Читать книгу Steine im Bauch - Marc Vogel - Страница 16

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KAPITEL 7

GESUNDE HABEN TAUSEND WÜNSCHE, DER KRANKE NUR EINEN EINZIGEN!

Wie eine tote Fliege lag ich auf meinem Sofa. Ich stellte mir den Wecker, damit ich mir morgens gleich in der Früh endlich meine rettende Infusion in der Arztpraxis abholen konnte. Ich war am Ende. Meine Symptome waren kaum auszuhalten. Das Gefühl war mir vertraut, und ich war überzeugt, dass ich mithilfe von Infliximab spätestens in drei Tagen wieder auf den Beinen wäre.

Als ich die Praxis betrat, Ernüchterung. Mein behandelnder Arzt war in den Ferien. Seine Stellvertretung machte sich ein Bild von mir, um dann zu beschließen, dass er in meinem Zustand keine Immunsuppressiva spritzen könne. Ich hätte mir auf meiner Reise auch einen Virus einfangen können. Die Therapie war ihm schlicht zu heikel.

»Ich will unbedingt Infliximab«, blickte ich ihn bettelnd an, gleichermaßen hoffnungswie vorwurfsvoll.

Das ginge leider nicht. Er könne es mir so nicht geben. Ich solle mich sofort als Notfall beim Universitätsspital melden. Er würde mich telefonisch schon einmal voranmelden.

LETZTE AUSFAHRT: KOLEKTOMIE

Niemand geht gern ins Krankenhaus. All die Pfleger, Krankenschwestern und Ärzte behaupten wohl auch eher selten, ihren Arbeitsort zu mögen. Zu viel Schmerz, zu viel Leid sammelt sich dort. Gerade in einem überdimensionalen Ort wie dem Zürcher Universitätsspital. Trotzdem ist es ein heiliger Ort, wo die Engel in Weiß einem helfen, Hoffnung säen, ermutigen.

Auf der Notfallstation angekommen war mir eines sofort klar: Meine Zeit in der first class war vorbei. Endlich an der Reihe, wurde ich erneut auf andere mögliche Erkrankungen durchgecheckt. Die stationäre Aufnahme folgte. Als dabei keine Hinweise oder etwas Auffälliges gefunden wurde, erhielt ich doch noch meine ersehnte Dosis Infliximab. Aber es hat nichts mehr genutzt. Es ist einfach durch mich hindurchgelaufen. Mein Körper war scheinbar nicht mehr fähig, das Medikament aufzunehmen, es richtig zu verarbeiten.

An die dreißigmal verbrachte ich täglich auf der Krankenhaustoilette. Es blutete und schmerzte. Ich litt, nichts und niemand schien mir zu helfen. Das Krankenhaus wurde vorerst zu meinem neuen Zuhause.

Bei einer weiteren Darmspiegelung erhielt ich eine neue, gravierendere Diagnose: Pancolitis! Die Entzündung der Colitis ulcerosa habe sich von den unteren Darmabschnitten nach oben hin ausgedehnt. Der ganze Dickdarmtrakt sei schwer entzündet. Die Beschwerden bei einer Pancolitis sind weitaus ausgeprägter, was ich leider bestätigen konnte.

Die eigentliche Hiobsbotschaft wurde gleich nachgeliefert: Wenn man diese neue Situation nicht in den Griff bekäme, müsse mein Dickdarm entfernt werden. Eine Kolektomie.

Schock.

Mein Dickdarm entfernt? Wieso? Wieso er? Wieso ich? Ich wollte meinen Dickdarm natürlich sehr gern behalten. Wir hatten noch viel zusammen vor.

»Herr Rehmann, sie würden dann einen J-Pouch bekommen, einen künstlichen Darmausgang und …« Ich unterbrach die freundliche medizinische Meinung bestimmt. Das kam für mich nicht infrage – und ist auch heute die allerletzte Option. Die letzte Ausfahrt.

Es war allerdings nicht das letzte Mal, dass dieses Damoklesschwert gefährlich nah über mir schwebte. Sicher, für viele andere Betroffene kann das eine Lösung sein, aber für mich schließe ich diese bislang aus. Ich hatte bereits darüber gelesen, und in achtzig Prozent der Fälle geht die Operation gut. Aber es ist eine schwere, meist dreistufige Operation, und es dauert lange, bis man sich davon erholt. Der erst außen sichtbare sogenannte Stoma, wird später nach innen verlegt. So kann man dann auf die Toilette. Irgendwie hatte ich überhaupt kein gutes Gefühl dabei, obwohl mir damit Linderung versprochen wurde.

Doch ich wollte nicht wahrhaben, dass ich nun meinen Dickdarm loswerden müsste. Das Ding ist immerhin über fünf Meter lang. Ich war überzeugt: »Das letzte Mal ging es ja auch« und glaubte an meine Genesung. Eine Dickdarmentfernung hat für mich so etwas Endgültiges, und ich wollte mir die Chance zur Heilung offen halten.

Steine im Bauch

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