Читать книгу Macht der tiefen Gefühle - Auf der Suche nach dir Gesamtsausgabe Band 1 - 3 - Manuela Dehnert - Страница 15

Kapitel 12

Оглавление

Das leise Summen der Klimaanlage und ein leichter Regenguss holten Sophia gegen fünf Uhr morgens aus ihren Träumen. Da erst bemerkte sie, dass sie gestern Abend total erledigt war.

Sie öffnete die Tür und trat einen Schritt hinaus auf den Balkon. Sie staunte. Es gab zwar gerade einen kurzen tropischen Regenguss, aber der war genauso schnell wieder vorbei, wie er gekommen war.

So weit das Auge reichte, sah sie Palmen, Hibiskus und anderes üppiges Grün in Hülle und Fülle. Sie konnte von ihrem Zimmer aus sogar das Meer sehen. Ein atemberaubender Anblick bot sich ihr.

Der Prospekt und auch der Reiseführer hatten nicht zu viel versprochen. Es war wirklich das schönste Fleckchen Erde, das sie jemals gesehen hatte – und bisher hatte sie nur einen Bruchteil der Insel zu Gesicht bekommen.

Sie beschloss, sich frisch zu machen, anzuziehen und die Hotelanlage und den Strand zu erkunden. Gestern Abend war sie hierfür zu müde gewesen. Da wollte sie nur noch ins Bett.

Sie legte für das Zimmermädchen ein paar Peso auf den Nachttisch. Sie hatte gelesen, dass das eine wesentliche Einnahmequelle für das Personal war und dass sie sich dann besonders viel Mühe gaben, als sie es so schon taten, um alles hübsch herzurichten.

Sophia fand Gefallen an dem großen Kingsize-Bett. Sie hatte endlich genügend Platz, um sich richtig breit zu machen, ohne dass sich jemand gestört fühlte.

Das Zimmer war sehr geräumig. Es gab sogar einen begehbaren Einbauschrank, wo sie ihr Gepäck und ihre Koffer verstauen konnte. Ihre Dokumente und Wertsachen deponierte sie gleich im Zimmersafe – sicher war sicher.

Nachdem sie sich in der Dusche frisch gemacht hatte, ging sie nur mit einem Handtuch bekleidet auf den Balkon.

Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen und es war wunderbar warm. Sie setzte sich noch ein paar Minuten und genoss die Stille, den Ausblick und die vielen fremdartigen Geräusche der Tiere, die sie nicht kannte.

Sie sah zum ersten Mal in ihrem Leben Kolibris und war ganz fasziniert von ihnen. Auch Warane hatte sie in der Natur noch nie zuvor zu Gesicht bekommen.

Nach ein paar Minuten zog sie sich etwas an und schloss die Zimmertür hinter sich zu. Immer noch überwältigt von den ganzen Eindrücken machte sie sich als Erstes auf, um sich die Rezeption anzuschauen.

Auf dem Weg dorthin durchquerte sie die Hotelanlage, die wie ein großer tropischer Garten angelegt worden war. Überall waren große Pflanzen, die teilweise blühten und viele Kokospalmen in allen verschiedenen Größen konnte sie bewundern.

Begeistert blieb sie des Öfteren stehen und konnte es noch immer nicht fassen, dass sie wirklich hier war.

Sie kam auf ihrem Weg vorbei an der großen Poolanlage und der PoolBar. Alles sah sehr gepflegt aus und der Poolboy kümmerte sich gerade um die Sauberkeit. Er hatte Sophia entdeckt.

»Hola. Muy bien?«, grüßte er.

»Hola. Bien bien«, grüßte Sophia lächelnd zurück und setzte ihren Weg fort.

Dann sah sie linker Hand ein großes Freiluftrestaurant. Wie sie dem Schild entnehmen konnte, gab es hier die Mahlzeiten und im hinteren Teil des Lokals befand sich ein großer Saal mit einer Bühne und einer Bar. Es sah so aus, als fänden hier abends die Veranstaltungen statt. Zwischendurch gab es an den vielen kleinen Auslagen Snacks und Getränke.

