuskatheter versehen auf seinem Bauch auf dem Arbeitstisch inmitten des grossen Arbeitsraumes. Am Hals eine Infusion, sowie am linken Arm und Handgelenk. Über den Verweilkatheter am Arm lief eine Wasserinfusion. Auf den Überwachsungsgeräten keine Bewegungen. Ein schreckliches makaberes Bild, das mehr einer Metzgerei glich denn einem Behandlungszimmer. Ralph konnte auf Anhieb nicht genau erkennen wieviele Verletzungen der Mann hatte, war zu viel Blut, aber es waren viele. „Lebt er etwa noch?! Wer ist das?“ fragte er schockiert den neben ihm stehenden Phil. „Was ist das?!“
„Da seid ihr ja endlich!“ stänkerte Kitel. „Wir könnten etwas Hilfe gebrauchen. Vier Schüsse in den Rücken, einer ins Bein, einer in die linke Schulter. Eine Schnittwunde am linken Oberarm, eine Stichwunde in den Unterlaib und eine in den linken Oberschenkel, beide von vorne. Augengrün auf ‚2’ schätze ich. Keine Vitalzeichen, wie du siehst. Was können wir tun? Wir müssen die Blutung stoppen. Ich bin ehrlich gesagt etwas ratlos. So stark blutende Wunden hatte ich noch nie. Ist merkwürdig. Die Nähte lösen sich durch das viele Blut ständig wieder auf. Ich versuch anderes Nähmaterial.“
Ralphs Herz fing heftig an zu pochen. Schockiert stand er da, gehalten von seinen beiden Wachen. ‚Verdammt!’ dachte er ‚Das war seine Schwäche. Er konnte nicht zusehen, wie jemand, egal wer, vor seinen Augen stirbt, ohne versuchen zu helfen. Seine Achillesferse, sozusagen. Er würde denen bei diesem kranken Serums-Scheiss nie helfen, das hatte er gesagt, sich so vorgenommen und so gehandhabt! Möglicherweise würde er diesem Wakaner einen Gefallen tun, wenn er sich nicht einmischte. Aber er konnte schlecht fragen, also musste er selbst entscheiden. Und viel Zeit blieb nicht. Augengrün auf ‚2’ hiess eigentlich schon so gut wie tot. Und dieser enorme Blutverlust. Wie lange das wohl schon so war? Das musste er als erstes herausfinden. Konnte eigentlich noch nicht sehr lange her sein. Maximal ein paar Stunden, sonst wäre auch ein Wakaner schon tot. Woher der bloss auf einmal herkam? Waren doch schon lange alle Wakaner verschwunden.
„Janus, mach mich los!“ forderte er schliesslich energisch seinen Wärter auf, der immer noch seinen rechten Arm festhielt. Kopfschütteln „Du spinnst wohl.“ er fasste den Arm zur Unterstützung seiner Worte etwas fester. Entrüstet schnaubte Ralph. „Wieso? Was sollen wir tun?“ fragte Phil nach. Ralph sah Phil wieder über den Brillenrand hinweg an.
„Die Kugeln sind weg? Die Stichwunde am Oberschenkel ist vorne?“ Phil nickte, auch alle anderen am Tisch. Blickten erwartungvoll und gespannt ihren gefesselten Gast an „Dreht ihn um und leg deine Hand darauf. Er hat zwölf Kiemen, vielleicht überlebt er es sogar. Hab ich auch noch nie gesehen.“ „Wieso soll ich meine Hand darauflegen? Etwa um die Blutung zu stillen? Wozu soll das gut sein?“ „Wozu fragt ihr mich, wenn ihr mir nicht glaubt?“ konterte Ralph.
Ungläubig drehten die vier am Tisch den schweren Körper auf den Rücken. Zögernd legte Phil seine Hand auf die Stichwunde am Oberschenkel. „Du musst deinen Handschuh schon ausziehen, sonst spürst du es nicht.“ wies Ralph weiter an. Phil verzog sein Gesicht, blickte erst zu Dr. Kitel, der ihn ebenso fragend ansah, dann blickten beide zu Ralph. „Na los! Mach schon.“ befahl er.
In Zeitlupe zog sich Phil den blutverschmierten Handschuh aus, machte sich zögerlich daran, die Hand auf die Wunde zu legen. „Das ist nicht steril. Was soll das? Das ist eklig.“ vorsichtig legte er die Hand drauf. Neugierig wollte Ralph wissen „Und? Ist die Wunde wärmer oder kälter als das umliegende Gewebe? Spürst du den Puls?“ „Hä?“ gab Phil zum Besten „Ich spüre Blut. Es ist klebrig und warm. Ein wenig. Kein Unterschied zum Rest. Und Puls? Da ist keiner, sieh doch auf die Anzeige.“
Immer nervöser wandte sich Ralph nochmals an Janus „Mach mich los! Bitte.“ Janus schüttelte den Kopf „Sorry. Unser Fokus liegt nicht auf dem da, sondern auf dir. Und du“ „Ja, ja, ich weiss schon selbst, was ich getan habe. Von mir aus verspreche ich es dir, JETZT und HIER, nichts anzustellen. Mein Wort.“ Janus sah seinen Kollegen an. Beide wussten, dass Ralph eigentlich ehrlich war, wenn er es also versprach? Sein Kollege zuckte mit den Achseln. ‚Ihm egal.’ „Ich mach dir den rechten Arm los. Das muss reichen. Verstanden. Mehr is nicht.“
Ralph trippelte los, so schnell es die Fussfesseln eben erlaubten, mit den beiden Wachen an den Armen. Am Tisch drückte Janus seinen Daumen auf das Schloss der rechten Handfessel und löste die Seile. Ohne zu Zögern drückte Ralph seine rechte Hand auf die Wunde. Augengrün auf 2! er musste sich beeilen, in der Regel gab’s kein ‚1’, jede Sekunde konnte die letzte sein.
Er schloss seine Augen. Legte seinen Kopf zur Seite. Dann fuhr er mit dem Zeigefinger in die Wunde hinein, soweit er konnte. Alle um ihn herum starrten ihn schweigend an, hielten die Luft an. ‚Ein Verrückter?’ 'Iiiiihhh' ‚Was sollte das? Was tat der bloss?! Der nahm sie hoch, spielte doch was vor!’ Phil wusch sich derweil seine Hände, desinfizierte sie und zog sich neue Latexhandschuhe über. Ein fragender Blick zu Dr. Kitel, der aufmerksam beobachtete, was Ralph tat.
Tatsächlich, ein letzter Hauch Leben war zu spüren. Ein zarter Herzschlag, einer auf vielleicht 10 Minuten. Und die Wunde war definitiv kälter als das umliegende Gewebe. Eine feine, aber spürbare Temperaturdifferenz, die Aufschluss darüber gab, wie weit der Verlust seiner Lebensenergie bereits vorangeschritten war. Denn, im Gegensatz zu allen anderen Anwesenden, wusste Ralph um die Energiepunkte eines Wakaners. Wurde so eine Stelle getroffen, floss durch die Wunde Lebensenergie aus. Das war nicht zu sehen, aber spürbar. Ganz frische Wunden wurden daher erst sehr heiss. Wurde das Gewebe kälter, näherte sich der Prozess dem Ende. Im Inneren konnte Ralph noch einen Rest der ursprünglichen Hitze spüren. Nicht mehr viel und dieser Wakaner würde endgültig tot sein, war es aber definitiv noch nicht, ein Funke Hoffnung, ein letzter Krümmel vorhandener Energie. Nicht messbar mit Geräten.
