Читать книгу Steine im Bauch - Marc Vogel - Страница 13

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KAPITEL 4

ALLES HALB SO WILD

Mein Dickdarm war entzündet.

Was das für mich und meinen Fall bedeutete, war mir bei der Diagnose nicht klar. Die Diagnose ist meist vor der Erkenntnis. Zumindest für den Patienten. Und in meinem Fall verlief dieser erste Colitis-ulcerosa-Schub vergleichsweise leicht. Es fühlte sich an, wie einen Monat lang Magen-Darm-Grippe zu haben. Das konnte ich aushalten.

Mir wurde eine Broschüre zum Krankheitsverlauf und zur Medikation mitgegeben, dann durfte ich gehen. Zu Hause kramte ich diese Broschüre aus der Tasche und blätterte etwas darin. Ich wollte mich noch immer nicht wirklich damit anfreunden. Ein glücklich lächelnder Mensch auf einem Fahrrad strahlte mir darauf in warmen Farben entgegen. Wir schaffen das! »Sie haben jetzt Colitis ulcerosa, aber das Leben bleibt lebenswert«, stand da in großen Lettern. Ich war irritiert, wieso sollte mein Leben auch nicht mehr lebenswert sein? Irgendwie wurde ich nicht schlau aus dieser Krankheit.

Natürlich habe ich Doktor Google befragt. Doktor Google macht bekanntlich aus einer Erkältung gleich einen Lungenkrebs, daher sah ich doch einen beruhigenden Konsens. Ich musste wohl einen leichten Schub haben, und der würde mich nicht sehr beeinträchtigen.

Nun konnte ziemlich schnell mit der Therapie begonnen werden. Das bedeutete für mich konkret Cortison zur Linderung der Beschwerden und möglichst schnell ein Biologika wie Infliximab verabreicht zu bekommen. Immer her damit.

Ich bekam die Infusion – und innerhalb von ein, zwei Wochen war ich vollkommen beschwerdefrei. Puh, noch einmal Glück gehabt. Es war scheinbar kein schwerer Verlauf, dachte ich, und hatte die Erkrankung schon wieder aus dem Kopf. Ich konnte mein Leben wieder normal aufnehmen.

REISS DICH ZUSAMMEN

Man muss sich das so vorstellen: Vor der Diagnose war ich ungefähr einen Monat lang krank, mit Bauchschmerzen und Durchfall. Dann ging ich zur Ärztin, man klärte es ab, es ist Colitis ulcerosa, ich bekam Cortison, bald Infliximab, und dann nach kurzer Zeit ging es mir wieder gut. Wo war das Problem? Schwer und chronisch? Besonders, weil die Infliximab-Infusion innerhalb weniger Tage anschlug, verstand ich die wahren Auswüchse der Krankheit nicht wirklich.

Natürlich informierte ich mich und sprach mit meinen Ärzten, aber es fühlte sich einfach nicht so schlimm an. Ich konnte zwar lesen, dass es verschiedene Verläufe der Krankheit geben soll: leichte, mittlere, schwere. Aber ich dachte: »Dann habe ich wohl Glück und den leichten Verlauf erwischt.« Mein Leben schien aufjeden Fall lebenswert.

Es würde dieses Buch nicht geben, wenn die Geschichte hier zu Ende wäre. Ob mein Leben noch lebenswert ist, das fragte ich mich rund zwei Jahre später öfter, während ich weinend und blutend auf der Toilette saß.

Nachdem die Infusion sofort anschlug, gab es keinen Grund, etwas an meinem Leben zu ändern. Ich war in Remission, beschwerdefrei.

Ich begann also wieder, mein normales Leben zu führen. Das hieß in meinem Fall: Gleich energetisch, gleich viel Stress, immer noch Party machen, Alkohol trinken. Ein sehr wildes Leben eben. Ich ließ mich nicht einschränken.

Die Leute um mich herum hoben zwar hin und wieder den mahnenden Zeigefinger à la: »Uh, bist du sicher, dass du das mit deiner Krankheit …« Aber ich war auf diesem Auge blöd. Ich aß, was ich wollte, trank, was ich wollte, Schlaf-Wach-Rhythmus scheißegal, Party gemacht, Alkohol und Zigaretten konsumiert. Ich hatte nicht das Gefühl, ich sei krank, geschweige denn chronisch krank.

Von der Krankheit erzählte ich nur wenigen. Lediglich eine Handvoll wussten es konkret. Die anderen dachten einfach, ja der Robin, der geht alle sechs Wochen zur Infusion. Da ist irgendwas mit seinem Bauch. Es gab auch keinen Grund, etwas anderes zu denken. Bekam ich doch alle sechs Wochen meinen Gesundheitscocktail direkt in die Adern gespritzt. So war ich bereits seit drei Jahren in einer Beschwerdefreiheit. Ohne jegliche Probleme.

Zugegeben, ich hatte eine leise Vorahnung, dass sich da wieder etwas zusammenbraut. Dieses Gefühl wurde ganz langsam aber stetig immer etwas lauter. Bis der Stuhl dünner wurde. Ich bekam mehr Pickel. Ein Unwohlsein. Doch lange kein Grund zur Panik. Bis zu meiner Deutschland-Tournee mit meiner Punkband »Krank«. Nie hatte der Name so gut gepasst.

Steine im Bauch

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