Hinter dem Lokal hatte sie dann endlich die Rezeption gefunden, mitten im tropischen Grün, inmitten von Palmen und Hibiskus.

Sie war von zwei Seiten aus begehbar. An der Decke des mit Palmwedeln bedeckten Spitzdaches drehten sich große Ventilatoren. Da die Rezeption rund um die Uhr besetzt war, fand sie schon Personal um diese Zeit.

Die beiden Angestellten wunderten sich über den frühen Besuch und grüßten freundlich und Sophia erfuhr, dass sie hier ein paar Dollar oder aber auch Euro in Dominikanische Peso umtauschen konnte. Das Personal war sehr freundlich.

Sophia fühlte sich jetzt schon pudelwohl. Noch im Rezeptionsgebäude schaute sie sich um und konnte auf der gegenüberliegenden Seite des Rezeptionstresens eine kleine Sitzecke entdecken, eine Art Wartezone.

Gleich daneben gab es ein Büro der Reiseleitung. Sophia las einen Zettel, der im Schaukasten aushing.


Darauf stand:

Reiseleiter/in gesucht in Daueranstellung. Unterkunft kann bei Interesse und Anreise aus dem Ausland gestellt werden. Gerne für immer. Bitte hier im Büro melden. Raphael, Reiseleitung.


Ein Lächeln huschte über Sophias Mund und sie ertappte sich dabei, wie sie einen kurzen Moment dachte, wie es wohl wäre, wenn sie dieses verlockende Angebot einfach annähme. Aber sie verwarf diesen Gedanken gleich wieder, als sie an ihre Familie dachte.

Sie schaute sich den kleinen Souvenirladen durch die Fenster an, der sich gleich draußen neben der Rezeption befand. Es gab auch einen Friseur nebenan.

Ein kleiner Durchgang führte wieder ins Hotel durch eine Art Pergola aus Pflanzen. Sie sah ein Pult mit mehreren großen Ordnern.

Ein Blick hinein verriet ihr, was es für Ausflüge gab, die man sicherlich buchen konnte. Das Programm gefiel ihr. Sie war viel zu neugierig und konnte nicht warten, bis der Begrüßungscocktail begann.

Wo man im Notfall medizinische Versorgung erhielt, las sie auf den nachfolgenden Seiten des Ordners.

Auch eine Menge anderer Informationen waren noch zum Nachlesen gesammelt worden. Sophia blätterte den Rest nur flüchtig durch. Sie hatte fürs Erste genug gesehen.

Sophia legte den Ordner zurück und lief weiter durch die Hotelanlage, vorbei an Bananenbäumchen. Es duftete überall so exotisch nach Früchten und Meer. Ein Pfau schlug sein Rad und machte dabei laute Geräusche auf einer Wiese. Sicherlich rief er nach einem Weibchen. Komisch, gerade in diesem Moment musste sie an Alessandro denken.

Diverse kleine, zweistöckige Hotelgebäude die sich harmonisch in den Garten integrierten, gehörten zu der Anlage. Kein Gebäude war höher als die Kokospalmen. Sophia erkannte auf dem anderen Weg die angrenzenden Bungalows, die ebenfalls fast alle vermietet waren.

Nun war sie auf dem richtigen Weg zum Strand. Sie konnte vor sich den Strand und das Meer bereits sehen. Das Strandrestaurant und die Bar mit ihrem Palmwedeldach luden zum Verweilen ein.

Es war ein herrlicher Ort – der Anblick war unbezahlbar und entschädigte für die lange beschwerliche Reise.

Dann entdeckte sie ein weiteres Gebäude, die Diskothek und den Wellness-Bereich. Darauf hatte sie sich gefreut.

Angrenzend verlief ein kleiner Bach – ein Süßwasserbach. Kleine Süßwasserschildkröten lagen auf den Steinen und sonnten sich, teilweise so dicht zusammengedrängt, dass eine Schildkröte fast die andere vom Stein schubste.