Ralph nahm seine Hand weg. Sah Dr. Kitel böse an. „Wie alt ist diese Wunde?“ „Schätzungsweise 4 Tage“ „4 Tage?!“ Ralph war überrascht. Sowas überlebte kein Wakaner 4 Tage lang. Wer war der Kerl?! Er hatte schon viele Wakaner gesehen und behandelt. Aber noch nie einen mit 6 Kiemenpaaren und solcher Stärke. Vielleicht überlebt er tatsächlich. Nur, wie war sowas möglich? Was wurde hier gespielt? Ein mit Serum gedoppter Wakaner? Ein kranker Versuch mit Genmanipulation? War das hier eine Art Laborversuch?
Fragen über Fragen, Ralph musste sich sammeln.
„Also gut“ fing Ralph an. Alle hingen an seinen Lippen „Ihr müsst die Wunde, auch alle anderen, mit reinem Steintränensand füllen.“ „Blödsinn! Das verbrennt die Haut. Und ist teuer.“ bemerkte Kitel kopfschüttelnd „Wollen wir hier ernsthaft über Kosten diskutieren? Ah! Tut was ihr wollt.“ Ralph verdrehte die Augen, fuhr fort „Der Sand wird das Blut aufsaugen und die Blutung stoppen. Und NUR der Sand kann das jetzt noch. Nähfäden lösen sich auf oder werden zerfressen, egal was ihr nehmt. Ist die Blutung einigermassen gestoppt, hilft der Sand die Wunden zu heilen. Glaubt mir, einem Wakaner verbrennt es NICHT die Haut. Dann erst könnt ihr nähen, wenn's überhaupt noch nötig ist. Heilt die Wunde am Bein, heilen die anderen auch, so wie man es von einem Wakaner gewohnt ist. Und weil die Wunden schon so alt sind, wird es wohl nötig sein, ihn in einem Wassertank regenerieren zu lassen. Seine Atmung wird sich automatisch anpassen, denke ich, hoffe ich. Anders werdet ihr diesen enormen Blutverlust nicht auffangen können. 4 Tage!“ er streckte Janus seine blutige rechte Hand hin „Und bitte einmal waschen oder mir meine andere Hand zur Verfügung stellen, damit ich es selbst tun kann.“
Während sich Janus entschloss, Ralph lieber selbst die Hände waschen zu lassen, wies Dr. Kitel Phil an Steintränensand aus dem Lager zu holen und seine beiden Kollegen einen Tank bereit zu stellen.
Am Waschtrog neben Simone und Isara reinigte sich Ralph seine Hand. Wakanerblut war extrem klebrig. Mit gewöhnlicher Seife nicht wirklich zu entfernen. Der medizinische Alkohol half da mehr.
„Verrätst du uns, was es mit diesem Handauflegen in sich hat? Und warum gerade die Stichwunde am Oberschenkel? Dein Finger hätte auch in eine Schusswunde gepasst?“ wollte Kitel wissen, er war neugierig. Schliesslich hatte er Ralph Auersson aus genau diesem Grund hierherbringen lassen. Sein Wissen über Wakaner war in der ganzen Armee bekannt.
Ohne sich umzudrehen antwortete Ralph „Ich habe schon ein Versprechen gebrochen und zuviel gesagt. Und das nur dieser armen Seele wegen, wo ich nicht einmal sicher bin, ob es überhaupt richtig war. Vielleicht hätte ich ihn einfach sterben lassen sollen. ‚Es kommt immer alles so, wie es kommen soll. Hab Vertrauen.’ sagte mir mal jemand. Wer weiss.“ Ralph nahm ein Handtuch, trocknete sich seine Hände ab, drehte sich um, sah Kitel an „Wer ist er überhaupt?“ Kitel lächelte schadenfroh „Wenn ich es dir sage, beantwortest du dann dafür meine Frage?“
„Touché“ auch Ralph lächelte, nickte Isara und Simone zu, ging zurück zu Janus. Also er machte einen Schritt, denn Janus war nicht von seiner Seite gewichen, stand schon bereit. Ralph drehte sich um und liess sich die Hände hinter dem Rücken wieder fesseln. Fertig damit, griff der Wächter in Ralphs Hosentasche. Simone und Isara beobachteten das mit Befremden ‚Was sollte das?’. Ralph sah die beiden Frauen an, lächelte mit geschlossenem Mund „Das da gehört nicht dir.“ sagte Janus und zog unter den nun staunenden Augen derselben eine kleine Verbandsschere aus Ralphs Hosentasche heraus, legte die Schere zurück auf den Rand des Waschbeckens. „Ein Versuch war’s wert.“ kommentierte Ralph. „Ja, ja. Nicht JETZT und HIER sagtest du. Aber später ganz sicher. Ich hatte schon verstanden.“ sagte Janus ironisch und zusammen mit seinem Kollegen führte er Ralph wieder weg. Diesmal wehrte sich Ralph nicht, als ihn die beiden an den Armen packten. Das hätte Janus in der Situation unnötig wütend gemacht, nach der Sache mit der Schere. Ralph kannte die Grenzen seiner Aufpasser ganz genau.
„Moment!“ rief Kitel, die drei standen im Türrahmen. Janus drehte sich um, Ralph blickte in den Gang „Ihr könnt die Temperatur der Schnittwunde am Bein überwachen. Sie sollte von jetzt an nicht mehr sinken, sondern langsam wieder steigen. Irgendwann, so ab 33° Celsius, werden seine Vitalfunktionen wieder messbar und angezeigt. Aber fragt mich nicht wie lange es dauern wird. Es ist schon ein Ding der Unmöglichkeit, dass er überhaupt überlebt.“ damit verliess Ralph dieses Schlachtfeld.
Gesagt, getan. Wenig später starrten die vier Kittelträger in ein grosses Aquarium. Nur das darin keine Fische, sondern ein lebloser Körper eines Wakaners lag. Es sah ungewohnt aus, denn der Körper eines Wakaners schwimmt nicht, er lag einfach so da, als ob kein Wasser vorhanden wäre.
Die Steintränen hatten tatsächlich die Blutungen zum Stillstand gebracht. Zusammen mit dem Blut eine Art Gelee gebildet. Zur Sicherheit hatten sie einen Sauerstoffschlauch durch die Nase eingeführt, aber die Kiemen hatten wie erhofft angefangen zu arbeiten, sobald der Kopf unter Wasser getaucht worden war. Man hatte sehen können, dass sie sich im Wasser leicht öffneten und ein ruckartiger Atemzug mit gleichzeitigem Luftausstos aus der Lunge gaben die endgültige Sicherheit, dass der Wakaner tatsächlich noch lebte. Die Anzeigen blieben jedoch weiterhin tot. Die Körpertemperatur wurde mit 24° Celsius angegeben. Phil fror es bei der Vorstellung, so kalt zu haben.
