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DAS HERZ IST DAS THEMA

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Im September 2006 fand unter der Überschrift „Das Herz des Themas“ ein Meeting statt, das sich mit dem Wohl der Tiere beschäftigte. Es ist schön, Wissenschaftler zu erleben, die das Wort Herz benutzen, denn das Herz ist tatsächlich das Thema.

Ich befasse mich mit den Emotionen von Tieren und liebe, was ich tue. Im Verlauf meiner Karriere studierte ich eine Vielzahl von Tieren – Kojoten, Wölfe, Hunde, Adelie-Pinguine, Schützenfische, Abendkernbeißer und Diademhäher – und bin dabei einer Vielzahl von Fragen nachgegangen. Fragen über Sozialverhalten, Sozialordnung und soziale Entwicklung bis hin zu Kommunikation, Spiel, nichträuberisches Verhalten, Aggression, elterliches Verhalten und Moral. Ich kann die Beweise für Emotionen bei Tieren unmöglich leugnen und diese werden auf breiter Front durch unser derzeitiges Wissen in den Bereichen Verhalten, Neurobiologie und Evolutionsbiologie bei Tieren gestützt.

Tatsächlich ist das Studium der tierischen Emotionen ein dynamisches und sich rasch entwickelndes Feld der Wissenschaft und es besteht großes Interesse an diesem Thema, sowohl von Seiten der Wissenschaftler als auch bei „normalen“ Menschen. Im März 2005 trafen sich in London rund 600 Menschen aus 50 Nationen zu einem Grundlagen-Meeting, finanziert von Compassion in World Farming Trust, um mehr über das Empfindungsvermögen, Bewusstsein und Gefühlsleben von Tieren zu erfahren. Im Oktober 2006 organisierte die World Society for the Protection of Animals eine Konferenz in Rio de Janeiro, um zu diskutieren, wie das Wohl der Tiere auf Farmen und in Forschungslabors verbessert werden kann. Die Organisatoren erwarteten etwa 200 Menschen, doch es kamen rund doppelt so viele, vornehmlich aus Brasilien und den umliegenden Ländern. Die positive Reaktion auf diese Meetings in London und Rio zeigt, dass nun tatsächlich die Zeit für uns gekommen ist, das Gefühlsleben von Tieren anzuerkennen und aus dieser Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen.

Geschichten über die Emotionen der Tiere und unsere komplexen Beziehungen zu ihnen erscheinen in wachsender Zahl in der Presse, angefangen von prestigeträchtigen wissenschaftlichen Magazinen wie Science, Nature, Trends in Ecology and Evolution und Proceedings of the National Academy of Science bis hin zu New York Times, Psychology Today, Scientific American, Time, The Economist und sogar Reader’s Digest. Das Gefühlsleben der Tiere war auch Thema eines überraschenden Film-Kassenschlagers: Der Marsch der Pinguine. Der im Sommer 2005 erstmals veröffentlichte Dokumentarfilm beschreibt in eindringlichen Bildern die Gefühle von Pinguinen und zeigt, wie sie leiden und auch wie sie bei der Versorgung ihrer Eier und ihrer Jungen extremsten Herausforderungen trotzen.

Doch trotz zunehmender wissenschaftlicher Beweise und einer breiten öffentlichen Überzeugung bleibt eine kleine Minderheit innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft skeptisch. Einige bezweifeln noch immer, dass tierische Emotionen überhaupt existieren, und viele, die glauben, dass sie existieren, neigen zu der Ansicht, tierische Emotionen müssten unbedeutender sein als menschliche. Dies scheint mir eine überholte und sogar unverantwortliche Sichtweise und mein Hauptziel in diesem Kapitel – und tatsächlich im ganzen Buch – ist es, zu zeigen, dass tierische Emotionen existieren, dass sie für die Menschen wichtig sind und dass dieses Wissen unser Verhalten gegenüber unseren tierischen Freunden beeinflussen sollte.

Bei der Erörterung tierischer Emotionen beziehe ich mich in der Hauptsache auf Datenmaterial zum Verhalten und anekdotische Berichte, um zu zeigen, wie eine Kombination aus gesundem Menschenverstand und wissenschaftlichen Daten – was ich als „wissenschaftlichen Verstand“ bezeichne – starke Argumente für die Existenz tierischer Leidenschaften liefert. Einzelne Geschichten bilden also die Basis für meine Erörterung, ich bringe jedoch auch wissenschaftliche Studien mit ein, da sie zur Untermauerung meiner Thesen notwendig sind.

Sobald wir uns jedoch darüber einig sind, dass Emotionen bei Tieren existieren und dass sie von Bedeutung sind – wovon sehr viele Menschen bereits überzeugt sind – was dann? Dann müssen wir uns über Ethik Gedanken machen. Wir müssen unsere Handlungen betrachten und überlegen, ob sie mit unserem Wissen und unserer Überzeugung übereinstimmen. Ich bin der festen Ansicht, dass Ethik die Wissenschaft durchdringen sollte. Wir sollten immer darum bemüht sein, Wissen, Handlung und Mitgefühl miteinander zu verbinden. Dies ist tatsächlich das Herz des Themas.

Das Gefühlsleben der Tiere

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