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WAS WIR MIT UNSEREM WISSEN ANFANGEN

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Als Wissenschaftler werde ich für meine ausgeprägte Einstellung für die Tiere oft kritisiert, es wird mir vorgeworfen, nicht wissenschaftlich vorzugehen. Ich bin nicht gegen die Wissenschaft. Es liegt in der besten Tradition der Wissenschaft, Fragen im Hinblick auf die Ethik zu stellen. Es ist nicht nichtwissenschaftlich zu fragen, was wir tun, wenn wir mit anderen Tieren interagieren. Ethik kann unseren Blick auf andere Tiere bereichern, wie sie in ihrer Welt sind und wie wir sie im Zusammenhang mit unserer Welt sehen. Sie hilft uns zu erkennen, dass ihre Leben es wert sind, ihnen Respekt, Bewunderung und Wertschätzung entgegenzubringen. Es geht allerdings nicht unbedingt um Respekt, Bewunderung und Wertschätzung, wenn viele Menschen die Gesellschaft von Walen, Delfinen, Eisbären und Vögeln suchen. Wir brauchen Tiere in unserem Leben genauso, wie wir die Luft zum Atmen brauchen. Wir leben in einer kranken Welt, in der viele von uns von den Tieren und der Natur entfremdet sind. Tiere sind unsere vollkommenen Gefährten, die uns Tag für Tag helfen. Ohne enge, gegenseitige Beziehungen mit anderen tierischen Wesen sind wir von der reichen, vielfältigen und großartigen Welt, in der wir leben, entfremdet. Deshalb suchen wir bei Tieren emotionale Unterstützung. Unsere altsteinzeitlichen Gehirne ziehen uns zu dem zurück, was natürlich, doch in unserer schnelllebigen Welt verloren gegangen ist: Zu den engen Beziehungen mit anderen Lebewesen, die uns dabei helfen herauszufinden, wer wir im großen Plan der Dinge sind. Tiere trösten uns und bringen uns mit dem in Berührung, was wirklich von Bedeutung ist – mit anderen empfindungsfähigen Wesen. Ein empfindungsfähiges Tier ist eines, für das Gefühle von Bedeutung sind, wie mein Kollege John Webster es ausdrückt.

Wenn wir lernen können, konsequent mit dieser Perspektive zu leben, würden sich sehr viele Dinge, in denen Tiere von der menschlichen Gesellschaft benutzt und missbraucht werden, zum Besseren wenden. Tatsächlich schulden wir es den Tieren, ihnen wie, wann und wo auch immer zu helfen. Anfangen können wir damit, dass wir unser eigenes Leben unter die Lupe nehmen und die besten und ethischsten Entscheidungen treffen. Unterstützen wir mit den Kleidern, die wir tragen, und der Nahrung, die wir zu uns nehmen, humane Industrien und Praktiken? Wenn wir Menschen sehen, von denen wir wissen, dass sie schädliche Entscheidungen treffen, können wir dabei helfen, sie zu warnen oder sie zu lehren, sich zu verändern? Gibt es Möglichkeiten, uns selbst besser zu schulen und strengere Tierschutzgesetze zu verfolgen? Tag für Tag wird weltweit viel zu vielen Tieren Schaden zugefügt. Wenn wir Herzen und Verstand und besonders aber gängige Praktiken ändern können, werden wir Fortschritte machen und es besteht Hoffnung.

In meinem eigenen Forschungsbereich ist mir bewusst, dass solide Wissenschaft mit Ethik und Anteilnahme ohne weiteres vereinbar ist. Es ist nichts falsch an mitfühlender oder gefühlvoller Wissenschaft – und auch nicht an mitfühlenden und gefühlvollen Wissenschaftlern. Untersuchungen in den Bereichen des tierischen Denkens, der Emotionen und des Ich-Bewusstseins sowie im Bereich Verhaltensökologie und Schutz der biologischen Vielfalt können sowohl mit Anteilnahme als auch wissenschaftlich gründlich durchgeführt werden. Die Wissenschaft und die Behandlung von Tieren nach ethischen Grundsätzen schließen einander nicht aus. Mit offenem Denken und einem großen Herzen können wir solide wissenschaftliche Arbeit leisten.

Ich ermutige jeden dazu, seinem Herzen mit Liebe zu folgen, nicht mit Angst. Wenn wir uns alle auf diesen Weg begeben, wird die Welt für alle Lebewesen ein besserer Ort sein. Wenn wir uns von unseren Herzen führen lassen, werden freundlichere und humanere Entscheidungen getroffen werden. Mitgefühl erzeugt Mitgefühl und die Fürsorge und Liebe für Tiere weitet sich auf Mitgefühl und Fürsorge für Menschen aus. Es ist sehr wichtig, den Schutzschirm des Mitgefühls freigebig und ohne Grenzen zu teilen.

Das Gefühlsleben der Tiere

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