Dunkelgrüne Latexfesseln um Hals, Lende, Hand- und Fussgelenken hielten den Körper in seiner Position fixiert und bedeckten wenigstens den Intimbereich, gaben dem Mann ein Minimum an Würde zurück, dachte Phil.
So staunend beobachteten die Forscher den leblosen Körper. Nun hiess es ‚Warten’.
Dr. Kitel kontrollierte die Infusionszugänge, die beiden Katheter und die Anzeigen. Alles in Ordnung. Die Wasserzirkulation, Sauerstoffzufuhr lief. Wirkte stabil.
„Also dann“ sagte er „Phil stellt den Plan für die Überwachung auf. Ich will, dass er rund um die Uhr unter Beobachtung steht. Sollte sich irgendetwas zum Schlechteren verändern, müssen wir schnellst möglichst reagieren können. Andererseits wissen wir nicht, wie er reagiert, sollte er aufwachen." alle nickten. Einer der beiden anderen fügte an "Ich hoffe, es gibt keine verzögerte Sepsis. Die Kugeln waren so lange im Körper." allgemeines Nicken.
"Was ist mit Ralph?" wollte Phil wissen "Was soll mit ihm sein?" stellte Dr. Kitel die Gegenfrage. "Vielleicht wäre es sinnvoll, ihn doch nicht morgen schon abreisen zu lassen." "Natürlich. Ich werde den Transport fürs Erste absagen. Möglicherweise wird er uns nochmals nützlich sein. Sonst noch was?"
"Ähem, ich hätte eine Bitte" alle drehten sich zu Isara um, die immer noch mit Simone zusammen beim Waschtrog neben der Tür stand. "Euch hätte ich beinahe vergessen" sagte Kitel überrascht und beschämt "Ihr solltet euch untersuchen lassen." "Nein danke, beim mir ist alles in Ordnung. Ich werde nachher auch gleich zurück ins Büro reisen." winkte Simone ab. Isara schüttelte ebenfalls den Kopf "Nein, nein. Das hat William gut verarztet. Jetzt kann ich selbst danach sehen. Ist kaum mehr der Rede wert. Nein, nein. Wirklich.“ Isara schnaufte, streichte sich mit links über den verbundenen Bauch „Ich bitte darum, mit diesem Mann, Ralph?, sprechen zu dürfen. Alleine?"
Erstaunt blickten sowohl Phil als auch Dr. Kitel zu Isara, die sich nun dem Wassertank näherte. Sie starrte hinein, empfand Mitleid mit dem Wakaner darin.
"Wozu?" wollte Kitel wissen. "Vielleicht spricht er mit mir. Ich habe vorhin mitbekommen, dass er euch Informationen vorenthält." argumentierte Isara. Sie hatte sich dieses Argument die ganze Zeit über schön zu Recht gelegt. Aber eigentlich war es ihr egal, ob er Kitel half oder nicht. Sie hatte ganz andere Fragen, die er ihr vielleicht beantworten konnte.
Kitel hob die Schultern "Von mir aus. Versuch dein Glück. Wer weiss, vielleicht kannst du ihn tatsächlich überreden. Darin hast du Talent. Richtig." er sah zu Phil "Du begleitest sie. Janus würde sie alleine nicht zu ihm lassen, er kennt sie noch nicht." Phil nickte, Isara lächelte, senkte verlegen den Blick. Hoffte, man würde ihr ihre Lüge nicht ansehen. „Danke“
Janus lag ausgestreckt auf einem Zweiersofa. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er grinste, als er Phils fragenden Blick sah. Dann stand er auf. "Dort in diesem Zimmer gefunden. Ich hoffe ihr braucht das Sofa gerade nicht." Phil schüttelte den Kopf "Nein, das sind leere Gästezimmer, das wird wohl keiner vermissen. Bist du alleine?" "Ja. Wie du siehst. Petrak schläft. He" er hob die Arme „es ist 4 Uhr morgens. Irgendwann müssen auch wir schlafen.“ „Schon gut. So meinte ich das nicht.“ Phil schob mit dem rechten Zeigefinger seine Brille zurecht.
„Du weißt, ihr könntet mit zusätzlichen Wachen von uns arbeiten.“ Janus schüttelte den Kopf „Wie viele Male willst du noch hören ‚Nein Danke, eure Leute haben das gewisse Feingefühl nicht. Es geht schon.’ Wirklich. Danke.“ Phil hob abwehrend die Hände „Du hast recht. War das letzte Mal. Tut mir leid.“ „Ja. Stell mir lieber deine hübsche Begleitung vor. Ich hatte die beiden netten Damen am Waschtrog vorhin schon bemerkt.“ Janus lächelte Isara an.
Janus sah müde aus. Er wird sich gleich nach seinem Kollegen schlafen legen, dachte sie. Begutachtete den blonden Riesen mit der sandfarbenen Uniform. Sein Gesicht war sonnengebrannt. Der Name des Gefängnisses ‚Sonne’ hatte offenbar seinen guten Grund. Die Haare kurz und gepflegt. Kein Bart, aber die Rasur war schon ein paar Stunden her. Grosse Hände, fand Isara. Und eigentlich wirkte er ganz nett. Nicht so wie die Gefängniswärter, die sie sonst so angetroffen hatte.
„Isara Peters, Ärztin.“ sagte Phil und zeigte auf Isara, dann auf Janus „Janus Janosson, Ralphs Aufpasser, Wachmeister von ‚Sonne’.“ „Freut mich“ Janus streckte Isara seine Hand hin, sie schüttelten die Hände. Ganz warm war sie, diese grosse Hand. „Guten Tag Herr Janosson, freut mich auch.“ sagte Isara höflich mit einem Lächeln im Gesicht. „Isara gehört zum Team, sie hat den Wakaner hierher begleitet.“ ergänzte Phil „Aaahhhh. Ich verstehe.“ Janus nickte.
„Und wie kann ich euch behilflich sein?“ „Isara möchte Ralph sprechen.“ ein fragender Blick des Wachmanns „Hein? Ist denn was passiert?“ „Nein, nein. Ich habe nur ein paar Fragen, die er mir vielleicht beantworten kann.“ antwortete Isara. Janus lachte „Hoffnungslos! Ich meine...“ Janus beruhigte sich schon wieder „Ich meine, seit Tagen versucht ihr ihn dazu zu bewegen euch zu helfen. Der Trick heute Nacht war clever. Geb ich zu. Da habt ihr ihn wohl auf dem falschen Fuss erwischt, oder besser dem ‚richtigen’.“ er schüttelte den Kopf „Aber reden wird er trotzdem nicht.“ „Ja, ja. Ich weiss. Kann sie bitte trotzdem rein oder nicht?“ insistierte Phil.
Und Janus aktivierte kurz das kleine Bildschirmchen an der Wand. „Klar. Er ist offenbar im Bad und noch wach.“ er grinste Isara an, zwinkerte mit dem rechten Auge „Und wenn er tief schlafen würde, würde ich ihn höchst persönlich für dich aufwecken. Diesen Spitzbuben.“ er drückte den Türöffner, die Tür gleitete still zur Seite, gab den Weg frei.