Sie konnte gar nicht glauben, dass sie das alles erleben durfte. Wie lange hatte sie darauf gewartet – eine Ewigkeit.

Sie seufzte.

Wieso bin ich nicht viel früher schon hierhergeflogen? Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es so schön ist.

Ich habe es zwar schon in zahlreichen Katalogen gesehen und Kunden haben mir von ihren Erlebnissen vorgeschwärmt, aber jetzt selbst alles einmal erleben zu dürfen ist wie ein Traum.


Sie ging weiter Richtung Strand und entdeckte eine etwas größere Hütte, die Tauchstation des Hotels. Sie konnte erkennen, dass man sich hier versammelte, um sich zum gemeinsamen Tauchen und zu geführten Schnorcheltouren zu verabreden.

Sie lief weiter Richtung Ufer. Das vorgelagerte Riff sorgte für ruhiges Wasser in der Bucht. Der Strand war menschenleer. Sophia staunte über diese Postkartenidylle.

Genauso hatte sie es sich vorgestellt. Palmen, so weit das Auge reichte. Herrliches türkisblaues Wasser platschte in kleinen Wellen an den Strand.

Sophia lief zum Wasser, ging durch den kühlen feuchten Sand und genoss es sichtlich, wie das Meer ihre Füße umspielte. Egal, wo sie sich in der Anlage aufhielt, immer spielte diese Musik, es war das Paradies.

In einiger Entfernung entdeckte sie ein Boot, das hinaus aufs offene Meer fuhr. Hier war sie richtig. Wieso hatte sie nur solange gewartet?

Die Sonne schien bereits unerbittlich und es fühlte sich an, als wären es weit über dreißig Grad. Dabei war es noch früh am Morgen.


Sophia bekam ein leichtes Hungergefühl und war gespannt auf den sogenannten Begrüßungscocktail, bei dem sie nähere Informationen erhielt. Gerade wollte sie sich auf den Weg zurück zum Zimmer machen, als sie sah, wie ein Mann ebenfalls gerade zum Strand kam. Er schien auch allein zu sein wie sie.

Er lief zum Ufer und ging ins Wasser, schwamm ein Stück und kam wieder heraus. Sophia war jetzt fast in seiner Nähe. Er bemerkte sie und ging auf sie zu.

Sophia musterte seine gut durchtrainierte Erscheinung. Er hatte nach ihrem Geschmack kein Gramm zu viel und alles war auch sonst an der richtigen Stelle, wie sie fand. Sein Haar war schulterlang und schien mittelbraun zu sein, soweit sie das von hier aus beurteilen konnte.

Er war groß, leicht gebräunt, und sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er war zwar nicht ganz ihr Typ, aber sie war auch nicht auf einen neuen Mann aus.

»Hallo«, sagte er.

»Hallo«, erwiderte Sophia.

»Schon so früh auf den Beinen?«, wollte er wissen.

»Ja, ich wollte mir in Ruhe alles anschauen. Gestern Abend, als ich ankam, war schon alles dunkel und ich war viel zu müde«, erwiderte sie.

»Morgens genieße ich immer eine Runde im Meer zu schwimmen«, sagte er und trocknete sich ab. »Ich bin übrigens Miguel«, sagte er lächelnd.

»Sophia«, antwortete sie.

»Ah, Sophia – ein schöner Name. Bist du alleine hier?«

»Ja, ich mache alleine Urlaub hier.«

»Ich auch. Wenn du magst, können wir mal etwas zusammen unternehmen. Ich kenne mich aus. Ich war schon ein paar Mal hier«, sagte er.

»Ja, vielleicht sieht man sich. Ich will erst mal die Gelegenheit nutzen und an einem Schnuppertauchkurs teilnehmen. Vielleicht mache ich meinen Tauchschein. Das wollte ich schon immer mal tun«, sagte Sophia.

