Читать книгу Das Gefühlsleben der Tiere - Marc Bekoff - Страница 15

HUNDE SIND GLÜCKLICH, NICHT „GLÜCKLICH“ Der Grund, weshalb ein Hund so viele Freunde hat, ist der, dass er mit dem Schwanz wedelt statt mit der Zunge. – Verfasser unbekannt –

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Wir hatten es alle gesehen. Maddy und Mickey, zwei Hunde von Freunden, haben regelmäßige Spielstunden bei mir zu Hause, wenn ihre menschlichen Gefährten unterwegs sind. Bei der Ankunft springen sie wild im Spiel umher, hecheln und bellen, und ihre wedelnden Ruten scheinen sie vorwärts zu treiben. Sie versuchen, mit jedem Anwesenden zu spielen, wirbeln im Kreis herum im Versuch, ihre eigenen Ruten zu fangen, sie „laufen amok“ und rennen dabei alles und jeden in ihrem Weg über den Haufen. Sie stoppen lediglich einmal, um den anderen damit zu foppen, nur um sogleich wieder weiterzuspielen. Es ist überhaupt keine Frage: Diese Hunde haben Spaß!

Für die meisten Menschen reicht eine halbe Stunde zusammen mit einem Hund als Beweis dafür, dass Tiere Emotionen haben, völlig aus, da Hunde ihre Gefühle nicht verstecken. Der Ethologe und Nobelpreisträger Konrad Lorenz lieferte uns ein sehr einfaches und weit verbreitetes Beispiel, als er bemerkte, wie offensichtlich emotional Hunde sind, wenn sie erwarten, gleich Gassi gehen zu dürfen. Lorenz schrieb in So kam der Mensch auf den Hund: „Der Hundebesitzer sagt ohne besondere Betonung und ohne den Namen des Hundes zu nennen, ‚Ich weiß nicht, ob ich ihn mitnehmen soll oder nicht.’ Sofort steht der Hund auf der Matte, wedelt mit der Rute und tanzt vor Aufregung herum… Sollte sein Herrchen sagen ‚Ich glaube, ich gehe doch nicht mit ihm’, werden die erwartungsvoll aufgestellten Ohren traurig herabsinken… Und bei der endgültigen Ankündigung: ‚Ich werde ihn zu Hause lassen’, wendet sich der Hund niedergeschlagen ab und legt sich wieder hin.“ [5]

Glücklicherweise ist nun im Wesentlichen Schluss mit der wegwerfenden, skeptischen Behauptung, Tiere würden nur so handeln, „als ob“ sie Freude, Trauer, Ärger oder Schmerz fühlen würden. Ich kenne keinen praktizierenden Forscher, der seinen tierischen Gefährten zu Hause oder auf Cocktailpartys keine Gefühle zuschreibt – der nicht reichlich vermenschlicht – unabhängig davon, was er bei seiner Arbeit tut. (Dieses Vermenschlichen ist, nebenbei gesagt, nichts, wofür man sich schämen müsste; wie Alexandra Horowitz und ich argumentieren und wie ich im Kapitel 5 zeige, tun diese Wissenschaftler damit lediglich etwas ganz Natürliches [6]. Das Anthropomorphisieren ist eine Wahrnehmungsstrategie, die sich entwickelt hat; die natürliche Selektion hat uns in einer Weise geformt, dass wir Tiere so sehen.) In der Tat haben verhaltens- und neurobiologische Studien durchweg gezeigt, dass Tiere die Primäremotionen mit uns teilen, diese instinktiven Reaktionen auf die Welt, die wir Angst, Ärger, Überraschung, Traurigkeit, Ekel und Freude nennen. Heute wird dieser Umstand im Großen und Ganzen als Tatsache akzeptiert.

Wissenschaftler sind sich heute über die allgemeine Verbreitung primärer Emotionen einig, basierend auf Studien, die belegen, dass Menschen und Tiere ähnliche chemische und neurobiologische Systeme aufweisen. Zum Beispiel werden Tiere häufig dazu benutzt, um Medikamente für Menschen mit psychischen Störungen zu entwickeln und zu testen [7]. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass Mäuse gute Beispiele in Sachen Traurigkeit und Introvertiertheit sein können. Wenn Mäuse schikaniert oder dauerhaft von anderen Mäusen dominiert werden, ziehen sie sich in sich zurück. Diese depressiven Mäuse sprechen auf Medikamente für Menschen, wie zum Beispiel Prozac, an. In einem anderen Beispiel können suizidal veranlagte Ratten – oder Ratten mit Toxoplasmose, die eine suizidale Hinwendung zu Katzen entwickelt haben – erfolgreich mit Psychopharmaka behandelt werden. Nach der Gabe von Haloperidol, das bei Schizophrenie eingesetzt wird, verringert sich ihre Zuneigung zu Katzen drastisch. Der Veterinärmediziner Nicholas Dodman schlägt vor, ähnliche Medikamente in Verbindung mit Verhaltenstraining bei problematischen Hunden und Katzen zum Einsatz zu bringen. Wenn Tiere wie Menschen auf diese Medikamente reagieren, dann ist es äußerst wahrscheinlich, dass eine ähnliche neurale Basis existiert und ihre Gefühle daher wahrscheinlich ebenfalls sehr ähnlich sind.

Zahlreiche Berichte und auch wissenschaftliche Daten weisen darauf hin, dass Tiere zudem über einen Reichtum an sekundären Emotionen verfügen. Viele Menschen wissen das bereits einfach durch die tägliche Beobachtung ihrer Haustiere. Die Wissenschaft benötigte länger, um dieses „Allgemeinwissen“ zu akzeptieren, doch das war wohl zu erwarten; denn eine wichtige Funktion der Wissenschaft ist es, direkte, subjektive Erfahrungen „objektiv“ zu werten.