Phil ging vor, Isara gleich hinter ihm und Janus stellte sich mit verschränkten Armen in die Tür. Da kam keiner mehr durch, so gross und breit war Janus.
Im Gegensatz zum kalten Licht im Rest der Anlage, hüllte warmes indirektes Licht, das Zimmer in eine wohlige Atmosphäre. Wie angenehm, fand Isara.
Ein Paar Turnschuhe stand sorgfältig platziert vor dem Bett, dass sich an der Rückwand des Zimmers befand. Links an der Wand stand ein kleiner Tisch, worauf ein Buch lag mit dem Titel „Mythen & Legenden der Wasserwesen von Aquawald“. Ein Stuhl über dessen Lehne ein sandfarbenes Pyjamaoberteil hing. Gegenüber ein bequemer Sessel, neben dem Bücherregal, das voll mit Büchern war. Die meisten schon ganz zerlesen.
Zwischen Bett und Tisch war die Tür zum separaten Bad. Der Wasserhahn lief, stellte ab und Ralph kam mit einem Handtuch in den Händen ins Zimmer. Blieb überrascht stehen, trocknete sich weiter die Hände und Arme ab. Er trug kein Oberteil, dass lag ja über der Stuhllehne. Nur das Halsband und die Handfesseln. Sogar die Brille lag auf dem Tisch, neben dem Buch, wie Isara sah, als sie etwas beschämt den Blick dorthin abwendete. Sie hatte auf die Schnelle sehen können, dass er zwar einen recht athletischen Oberkörper hatte, aber viele Narben. Es war ihm bestimmt nicht recht, dass sie ihn so zu Gesicht bekam, das spürte sie deutlich. Peinlich.
„Oh, bitte um Verzeihung“ entschuldigte sich Ralph tatsächlich verlegen, legte das Handtuch weg und griff sich sein Oberteil vom Stuhl. Dabei bemühte er sich so elegant wie möglich, seinem unerwarteten Besuch so wenig als möglich den Rücken zu zeigen. Das wollte er ganz offensichtlich vermeiden. Isara bemerkte auch das. Er zog sich das Oberteil über den Kopf. Wie dumm, er hatte überhaupt nicht aufgepasst, niemanden erwartet. Er nervte sich, ein wenig. Janus hätte ihn vorwarnen können!
Es fühlte sich zu nahe an. Zu intim, wie Isara fand. Unangemeldet in Ralphs Privatsphäre getrampelt waren sie, das war nicht anständig. Sie hätte vielleicht doch nicht herkommen sollen. Peinliche Situation, Isara griff schüchtern Phils Hand. „Was ist?“ flüsterte er „Willst du gehen?“ sie gab ihm ein Küsschen auf die Wange und liess die Hand wieder los „Nein, nein. Danke dir. Bin so froh, wieder bei dir zu sein.“ flüsterte sie zurück.
„Ich hatte so schnell keinen Besuch mehr erwartet. Tut mir Leid. Ist etwas passiert?“ fragte Ralph. Phil schüttelte den Kopf „Nein, nein. Ralph, darf ich dir Isara Peters vorstellen? Sie gehört zum Team und hat den Wakaner hierher begleitet. Sie wollte dich persönlich sprechen. Und das ist Ralph Auersson, ich hab dir auf dem Weg hierher ja alles erzählt.“ Isara nickte, lächelte, kam hinter Phil hervor auf Ralph zu, streckte ihm die Hand hin. Ralph wich überraschend hastig zurück, Janus senkte bereits die Arme und spannte sich an.
Ralph hielt beide Hände abwehrend vor seinen Oberkörper „Bitte, ich muss mich nochmals entschuldigen. Kein Kontakt, nicht zu nahe, sonst wird Janus eifersüchtig.“ er lächelte Janus an, dessen Gesicht alles andere als amüsiert über diesen ironischen Spruch war. Entspannte sich aber wieder.
Rote, heisse Wangen dekorierten darauf Isaras Gesicht. Das hatte sie nicht gewollt, peinlich. Sie hatte Ralph erneut in Verlegenheit gebracht.
„Ich lass euch dann alleine“ erklärte Phil, lächelte Isara an, flüsterte „Bist du sicher?“ sie erwiderte ein Lächeln, nickte, flüsterte zurück „Ja, ja. Danke, bis nachher.“ und etwas überrascht liess Janus den jungen Forscher im verschmutzten Kittel zum Zimmer hinausgehen.
„Sie standen neben der Tür beim Waschtrog. Zusammen mit einer weiteren Frau. Vorhin“ begann Ralph das Gespräch. Irgendwer musste die etwas skurrile Situation beenden in der sie sich gerade befanden. Als erfahrener Arzt war er ein guter Beobachter und hatte natürlich bemerkt, dass sie sich unwohl fühlte. Und da er seine eigene Verlegenheit schon überwunden hatte, ergriff er die Initiative.
Isara nickte „Ja, richtig. Es ging alles ein wenig drunter und drüber.“ ein Verlegenheitslächeln überkam Isara. ‚Oje’ so kannte sie sich eigentlich gar nicht. Aber seit sie von Zylin quasi erstochen worden war, fühlte sie sich, als ob ihre Gefühle ständig unkontrolliert zerlaufen, in alle Richtungen. Sie hatte keine Kontrolle mehr darüber. Fürchterlich.
„Bitte, setzen Sie sich doch“ Ralph bot ihr den bequemen Sessel an. Sie setzte sich, er nahm den Holzstuhl beim Tisch, setzte sich ihr gegenüber. Er war einerseits neugierig, andererseits vorsichtig. Könnte auch nur ein weiterer tückischer Versuch sein an Informationen zu kommen. Kitel könnte denken, wenn er ihm nach der Episode von vorhin eine nette Dame schickt, dass er, müde wie er war, doch noch das Eine oder Andere preisgab. Irgendwie fühlte sich diese Frau zwar nicht so an. Trotzdem.
„Danke, dass Sie sich Zeit nehmen für mich. Ich weiss, es ist schon spät und Sie wollten sicher schlafen gehen.“ eröffnete Isara nun das Gespräch, sie hatte sich wieder gefangen, für den Moment, zumindest.
Ralph lächelte „Das müssen Sie nicht tun. Lassen Sie das.“ „Was?“ „Das ist offensichtlich nicht ihr erstes Gespräch mit einem Gefangenen: Dem Gefangenen ein gutes, aufbauendes Gefühl geben, indem man ihm suggeriert, er sei Herr seiner eigenen Lage. Damit er eher mit einem plaudert. Als ob ich es mir aussuchen könnte, wann, wo und wem ich Zeit schenken kann. Janus würde mich zum Bett herauszerren, wenn es jemand verlangte.“ er lächelte weiter „Ich trage ein verfluchtes Hundehalsband“ er zeigte auf seinen Hals „Glauben Sie mir, ich weiss, in welcher Lage ich mich befinde. Da nützt kein ‚Schönreden’.“
„Aber nett und anständig ist es trotzdem. Sie sind ja immer noch ein wertvoller Mensch mit Würde, ob Sträfling oder nicht.“ entgegnete Isara. Zumindest war das Eis gebrochen, fand sie erleichtert. Und sie mochte diesen Ralph auf Anhieb, eigentlich, auch wenn er irgendwie unnahbar und verschlossen wirkte. Geheimnisse umgaben ihn, dass konnte Isara spüren, oder glaubte es zumindest. Aber er wirkte sehr angenehm.