»Das trifft sich gut. Ich tauche auch schon seit einigen Jahren«, sagte Miguel.

»Woher kommst du denn?«, fragte Sophia.

»Aus Madrid«, antwortete Miguel, »ein paar Mal im Jahr verschlägt es mich hierher. Dann erledige ich ein paar Aufträge und verbringe meistens noch ein bisschen Zeit hier. Es gibt einige schöne Tauchspots. Wie lange bist du denn hier?«, wollte Miguel wissen.

»Vier Wochen«, sagte Sophia.

»Wow, das ist lange. Wo kriegt man denn so viel Urlaub?«, fragte er neugierig.

Doch Sophia lachte und sagte: »Bis später, Miguel. Ich muss los, frühstücken«, und ließ ihn zurück.

»Bis dann«, sagte er und schaute ihr nach.


Während Miguel am Strand blieb, ging Sophia quer durch die Anlage zum Hotelzimmer, um sich für das Frühstück im Hauptrestaurant umzuziehen.

Vielleicht war er ganz nett und eventuell konnte es spannend sein, etwas mit ihm zu unternehmen. Sie war gespannt auf nachher.

Vielleicht konnte ihr Raphael ein paar Tipps geben, was sie so machen konnte. Auf alle Fälle wollte sie für ihre Familie ein paar typisch dominikanische Souvenirs mitbringen und tauchen lernen.


Pünktlich um halb acht, nachdem sie noch einmal auf dem Balkon gesessen hatte, machte sie sich wieder auf den Weg zum Restaurant, um zu frühstücken.

Das Restaurant war menschenleer und sie suchte sich einen Zwei-Personen-Tisch am Rande des Lokals. So eine reiche Auswahl hatte sie selten gesehen.

Sie entschied, sich ein frisches Omelett zubereiten zu lassen und aß frische Früchte dazu. Dazu gab es einen dominikanischen Kaffee – köstlich. Sophia war zufrieden.

Beim Frühstück traf sie wieder auf Miguel.

»Darf ich?«, fragte er und hielt schon die Teller in der Hand. Er wartete darauf, sich zu Sophia setzen zu können.

»Ja bitte«, sagte sie. Er setzte sich zu ihr an den Tisch.

»In Gesellschaft schmeckt es besser«, sagte er zu Sophia.

»Das stimmt. Na dann guten Appetit«, antwortete Sophia.

»Danke gleichfalls«, erwiderte Miguel.

»Woher kommst du eigentlich?«, fragte er neugierig.

»Aus Venedig, Italien«, sagte Sophia.

»Oh, Italien, da ist es doch bestimmt auch schön um diese Jahreszeit. Was verschlägt dich denn so weit in die Ferne?«, wollte er wissen.

»Ich wollte schon immer mal hierher, nur hat es noch nie geklappt und jetzt war es möglich«, antwortete Sophia.

»Nachher bin ich mit einigen Leuten draußen auf dem Wasser. Wir wollen tauchen gehen. Sicherlich sehen wir uns erst später wieder«, meinte er.

»Das ist nicht schlimm, Miguel. Vielleicht kannst du mir ein bisschen von deinen Tauchgängen erzählen und wie ruhig hier das Wasser ist, wenn du zurück bist. Ich gehe gleich erstmal zu dem Begrüßungscocktail und dann mal sehen. Ich habe noch keinen konkreten Plan für heute.«

»Ja, das kann ich machen Sophia. Ich habe die verschiedensten Tauchspots schon ausprobiert.«

»Schön, ich muss los. Wir sehen uns später«, erwiderte Sophia und verließ den Tisch.

»Ciao, bis später und viel Spaß«, sagte er.

»Ja, dir auch«, erwiderte sie und begab sich zu dem Raum, in dem das Pult mit den vielen Ordnern stand. Hier sollte in ein paar Minuten der Begrüßungscocktail stattfinden.


Raphael traf auch gerade dort ein und sie begrüßten sich. Dann kamen nach und nach noch fünf andere neu angereiste Touristen dazu.