Die sekundäre Emotion der Empathie oder des Mitgefühls bei Tieren festzustellen ist wichtig, denn sie weist auf selbstlose Fürsorge für andere hin. Erinnern Sie sich an Babyl und ihre fürsorglichen Freunde. Während meines Aufenthalts in Homer, Alaska, las ich eine ähnliche Geschichte über zwei Grizzlybären-Jungen, die fest zusammenhielten, nachdem sie zu Waisen geworden waren, weil ihre Mutter in der Nähe des Russian River erschossen worden war. Das weibliche Jungtier blieb bei seinem verwundeten Bruder, obwohl dieser humpelte, nur sehr langsam schwamm und Hilfe bei der Futtersuche benötigte. Ein Beobachter notierte: „Sie kam mit einem Fisch aus dem Wasser, schleppte ihn zurück und ließ den anderen fressen [8].“ Das junge Weibchen sorgte offensichtlich für den Bruder und ihre Unterstützung war für sein Überleben entscheidend.

Es gibt außerdem einen Bericht über eine Gruppe von ungefähr Hundert Rhesusaffen in Tezpur, Indien, die den Verkehr zum Erliegen brachten, nachdem ein Affenbaby von einem Auto angefahren worden war [9]. Die Affen bildeten einen Kreis um das verletzte Baby, dessen Hinterbeine gebrochen waren und das auf der Straße lag und sich nicht bewegen konnte. Sie blockierten den gesamten Verkehr. Ein Regierungsbeamter berichtete, dass die Affen wütend waren und ein Ladenbesitzer sagte: „Es war sehr emotional… Einige von ihnen massierten seine Beine [10]. Schließlich verließen sie den Ort und trugen das verletzte Baby mit sich [11].“

In einer klassischen Studie nimmt ein hungriger Rhesusaffe kein Futter, wenn das für einen anderen Affen bedeutet, dass er dann einen Stromstoß erhalten würde. Es existiert noch eine jüngere wissenschaftliche Studie zur Empathie bei Mäusen. In dieser Studie wird einem oder beiden Mitgliedern eines Paares erwachsener Mäuse Essigsäure injiziert, wodurch sie sich vor Schmerzen winden. Auf diese Weise können die Forscher beobachten, ob diese Nagetiere die Fähigkeit besitzen, Mitgefühl für andere zu haben, die Schmerzen leiden, oder nicht. Die Forscher entdeckten, dass Mäuse, die ihre Partner unter Schmerzen leiden sehen, selbst sehr empfindlich sind und dass eine Maus mit Schmerzen sich mehr windet, wenn ihr Partner ebenfalls unter Schmerzen leidet. Die Mäuse nutzten visuelle Hinweise, um die empathische Reaktion zu entwickeln, obwohl sie bei vielen ihrer sozialen Begegnungen gewöhnlich den Geruchssinn nutzen. Wie wir also an den Geschichten zu Beginn dieses Kapitels sehen, verfügen Tiere (auch Mäuse) über Empathie. Zudem ist bekannt, dass die empathische Reaktion bei Mäusen durch dieselben Hirnmechanismen wie beim Menschen herbeigeführt wird.

Natürlich ist diese Studie verstörend. Mussten die Forscher solche Schmerzen verursachen, um zu ihren Schlüssen zu kommen? Mäuse (und Ratten) sind derzeit nicht durch die Tierschutzverordnung geschützt, doch vielleicht führen diese und andere Ergebnisse dazu, dass ihr Status dem von Hunden, Katzen und nichtmenschlichen Primaten angeglichen wird, wenn es um invasive Experimente an Tieren geht. Wie wir in Kapitel 6 sehen werden, ist die Tierschutzverordnung weit davon entfernt, einen angemessenen Schutz zu bieten, doch das wäre immerhin ein Anfang.

Nachdem diese Studie zur Empathie erschienen war, erhielt ich zahlreiche Berichte über Empathie bei einer Vielzahl von Tieren, darunter auch Nagetiere [12]. Menschen, die mit Tieren leben, waren von den Ergebnissen nicht überrascht. CeAnn Lambert, die das Indiana Coyote Rescue Center leitet, erzählte mir, dass sie eines heißen Sommermorgens zwei Mäusebabys in einem tiefen Waschbecken in ihrer Garage entdeckte. Sie versuchten, aus dem Waschbecken zu klettern, kamen aber nicht an den steilen, glatten Seiten hinauf. Eines der Mäusebabys schien weniger erschöpft als das andere. CeAnn ließ etwas Wasser in einen Deckel laufen und stellte ihn in das Waschbecken und sofort lief das fittere Jungtier hin, um zu trinken. Auf dem Weg zum Wasser fand die Maus ein Stück Futter, nahm es auf und brachte es zu seinem Wurfgeschwisterchen. Die geschwächte Maus versuchte, ein Stück von dem Futter abzubeißen, während die andere es langsam weiter in Richtung des Wassers bewegte. Schließlich konnte auch die schwächere Maus etwas trinken. Beide erholten sich und kletterten über ein Brett hinaus, das CeAnn in das Waschbecken gestellt hatte.

Es gibt noch viele Beispiele mehr, doch der Punkt ist: Selbst wenn tierische Emotionen nicht genau mit unseren eigenen oder mit denen anderer Spezies übereinstimmen, bedeutet das nicht, dass Tiere nicht fühlen. Tatsächlich sind tierische Emotionen, wie die letzten Berichte zeigen, nicht auf „instinktive Reaktionen“ beschränkt, sondern sind mit etwas, was als guter Teil bewussten Denkens erscheint, verbunden.

Das Gefühlsleben der Tiere

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