„Da ist was dran.“ Ralph lächelte nicht mehr, nickte mit dem Kopf, wurde ernst „Also: Gern geschehen, ist kein Problem.“
„Warum ich Sie sprechen wollte“ fuhr sie fort. Ralph hörte aufmerksam zu, wartete. Und statt weiter zu reden, wickelte Isara ihren Verband ab. Ralph sah fragend zu Janus, der bloss mit den Achseln zuckte, er hatte keine Ahnung was das sollte.
Schnell zog Isara das Oberteil wieder über den Bauch. Hoffentlich beging sie keinen Fehler. Sie sah zu Janus „Können wir vielleicht die Tür schliessen?“
Sie hatte sich die ganze Zeit über so darum bemüht, dass es keiner sieht, dann wollte sie jetzt auch kein Risiko eingehen. Dass jemand zufällig gerade durch den Gang lief, oder so. Janus schloss die Tür, blieb aber im Zimmer.
„Wissen Sie was das ist?“ Isara hob ihr Oberteil gerade so viel, dass man die Einstichstelle sehen konnte. Es war alles verheilt. Sie hatte schon lange keine Schmerzen mehr. Nur dort, wo die Einstichstelle war, war eine Art Tätowierung ‚gewachsen’. Sah aus wie kleine Würzelchen. Sie hatte versucht es abzuwaschen. Ging nicht. Zwischen den feinen Linien erschien eine Art Symbol oder so. Eines wie ein ‚V’ mit Steinbockhörnern.
Ralph nahm sich die Brille vom Tisch, beugte sich soweit er konnte nach vorne, verschränkte die Arme um Isara auf keinen Fall zu nahe zu kommen. Sah sich die Stelle an. Überlegte einen Moment. Setzte sich wieder aufrecht auf seinen Stuhl, nickte. „Hmmm...ja, ich weiss was das ist.“ bestätigte er nachdenklich.
Für einen Moment hielt sich Isara die Stelle mit der Hand, streichelte sie zärtlich. Es war ganz warm. Dann zog sie das Oberteil wieder darüber, verdeckte es.
„Was soll ich nur tun? Wächst das weiter? Was ist das? Ist es gefährlich?“ Ralph rieb sich mit der rechten Hand seinen Van Dyke Bart. Was konnte er ihr sagen? Er hatte versprochen, dieses Wissen wirklich nur für sich selbst zu nutzen. Andererseits wusste Isara ohnehin schon, was geschehen war und hatte es offenbar noch niemandem anvertraut. Oder? Also fragte er „Wer weiss noch davon?“ „Niemand! Das ist ja das Problem. Ich kann’s niemandem sagen. Das schulde ich ihm.“ „Wie? Wem?“ Ralph runzelte die Stirn. Dann kratzte er sich an seinem hauteng anliegenden gute 5 cm breiten Halsband unter dem es immer juckte, und sobald sich sein Puls erhöhte richtig unangenehm wurde.
„Das ist ziemlich eng. Sieht unbequem aus. Muss das so eng sein?“ wechselte Isara das Thema. Nun kratzte sich Ralph auch auf der anderen Seite, es juckte. „Das Praktische an diesen Dingern ist“ fing er an, während er nun rieb „wenn man nicht einschlafen kann, braucht man nur etwas kräftiger daran zu hantieren und ziehen. Dann pumpen einem fünf feine Nadeln mit einem schnell wirkenden Betäubungsmittel voll und man ist weg.“ Isaras Augen wurden gross, sie war entsetzt. Gerade als Mediziner musste er es besser wissen „Das ist nicht ihr Ernst? Das ist dumm und belastet den Körper unnötig. Ein Risiko! Das mag zwar wirken, aber die Dosierung ist völlig unkontrolliert, kann jedes Mal zuviel sein!“
Endlich ging’s wieder einigermassen. Ralph hörte auf zu kratzen und reiben „War ein Witz. Sollte Ihre aufkommende Nervosität abfangen.“ „Oh“ Ralph zeigte auf Janus „Die Dinger sind nur gut um die Wächter zu ärgern.“ nun runzelte Isara die Stirn „Wie das?“ Ralph lächelte „Als Strafgefangener wird einem ständig gesagt, was man zu tun hat.“ er zuckte mit den Achseln „Hat man keine Lust dazu, kann man sich damit selbst betäuben und ausser Gefecht setzen. Dann sind die Wächter ein wenig beschäftigt. Wie Sie sagen, es gilt dann immer so schnell als möglich den Betäubten zu bergen und wieder aufzuwecken.“ „Dafür gibt es bestimmt eine saftige Bestrafung danach. Das ist genauso dumm.“ nun lachte Ralph „Ja, richtig. Aber was tut man nicht alles aus Langeweile.“ Derweil schüttelte Janus genervt den Kopf und Isara wusste, das war kein Scherz gewesen.
Jedenfalls hatte dieses Intermezzo tatsächlich funktioniert und Isaras eben noch sich aufbauende Nervosität war verflogen. Genauso komisch hatte es sich auch vorhin angefühlt, als Janus die Schere aus Ralphs Hosentasche genommen hatte. Als ob es zwei unterschiedliche Ralph Auerssons gäbe: einen Arzt und einen gefährlichen, unberechenbaren Gefangenen, vor dem man sich ständig in Acht nehmen musste. Sie hatte sich schon gefragt, weshalb ihn Janus vorhin ‚Spitzbube“ genannt hatte. Jetzt passte die Bezeichnung.
Trotzdem beschloss sie ihm zu vertrauen. Sie hatte sonst niemanden, er war die einzige Option.
„Versprechen Sie mir, es nicht Dr. Kitel oder jemand anderem weiterzuerzählen, was ich Ihnen nun erzähle?“ Ralph stutzte. War komisch, denn eben war er es noch gewesen, der sich gefragt hatte, was er dieser fremden Frau preisgeben wollte und was nicht. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut, hatte vollstes Verständnis. Blieb aber aufmerksam, vielleicht war diese Frau nur unglaublich clever und wickelte ihn schlicht um den Finger, um ihn zum Reden zu bringen. Wäre mit Abstand die beeindruckendste Verhörtechnik, die er bisher präsentiert bekam.
„Versprochen. Jedenfalls für meinen Teil. Für Janus kann ich nicht garantieren.“ er blickte Janus an, der die Hände verwarf „Also Leute, ich lass euch bestimmt nicht alleine hier. Aber bitte: Ich verspreche, was ich hier höre, bleibt hier. Ist ja quasi mein Job. In Ordnung?“ er verschränkte erneut die Arme, stellte sich breitbeinig hin.