Sophia erkannte sie wieder, sie hatten gemeinsam im Bus gesessen, der sie gestern Abend vom Flughafen ins Hotel gefahren hatte. Es war eine Familie aus Deutschland mit einem Kind und ein Ehepaar aus der Schweiz.

Nun konnte es losgehen. Raphael machte es kurz und wollte es nicht unnötig in die Länge ziehen und erläuterte, wo die neu angereisten Gäste welchen Bereich in der Anlage finden konnten.

Dann ging er über zu den Ausflügen, die man bei ihm im Büro buchen konnte und warnte vor Touren auf eigene Faust, da diese zu gefährlich waren.

Es gab ein paar Warnhinweise für Alleinreisende und dann eine kleine Fragerunde. Raphael arbeitete schon viele Jahre hier im Hotel und ernährte so seine Familie. Er baute gerade ein kleines Haus für seine Frau, sich und die drei Kinder. Die Oma sollte auch mit einziehen, denn mehr Familie hatten sie nicht.

Er fragte nach und nach, was alle so beruflich machten. Das Schweizer Ehepaar war schon Rentner, die Familie aus Deutschland waren Beamte und dann fragte er Sophia.

»Ich arbeite in einem Reisebüro in Venedig und verkaufe Menschen die schönsten Wochen des Jahres«, sagte sie lächelnd und freute sich hier zu sein.

»Das ist großartig. Hast du schon den Zettel an meinem Büro gelesen? Ich kann Verstärkung gebrauchen. Es gibt viel zu tun. Vielleicht möchtest du nach den vier Wochen, die du hier bist, gar nicht wieder weg. Du kannst es dir überlegen, Sophia.«

Sophia lächelte verlegen und sagte: »Hm … wenn ich ehrlich bin, ich habe den Zettel schon gesehen und einen Moment mit dem Gedanken gespielt, aber …«

»Du musst jetzt nichts sagen. Genieße die Zeit und sag mir einfach Bescheid, bevor du abreist. Wenn du Fragen hast, du erreichst mich hier fast immer«, sagte Raphael und strahlte.

Sophia wollte noch etwas zu dem angebotenen Schnuppertauchkurs wissen und ließ sich ein paar Dinge zur medizinischen Versorgung erklären, falls man sie brauchte.

Dann buchte sie für den übernächsten Tag einen Ausflug zum Wasserfall Salto El Limon.

»Ich gebe dir nachher noch einen Zettel, Sophia. Du findest die Daten aber auch in dem Ordner, der hier ausliegt«, sagte Raphael.

»Ach so, dann gucke ich da mal nach. Dann brauchst du es nicht extra aufzuschreiben«


Nach dem Begrüßungscocktail sollte der erste Tag ihres Aufenthaltes ein Tag am Strand werden. Auf ihrem Weg zum Zimmer kam sie an der Hotelbar vorbei.

Hier musste sie einfach anhalten. Sie trank einen Mojito, ging dann kurz aufs Zimmer und zog ihren Bikini an. Ihr Weg führte sie zum Strand.

Sie zog ihre Liege bis runter zum Wasser und breitete ihr Handtuch darauf aus.


Nach einer Weile gesellten sich noch andere Gäste an den Strand. Dennoch blieb viel Platz und man hatte das Gefühl, man war fast alleine.

Sophia las ein Buch, genoss die Sonne und die leichte Brise auf ihrer Haut genauso wie das Rauschen des Meeres und die leise Musik.


Am frühen Nachmittag ging sie zur Tauchschule an den Strand.

»Hi, ich bin Sophia. Ich möchte mich gerne anmelden zum Schnuppertauchen.«

»Ja gerne, hi, ich bin Rosalie. Wir machen das immer zweimal in der Woche für eine gute Stunde und wenn du Spaß daran hast, kannst du am Nachmittag mit ins Meer, allerdings nur in Begleitung und auch noch nicht so tief. Danach kannst du dich entscheiden, ob du vielleicht deinen Tauchschein bei uns machen möchtest.«

Rosalie wartete einen Moment und fragte: »Für welchen Schnupperkurs darf ich dich denn eintragen?«

»Gleich für morgen. Wow, so schnell kann man schon ins Meer?«, fragte Sophia erstaunt.