Isara nickte. Wird wohl genügen müssen. „Sie fragten nach ‚wem’“ fing sie an und wurde schon unterbrochen, Ralph hob die Hände „Stop, bitte. ‚Ja’ fragte ich und die Frage war überflüssig. Phil sagte bereits, dass Sie den Wakaner begleiteten.“ er deutete auf Isaras Bauch „und das da kommt von wakanischem Blut. Also wird’s vermutlich er gewesen sein, denn ein anderer ist nicht da.“ „Ja, ja. Aber Sie wissen nicht WER er ist. Und Dr. Kitel wollte es Ihnen, warum auch immer nicht sagen, darum tu ich es. Sie sollten wissen, WEM Sie da vorhin geholfen haben und den Finger ins Fleisch steckten, was ich nach wie vor für komisch und eklig halte.“ ‚Achtung Aufpassen!’ ermahnte sich Ralph ‚Verhörtechnik’ er stutzte erneut. Ganz fein brachte sie dieses Thema auf einmal ein. Vorsicht, Vorsicht.
Nun hob Isara die Hände, schüttelte den Kopf „Brauchen Sie nicht zu erklären, hab ich nur so erwähnt. Also“ sie beugte sich vor, fing an zu flüstern „Sagt Ihnen der ‚Grüne Schatten’ etwas?“ „Ja, schon gehört. Von vielen. Ein wohl eher ‚ROTER Schatten’, bei dem vielen Blut, das von ihm in den Reihen der aquawaldischen Einwohnern vergossen worden sein soll. Halte es für einen gut aufgebauten Mythos des Terra Sonnensystems. Erfunden um beim Gegner Angst zu verbreiten und gleichzeitig auf der eigenen Seite ein erstrebenswertes Idol für die Soldaten zu produzieren.“ Isara schüttelte den Kopf „Nein, es gibt ihn wirklich. Und er heisst Zylin Sa und liegt gerade mehr tot als lebendig in einem Aquarium einen Stock unter uns. Ich denke, warum es ‚grün’ heisst, erklärt sich von selbst. Wakaner und so...“
Isara hielt sich mit beiden Händen das Gesicht. Rubbelte es, dann die Haare „Wenn Kitel mitkriegt, dass ich Ihnen das erzähle, steckt der mich in so einen Rattenkäfig da unten. Ich hab die Kamera völlig vergessen!“ Es war unglaublich, wie ihre Nerven mit ihr Achterbahn fuhren. Sie versuchte sich wieder zu beruhigen. Janus half „Keine Sorge, die Kamera zeichnet nichts auf, geht nur zum Empfangsbildschirm vor der Tür. Die Leitung zum IT-Zentrum ist mit einem unserer Geräte blockiert. Eine Sicherheitsmassnahme, damit der Spitzbube da nicht irgendeine Verbindung nach draussen zustande bekommt. Und jetzt ist sie eh aus, wenn ich hier drin bin. Mein Wort.“
‚Puhhh...Ein Glück!’ Isara liess sich zurück in den Sessel fallen. Schloss für einen Moment die Augen. Lauschte dem pulsierenden Herzen in ihren Ohren.
„Das ist das wakanische Blut.“ hörte sie Ralphs Stimme. Sie sah ihn an „Was?“ „Na da. Ihre Verletzung. Dieses Muster entsteht bei der Heilung von Verletzungen mithilfe von wakanischem Blut. Wenn es gerade etwas zu wenig Blut hat, entstehen diese Zeichnungen auf der Haut. Ich vermute, er hat die Messerklinge, oder besser die Dolchklinge, Wakaner führen Dolche. Also, er hat die Klinge erst mit seinem Blut getränkt und sie Ihnen dann in den Unterlaib gestossen. Jemand hat den Schnitt gereinigt und so das Blut dort weggewischt, sodass zu wenig übrig blieb um die Haut perfekt verheilen zu lassen. Dann gibt es diese Muster. Und das wakanische Blut in Ihrem Körper baut sich nur langsam ab. Die Wunde dürfte erst ein paar Tage alt sein. Das heisst, sie werden noch eine Weile lang die Auswirkungen des wakanischen Blutes in ihrem Körper spüren. Eine davon sind diese emotionalen Schwankungen. Das Blut heilt nämlich nicht nur verdammt schnell, es verstärkt Ihr gesamtes Nerven- und Immunsystem. Alles wirkt intensiver und löst für Menschen ungewohnt intensive Reaktionen aus. Und um ihre Fragen zu beantworten: Nein, es wird nicht weiterwachsen. Es wird so bleiben, die Heilung sieht abgeschlossen aus. Es ist nicht gefährlich. Sie können allerdings auch nichts dagegen tun. Ist wie eine Tätowierung. Und die Gefühlsschwankungen...tja...da müssen Sie einfach das Beste draus machen. Sobald die Stelle nicht mehr so warm ist, ist es vorbei. Ein paar Tage oder so, hängt von der Stärke des Wakaners ab.“
So! Jetzt war’s raus, er hat es ihr gesagt. Verhörtechnik hin oder her!
„Ja! Genau so hat er es getan.“ bestätigte Isara staunend. Staunend darüber, dass da jemand vor ihr sass, der darüber so gut Bescheid wusste. Sie war unendlich erleichtert. „Er hat erst seinen Arm mit Steintränen bestreut und sich dann den Dolch...brrr... wenn ich nur an diesen Augenblick denke.“ sie deutete den Schnitt auf ihrem eigenen Arm an „Über den gesamten Unterarm! Und so tief, dass die Klinge gleich voller Blut war.“ „Er muss Sie...sagen wir mal...’mögen’, Ihnen vertrauen. Wenn er so weit geht, so viel riskiert. Ich meine, nicht wegen des Schnittes. Zusammen mit den Tränen wird sein Arm innert Sekunden verheilt gewesen sein. Aber Sie mit diesem Wissen zurück zu lassen?“
Isara zuckte mit den Achseln „Ich weiss nicht. Ich meine... ich hatte solche Angst. Er hatte vor meinen Augen zwei Soldaten getötet. Ich hatte nie erwartet, dass er sowas tun würde. Er war zwar immer verschlossen und eigen gewesen. Aber sowas? Und als er mir die Klinge in den Bauch stiess...ich glaube, ich weinte sofort los, zitterte, zerfloss vor Angst. Hatte insgeheim gedacht, er würde mir nichts antun und dann sticht er mich ab. Einfach so! Konnte doch nicht wissen, dass ich nicht sterben würde.“ Ralph lächelte „Wenn er tatsächlich der ‚Grüne Schatten’ ist, ist der Gedanke, er würde niemandem etwas zuleide tun, recht weit hergeholt. Naiv. Finden Sie nicht?“ Isara ballte verärgert die Fäuste „Richtig“ das hätte sie selbst bedenken müssen, wie dumm sie gewesen war!
„Er hatte gemeint, dass er mir auf diese Weise weiterhin die Möglichkeit gäbe, mich selbst entscheiden zu können.“ „Entscheiden?“ „Ja, das ist kompliziert.“ Isara kniff die Augen zusammen „Wissen Sie, dass Wakaner unsere Gedanken lesen können?“
Ralph war überrascht. Diese Frau trug mehr Geheimnisse mit sich herum als man denken könnte. „Hat ER Ihnen das GESAGT?“ sie schüttelte den Kopf „Nein, hab ich selbst gemerkt. Als ich mit ihm in Sarg zu tun hatte. Anhand seines Verhaltens und seinen Aussagen war es die einzig schlüssige Erklärung gewesen. Und als er merkte, dass ich es wusste, blieb er freundlich, auf seine Art und Weise natürlich, und gab mir jedoch klar zu verstehen, dass ich mit meinem Leben spielen würde, würde ich es jemandem erzählen. War unheimlich. Aber ich hielt mich daran. Vermutlich würde es mir ohnehin niemand glauben.“ Isara beobachtete Ralphs Reaktion „Sie halten mich für verrückt. Aber bitte“ sie legte die Hände flehend zusammen „Bitte sagen Sie es niemandem.“ sie lehnte sich zurück in den Sessel.
Verschnaufte. Fürchterlich, wie sie quasselte! Wie ein Wasserfall. Sie musste sich bremsen, unbedingt. Wie konnte ihr das nur geschehen?! Sonst beherrschte sie sich doch! Aber es tat so gut. Endlich raus damit. Diese elende Spannung ein wenig lösen zu können.
Die junge Frau tat ihm leid. Ralph fühlte deutlich, wie sie um ihre Beherrschung rang. Dass sie ihn zu verhören versuchte dachte er schon lange nicht mehr. Es fühlte sich viel mehr wie eine Beichte an. Sie war erleichtert endlich über diese Dinge sprechen zu können. Und er konnte es ihr nachfühlen, nur zu gut. Er rieb sich mit der rechten Hand seinen Bart. Studierte Isara und fragte sich, warum dieser Zylin das getan hatte? Aus seiner Erfahrung wusste er, dass Wakaner viel von ‚Ehre’ und ‚Respekt’ hielten. War man anständig mit Ihnen, erwiderten sie das. Andererseits hatte er auch noch nie einen nachtragenden Wakaner getroffen. Menschen gegenüber zeigten sie sich grundsätzlich gleichgültig.
„Tut mir leid.“ entschuldigte sich Isara nach der kleinen Schweigepause. „Was tut Ihnen leid?“ „Dass ich Sie hier so vollmülle.“ sie winkte ab „Eigentlich weiss ich, was ich wissen wollte.“ sie deutete auf ihren Bauch „Ich bin beruhigt. Jetzt muss ich es nur noch allen als Tattoo verkaufen und mich irgendwo verkriechen, bis ich mich wieder unter Kontrolle habe. Das ist sonst wirklich nicht meine Art. Unmöglich.“ sie schloss die Augen „Wenn Kitel das wüsste!“ sie atmete einmal tief ein und aus „Und Zylin darf es schon gar nicht erfahren. Oh nein. Er hatte Recht! Mit allem! Ich war so eine dumme Kuh! Ich hätte nicht herkommen dürfen. Was hab ich getan?!“
Gerne hätte Ralph das Nervenbündel in die Arme genommen. „Bitte beruhigen Sie sich.“ Isara fing an zu weinen. Sie hätte nicht herkommen dürfen. Hatte einem wild fremden Mann, einem verurteilten Sträfling!!, all diese Dinge erzählt. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?! Ralph sah sich nach Taschentüchern um, als ob er nicht wusste, dass es keine hatte. Rasch stand er auf, unter Janus aufmerksamen Augen, und holte Toilettenpapier aus dem Bad, das er Isara reichte. „Ist schon gut.“ sagte er freundlich, sie nahm die Rolle und wischte sich Nase und Gesicht. Es kratzte, war schliesslich nur Toilettenpapier der billigsten Sorte. Janus entspannte sich erst, nachdem Ralph wieder auf seinem Stuhl sass.
„Keine Entschuldigungen, keine Angst. Bitte. Sie haben mir nichts erzählt, was ich nicht schon gewusst hätte. Also, ausser das über die Person selbst, natürlich. Aber seien Sie unbesorgt, weder Kitel noch irgendjemand sonst wird von mir auch nur ein Wort davon erfahren. Bitte, beruhigen Sie sich. Vielleicht beruhigt es Sie zu wissen, dass es noch mehr Menschen gibt, denen Wakaner ‚Dinge’ anvertrauen. Ich weiss nicht, wie sie sich diese Menschen aussuchen, aber wir sind mit Sicherheit nicht die Einzigen.“
Schnieff... Schnieff... „Meinen Sie?“ „Ganz bestimmt. Und es ist schwer, dieses Wissen mit niemandem teilen zu können, zu dürfen. Ich weiss, wovon ich spreche. Aber es ist wichtig. Sie sehen ja selbst: Kaum wissen die Falschen zu viel, forschen sie an einem Serum herum und gehen dafür über Leichen. Machen nicht einmal vor den eigenen Leuten Halt.“ Isara nickte. Sie versuchte gar nicht mehr ihre Fassung zu finden. Schnieff... Schnieff... riss noch mehr Toilettenpapier von der Rolle.
„Und?“ wechselte Ralph das Thema „Wie haben Sie sich entschieden?“ „Wie? Entschieden?“ „Na vorhin sagten Sie, er würde ihnen die Möglichkeit erhalten, sich weiterhin selbst entscheiden zu können. Was für eine Entscheidung?“ „Oh, ja.“ Isaras Gesicht verriet eindeutig, dass sie nicht sicher war, ob sie es erzählen sollte. Ralph hob die Hände „Wenn Sie es nicht sagen wollen, lassen Sie’s. Ich bin nur schrecklich unhöflich und neugierig.“
„Das ist kompliziert.“ Ralph lächelte „Ja, sagten Sie bereits. Hab ich verstanden.“ „Wo soll ich anfangen. Ich meine... ich muss das erklären. Es ist so... ich habe noch mit niemandem darüber gesprochen. Er hatte es wohl in meinen Gedanken gesehen, oder so. Als er...“ Isara deutete wieder auf ihren Bauch „...na Sie wissen schon.“ Ralph nickte „Verstehe“.
Schnieff...Schnieff...“Also, es ist so...äh“ Isara sah ihr Gegenüber und Janus an der Tür nochmals ganz genau an. Konnte sie den beiden wirklich trauen? Sie beugte sich vor und flüsterte „Es ist so... als ich anfing für das Terra Sonnensystem zu arbeiten, stand ich voll und ganz hinter dem Terra Sonnensystem. Fand, was die tun ist eine gute Sache. Wirklich.“ Ralph hob seine linke Augenbraue, so eine Ahnung machte sich in ihm breit. „Dann traf ich Zylin, in Sarg. Da fing es an. Ich meine, die Wachen dort sind keine schlechten Menschen. Und Martin war wirklich fair, immer. Aber trotzdem.“ sie schüttelte den Kopf „Ich weiss mittlerweile, dass er unschuldig eingesperrt worden war!“
‚Oh’ dachte Ralph, jetzt war klar, dass sich der Wakaner nicht als Wärter, sondern sich als Gefangener in Sarg aufgehalten hatte. Wie ungewöhnlich, erklärte aber, dass er noch da und nicht wie alle anderen verschollen war.