»Ja, das ist kein Problem. Der Tauchkurs dauert vier Tage, davon ist vormittags Theorie und nachmittags fahren wir raus und tauchen«, erwiderte Rosalie.

»Die Schnupperstunde morgen ist aber im Pool oder?«, fragte Sophia neugierig. »Kommen da noch andere Leute? Wie viele können denn an dem Schnupperkurs teilnehmen?«, wollte Sophia wissen.

»Also wir nehmen im Schnitt maximal sechs Leute, damit wir uns auch ausgiebig um sie kümmern können. Das ist genug. Wir sind zu dritt – Tom, Antonio und ich«, sagte Rosalie.

»Okay, dann bis morgen. Ich freue mich«, sagte Sophia.

»Hasta mañana, Sophia«, rief Rosalie.


Sophia ging zufrieden zu ihrer Liege und legte sich in die Sonne. Sie kam mit einigen anderen Gästen ins Gespräch und man trank an der Strandbar ein paar Cocktails zusammen.

»Wir haben uns die ganze Zeit schon gefragt, was Sie hier alleine machen. Ist das nicht gefährlich?«, wollte die Schweizerin wissen.

»Nein, bis jetzt habe ich noch nichts Gefährliches gesehen. Ich bin zwar alleine, aber es sind doch genügend andere Gäste und Touristen da«, erwiderte Sophia.

»Mein Mann und ich gehen abends nicht mehr alleine am Strand hinüber in den Ort. Da gab es schon mehrere Überfälle«, sagte sie.

»Na ja, zu Hause geht man auch nicht alleine durch dicht bewachsene, unübersichtliche, dunkle Ecken«, sagte Sophia.

Sie langweilte sich mit dem Schweizer Ehepaar, wollte aber nicht unhöflich sein und trank mit den beiden noch einen Fruchtcocktail.


Dann sah sie am Ende der Bucht, wie sich das Boot mit den Tauchern dem Strand näherte. Sie kamen zurück von ihrem Tauchgang. Sicherlich hatte Miguel interessantere Dinge zu erzählen und machte ihr nicht noch zusätzlich ein mulmiges Gefühl.

»Oh, sehen Sie mal. Die Taucher kommen von ihrem Ausflug zurück«, und zeigte in Richtung des Bootes.

»Das ist auch so ein riskantes Hobby«, sagte die Schweizerin.

»Aber es macht bestimmt Spaß und man sieht so viele tolle Sachen unter Wasser«, erwiderte Sophia.

»Ach, ich weiß nicht«, sagte die Schweizerin.

»Hör doch mal auf mit deiner übertriebenen Vorsicht. Du verdirbst ihr noch die ganze Freude am Urlaub«, sagte der Schweizer.

Sophia lächelte verlegen.

»Ist schon gut. Ich meine es bloß gut. Wo heute doch so viel passiert«, sagte die Schweizerin schmollend.

»Nehmen Sie es meiner Frau nicht übel. Sie ist schon viele Jahre so übervorsichtig«, sagte er zu Sophia.

»Schon okay«, sagte sie, lächelte und hoffte, sie könnte sich bald aus dem Staub machen.

»Ich weiß Ella, aber nun ist es gut. Es lauert nicht hinter jedem Stein Gefahr«, sagte er zu seiner Frau.

»Ich will nicht unhöflich sein, aber ich möchte mich noch ein wenig sonnen. Bis später«, sagte Sophia und wollte wieder zum Strand gehen.

»Passen Sie gut auf, gerade in den ersten Tagen unterschätzt man die Sonne«, rief Ella ihr nach.

»Ella!«, sagte ihr Mann nun ermahnend.

Sie guckte nur verdutzt und war still. Sophia musste lachen. So etwas wollte Sophia nicht, dass ständig jemand aufpasste, was sie sagte. Eigentlich war es gar nicht so schlecht, eine Zeit alleine zu sein und sich auf sich zu besinnen.

Manchmal, wenn sie sich so in Ruhe alles durch den Kopf gehen ließ, kamen die Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit mit Alessandro hoch. Aber hatte sie ihn wirklich so sehr geliebt?

Sie hatte zwar sehr unter der Trennung gelitten und war traurig, aber am meisten war sie enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er sie so eiskalt hintergangen hatte.

Wenn sie zurück dachte, wie sehr es sie damals getroffen hatte, als Stefano einfach nicht mehr da war, das war ganz anders gewesen. Sie hatte gedacht sie müsste sterben. Ihre Eingeweide fingen förmlich an zu brennen, so als zerriss es ihr das Herz und sämtliche anderen umliegenden Organe – ein ganz furchtbar beklemmendes Gefühl.

Manchmal fragte sie sich, wie alles gekommen wäre, wäre er noch da. Wären sie heute noch zusammen? Komisch, in den letzten Tagen musste sie wieder verstärkt an ihn denken. Hatte sie das doch stets verdrängt in der Vergangenheit, so war es jetzt umso präsenter.

Vielleicht, um die Trennung von Alessandro besser zu verkraften. Das alles brachte sie ganz schön durcheinander. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Hier hätte es Alessandro sicherlich auch gefallen.

Nun war sie ganz alleine hier und hatte sich endlich diesen Traum erfüllt. Sie konnte es immer noch nicht glauben.

Damals, als Stefano so Hals über Kopf aufgebrochen war, hatte sie noch eine Weile versucht, ihn zu finden, aber es war hoffnungslos gewesen. Was sie auch unternahm, verlief im Sande. Auch ihre Familie hatte keinen Erfolg gehabt.

Seine Eltern waren damals bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er war bei seinen Großeltern aufgewachsen, die aber auch nicht mehr am Leben waren. Ihre Familie hatte damals mit seinen Großeltern gesprochen, aber sie konnten es sich auch nicht erklären, wo er so Hals über Kopf hin verschwunden war. Sie hatten nichts von ihm gehört.

Was war aus ihm geworden? Ging es ihm gut? Wo war er damals hingegangen? Warum hatte er Sophia nichts gesagt und sie einfach so zurückgelassen?

Warum musste er so schnell fort? Hatte er jetzt Familie? Lebte er überhaupt noch?

Alles Fragen, die Sophia in den letzten Tagen beschäftigten und auf die sie immer noch keine Antwort wusste.

Vielleicht war es ein Zeichen und sie sollte noch einmal nach ihm suchen, wenn sie wieder zurück in Venedig war.

Wer weiß, vielleicht machte sie das. Oder sie ließ die alten Geschichten einfach ruhen. Sie wusste es nicht. Jetzt genoss sie erst mal ihren Urlaub. Wie schön es hier war.

Sie hatte ihn damals lange gesucht und ihn nicht gefunden. Manchmal dachte sie, sie hatte innerlich nie aufgehört nach ihm zu suchen. Sie hatte es nur verdrängt, weil es einfach viel zu weh tat und jetzt, wo sie ein bisschen zur Ruhe kam, kam alles wieder hoch. Irgendwie kam es ihr vor wie ein Déjà-vu was ihr da passierte.

Diese Erkenntnis erschrak sie.

Sie grübelte.

Was war dann Alessandro für mich? Ich habe ihn doch geliebt. Oder was waren das für Gefühle? Aber kann man jemanden genauso sehr lieben, wenn man schon einmal so sehr verletzt worden ist? Oder hat man eine Art Schutzmechanismus, der sich automatisch davorschaltet, wie ein Schutzschild? Vielleicht habe ich den Schmerz nur irgendwann ausgeblendet, weil die Vernunft und der Verstand, dass ich ihn nie wiedersehen werde, irgendwann über die Gefühle gesiegt haben.