„Dann dieser Auftrag auf Steinwelten. Wir wurden belogen, benutzt und hintergangen. Von unseren eigenen Vorgesetzten. Und dieser William...also mit dem stimmt was nicht. Ich war mir bald schon nicht mehr sicher, auf welcher Seite ich stehen soll. Verstehen Sie was ich meine?“ langsames Kopfnicken von Ralph, ‚Oh ja, er verstand.’
„Hätte er mich in jener Nacht einfach zurückgelassen, hätten mich die anderen sofort als Verräterin deklariert, weggesperrt oder wie Sila, gleich getötet. Er hatte Recht: Die anderen hätten mir meine Entscheidung abgenommen.“ „Und jetzt? Sie sind doch hier? Entscheidung fürs Terra Sonnensystem gefällt?“ Isara schüttelte den Kopf „Nein. Ich werde gehen. Ich bin nur bei ihm geblieben und werde ihm helfen zu fliehen, wie ich kann. Und hoffe, Phil wird mich begleiten. Er muss einfach!“
„Sie wissen, dass Sie von Hochverrat sprechen? Wollen Sie enden wie ich?“ er hob seine Arme. Beschämt senkte Isara ihren Blick „Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen. Das mit dem Einsperren, meine ich.“ sie zuckte mit den Achseln „Vermutlich werden sie es ohnehin vorher erfahren, bevor er fliehen kann. Schon dass ich Kitel belog um mit Ihnen sprechen zu können.“ „Belogen?“ „Na ja, ich sagte, vielleicht würden Sie mit mir sprechen, nach dem Vorfall von vorhin. Sie wissen es noch nicht, aber Sie werden morgen, oder besser heute, nicht abreisen können. Und einen anderen Grund mich zu Ihnen zu lassen fiel mir nicht ein. Ich konnte schlecht die Wahrheit sagen. Ich würde umgehend als Versuchskaninchen einen eigenen Käfig erhalten.“ nun sah sie Ralph an, lächelte während sie weitersprach „Aber wirklich, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben und mich betreffend meinem neuen Körperschmuck beruhigen konnten. Danke.“
„Gern geschehen. Hier eine Kleinigkeit für Kitel, ihretwegen“ er zwinkerte mit einem Auge „Die Wasserinfusion wird besser angenommen, wenn sie Körpertemperatur hat. Für Wakaner liegt das bei gut 39°C. Wenn Sie zusätzlich das Wasser im Tank auf 18°C kühlen, regeneriert der Körper schneller und es ist für ihn angenehmer. Er muss die Temperaturdifferenz nicht selbst herstellen, was ihn weniger Energie kostet. Energie, die er stattdessen für die Heilung verwenden kann.“
Ralphs Blick wurde nachdenklich „Sollte er denn aufwachen, wird er sich nicht freuen, gar nicht. Wakaner können mit Gefangenschaft sehr schlecht umgehen, wissen Sie. Aber wenigstens ist es dann so angenehm als möglich für ihn.“ „Stopp, hören Sie auf!“ bremste Isara „Hätten Sie das nur nicht gesagt!“ entgegnete sie „Eigentlich will ich das Kitel gar nicht sagen. Das war keinesfalls meine Absicht gewesen. Wirklich nicht! Diese Genugtuung will ich Kitel nicht gönnen. Es jetzt aber nicht zu tun, wäre Zylin gegenüber unfair. Sie bringen mich in eine missliche Situation!“
Wieder lächelte Ralph „Da haben Sie wohl Recht. Doch dafür bleibt Ihnen die Möglichkeit offen, mich noch einmal besuchen zu können. Und nun raus hier! Sie sehen müde aus und sollten sich hinlegen. Das sage ich Ihnen als Arzt.“ Isara lächelte zurück, nickte „Ja, da haben Sie Recht. Ich bin hundemüde. Ich habe die letzten Tage kein Auge zu getan. Habe ständig seine Hand gehalten, hatte irgendwie das Gefühl, ihn dadurch in der Welt der Lebenden zu halten. Wie ein kleines Mädchen, das an Wunder glaubt. Sie werden mich bestimmt deswegen auslachen. Aber danke für alles.“
Isara stand auf und ging zur Tür.
Da fing Ralph an schallend zu lachen „Sehen Sie! Sie lachen mich aus.“ meinte Isara und sah schockiert wieder diesen ‚anderen’ Ralph Auersson vor sich.
„Nein, ich lache nicht deswegen.“ „Hein?“ „Sollte es sich je ergeben, muss ich diesen Zylin Sa unbedingt kennen lernen.“ Ralph beruhigte sich, Janus gähnte, ihn hatte das Gespräch offensichtlich keinen Deut interessiert. Isara verstand nicht „Ich verstehe nicht.“ „Vielleicht, ein ander Mal. Gute Nacht.“ verabschiedete sich Ralph definitiv. Janus öffnete die Tür und verliess zusammen mit Isara das Zimmer. Die Tür schloss sich.
Die Hände hinter dem Kopf starrte Ralph zur Decke. Er lag auf dem Bett. Ward immer neugieriger auf diesen ungewöhnlichen Wakaner geworden. Er hoffte, nein er WÜNSCHTE sich, dass er überlebt und sie sich einmal unterhalten könnten.
Vorhin hatte er so lachen müssen, weil Isaras ‚Händehalten’ die simple und logische Antwort auf seine Frage gegeben hatte, warum der Wakaner so ein Risiko eingegangen war. Denn das Wissen über die heilsame Wirkung von reinem wakanischem Blut, war etwas vom Gefährlichsten was es geben konnte, dass ein Wakaner verriet. Das Terra Sonnensystem würde sich darauf stürzen und alle Wakaner ausbluten lassen, die ihnen in die Finger kamen. Bisher wurde die Wirkung immer nur den Steintränen zugeschrieben und dieses Serum verfolgte eine völlig andere Richtung.
Nein, er war dieses Risiko eingegangen, weil er offenbar mit der Möglichkeit gerechnet hatte, dass er die in Isara, durch den Stich mit seinem Blut an der Klinge eingelagerte Lebensenergie, selbst wieder benötigten würde. Und Isara hat sie ihm ohne ihr eigenes Wissen durch das Händehalten zurückgegeben. So war es überhaupt möglich, dass nach diesen Verletzungen überhaupt noch ein kleiner Funken Lebens in ihm steckte. Isara als Mittel zum Zweck und sie wusste es nicht. Darum hatte er so lachen müssen, was für eine unerwartete Lösung. Typisch wakanisch! Ralph liebte unkonventionelle, originelle Ideen und Wege.
Diese Mistkerle, die ihm immer und immer wieder gesagt hatten „Ralph, sorge dich nicht. Es kommt immer alles so, wie es kommen soll. Hab Vertrauen.“ Und immer wieder sollten sie Recht behalten. Sogar er war wieder einmal gerade in dem Moment zur Stelle, als es nötig war. Ralph grinste die Decke an. Heute würde er gut schlafen, so einen aufregenden Tag hatte er schon lange nicht mehr erleben dürfen. Gefängnis war schon richtig Scheisse!