Ich bin so durcheinander, so aufgewühlt. Da ist es gar nicht schlecht, dass ich jetzt hier bin und mal etwas anderes sehe.


»Du guckst ja trübsinnig. Alles in Ordnung?«, fragte Miguel, der inzwischen vom Tauchen zurückgekehrt war.

Er hatte gerade sein Tauchequipment gereinigt und zum Trocknen aufgehängt, als er Sophia am Strand liegen sah.

»Hallo Miguel, du bist schon zurück. Erzähl, wo seid ihr gewesen? Wie war es?«, fragte Sophia aufgeregt und neugierig.

»Wir sind hinausgefahren zu den Korallenbänken im Coral Garden und dann waren wir noch in Playita. Da waren große Barrakudas und Suppenschildkröten zu sehen«, sagte Miguel begeistert.

»Wow, wie tief unten seid ihr denn gewesen?«, wollte Sophia interessiert wissen.

»Am Coral Garden waren es so um die fünfzehn Meter und später in Playita waren wir knapp auf zwanzig Meter Tiefe. Es gab soviel zu sehen. Schade, dass du nicht dabei warst. Riesige Korallenbänke und Papageienfische, Barrakudas und viele andere kleine Fische, bei denen ich erst in meinem Buch nachschauen muss, was das für welche waren. Ich habe auch ein paar Fotos gemacht. Wenn du Lust hast, können wir uns die nachher anschauen«, sagte Miguel begeistert.

»Ja gerne. Das klingt alles so aufregend. Ich bin ganz gespannt auf meinen Schnuppertauchkurs morgen«, sagte Sophia.

»Das wird dir gefallen«, sagte Miguel.

»Ich glaube auch. Ich kann kaum noch erwarten«, lachte sie.

»Ich gehe mich umziehen. Wollen wir um drei in den Ort laufen? Hast du Lust?«, wollte Miguel wissen.

»Ja gerne. Da komme ich mit. Das ist eine schöne Idee. Dann bis nachher. Wo treffen wir uns?«, fragte Sophia.

»Um drei an der Rezeption. Ich freue mich, bis dann«, sagte Miguel und verschwand.

Eine Weile genoss sie noch die Sonne, das Wasser und den Wind auf ihrer Haut.


Nachdem sie noch ein bisschen im Meer geschwommen war, ging sie eine Kleinigkeit essen. Hier traf sie ein paar andere Touristen und sie ließ die Eindrücke des Tages noch einmal Revue passieren. Hätte sie doch vor lauter Aufregung fast vergessen, sich im Restaurant noch eine Kleinigkeit zu essen zu organisieren.

Sophia war glücklich und so gespannt auf das Tauchen und den Spaziergang in den Ort.

Die Zeit verging wie im Fluge und die lockere Unterhaltung mit den anderen Touristen vertrieb ihr die eventuell aufkommende Grübelei.

Nach einer Weile verabschiedete sie sich und schlenderte noch einmal durch die Lobby, um sich den Ordner mit den Ausflugstipps anzusehen. Sie blätterte darin herum, konnte sich aber nicht für die eine oder andere Sache entscheiden.

Sie überlegte.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte. Bald war sie mit Miguel verabredet und sie musste sich noch umziehen und ein paar Sachen dafür zusammensuchen und einpacken.

Sie brach auf.

Ihr Weg führte sie vorbei an der Poolbar, wo sie sich noch einen kühlen Cuba Libre machen ließ. Sie setzte sich noch ein paar Minuten und unterhielt sich mit dem Barkeeper.

Wenige Minuten später war sie in ihrem Zimmer und machte sich zurecht für den Ausflug in den Ort. Sie freute sich darauf und war schon ganz gespannt.

Macht der tiefen Gefühle - Auf der Suche nach dir Gesamtsausgabe Band 1 - 3

Подняться наверх